„Die alte Frau hat dir einfach ihren Stand überlassen?“, fragte Yujin etwas misstrauisch.
Zeno nickte. „Ja, ich hab sie um einen Gefallen gebeten, und sie hat zugestimmt.“
Shelly war immer noch etwas skeptisch. „Du hast sie doch nicht bedroht, oder? Sie ist so schnell weggegangen, als wir gekommen sind.“
Zeno seufzte und setzte sich auf den kleinen Stuhl. Er zog die Handschuhe an, die die alte Frau auf dem kleinen Tisch neben ihrem Fischsortiment liegen gelassen hatte. Die Becken waren im Gegensatz zu denen ihrer Konkurrenten bis zum Rand gefüllt. Auf dem Tisch lag ein verdächtiger Notizblock, den Young nur kurz ansah, ohne jedoch danach zu fragen.
„Ist das wirklich in Ordnung?“, fragte Young noch einmal.
„Ja“, antwortete Zeno. „Ihr Sohn, der normalerweise den Stand betreibt, war zur Vorsorgeuntersuchung. Sie wollte den Stand nicht für den Tag schließen, also hat sie trotz ihres hohen Alters die Arbeit übernommen. Sie meinte, ein bisschen Hilfe könne nicht schaden.“
„Sie ist schon seit dem frühen Morgen hier, also habe ich ihr gesagt, sie solle sich im Schatten ausruhen.“
Young war wieder einmal beeindruckt von seinem Idol. Ein kleines Lächeln huschte über seine Lippen. Er hatte schon gedacht, dass er eine seiner Lieblingsszenen aus der Serie streichen müsste, aber Zeno kam und rettete die Situation.
Daraufhin nahmen die Mitarbeiter ihre Positionen ein und versuchten, auf dem belebten Markt so wenig Platz wie möglich einzunehmen. Währenddessen streckte Zeno seine Glieder und machte sich bereit für seinen Auftritt.
Zum Glück hatte er das schon mal gemacht – in seiner 23. Mission, als er Arzt auf der Insel Jeju war. Seine Mutter war Fischverkäuferin und er half ihr ab und zu, um über die Runden zu kommen.
Letztendlich war er daran gewöhnt. Er konnte den Fang seiner Mutter innerhalb weniger Stunden verkaufen, sodass sie früh nach Hause gehen konnten.
Als die Kameras zu laufen begannen und Young zum Start aufforderte, schlüpfte Zeno sofort in seine Rolle, um es hinter sich zu bringen.
Jimin rückte die Schürze um seine Taille zurecht und krempelte die Ärmel hoch. Normalerweise war er der stille Schüler, der nur sprach, wenn es nötig war. An den Wochenenden jedoch war er der fleißige, straßenkluge Enkel einer stummen Fischverkäuferin.
Er schaute durch die Menge und nahm die unruhigen Morgeneinkäufer wahr. Dann beugte er sich mit der Leichtigkeit eines Profis nach vorne, schlug eine frische Makrele auf die Holztheke und rief:
„Frischer Fang! Der beste auf dem Markt! So guten Fisch findet ihr nirgendwo sonst!“
In diesem Moment waren alle vom Volumen und der Wärme in Zenos Stimme überrascht.
Das Tüpfelchen auf dem i war, dass er mit dem Fisch umging wie ein echter Verkäufer. Er drehte ihn gekonnt, um die glänzenden Schuppen zu zeigen, überprüfte mit einem schnellen Druck seiner Finger die Kiemen und schnitt ihn sogar mühelos auf!
„Warum kann er das so gut?“, murmelte Yujin, während sie die Szene beobachteten. Shelly, die an der Seite stand und darauf wartete, dass sie an der Reihe war, um zu filmen, schaute ebenfalls mit großen Augen zu.
„Er hat nicht mal geübt“, sagte Young abwesend.
Natürlich strömten echte Kunden herbei, neugierig auf den gutaussehenden neuen Mann mit der lauten Stimme und den großartigen Fähigkeiten.
„Wer ist das?“
„Er sieht gut aus. Haben wir einen so gutaussehenden Fischverkäufer auf diesem Markt?“
„Er ist in Oma Lulus Stand. Ist er ihr Enkel?“
„Ich glaube, ihr Enkel geht noch nicht mal zur Highschool. Ich denke, die drehen hier was.“
„Ist doch egal! Die Fische sehen echt frisch aus. Los geht’s!“
Young hat diese Szene ursprünglich geschrieben, um Jimin als fleißigen Charakter zu zeigen. Ein paar Mitarbeiter sollten bei ihm einkaufen, aber das war gar nicht nötig.
Bevor sie sich versahen, war der Stand von Kunden umringt, die alle von Zenos Verkaufskünsten angezogen waren.
„Tante, suchst du etwas für das Mittagessen?“ Er hielt einen prallen roten Schnapper hoch. „Der ist perfekt zum Dämpfen. Das Fleisch ist zart, und wenn du etwas Ingwer und Sojasauce hinzufügst …“ Er küsste seine Finger wie ein Koch. „… Chefkoch-Kuss, garantiert!“
Die Frau blinzelte überrascht von seiner Begeisterung.
„Oder vielleicht zum Grillen?“ Er wechselte geschickt zu einem anderen Fisch. „Der hat festeres Fleisch, der zerfällt nicht auf dem Feuer. Vertrau mir, ich würde dir nichts verkaufen, was ich selbst nicht essen würde.“
Sie zögerte, und Zeno merkte, dass sie eine Feilscherin war.
Er milderte seinen Blick und passte seinen Tonfall an, als würde er mit seiner eigenen Großmutter sprechen. „Sie erinnern mich an meine Großmutter. Ich sage Ihnen was: Ich gebe Ihnen einen Rabatt. Aber nur, weil ich sehe, dass Sie sich mit gutem Fisch auskennen.“
Die Frau lachte leise. „Na gut, na gut. Ich nehme beide.“
Jimin grinste und wickelte den Fisch gekonnt ein. „Tante, Sie werden es nicht bereuen.“
Ein Verkauf war unter Dach und Fach.
Weitere Kunden kamen auf den Stand zu, angezogen von seiner Energie. Einige bezauberte er mit Humor, andere mit Aufrichtigkeit. Er passte sich jedem Einzelnen an und wusste genau, wann er scherzen und wann er ernst sein musste.
Zeno fühlte sich bereits erschöpft, aber Young hatte noch nicht „Cut“ gerufen, und die Kunden strömten weiterhin herbei.
Also beschloss er, so schnell wie möglich fertig zu werden, während er noch über die Eigenschaften nachdachte, die Young für Jimin aufgeschrieben hatte. Er war liebenswert, hatte einen versteckten Sinn für Humor und zeigte diese Seite nur, wenn er seiner Großmutter half.
Die Mitarbeiter schauten von der Seite zu und hatten das Gefühl, eine Dokumentation über einen genialen Fischverkäufer zu sehen und nicht einen Schauspieler, der nur so tat, als wäre er einer.
Jordie, Sammy und Jaehyun spähten aus dem Van und fragten sich, warum so viele Leute zu ihren Kameras strömten. Irgendwie wollte Jordie rausgehen und selbst nachsehen, aber er hatte zunächst gesagt, dass er im Van bleiben würde, und sein Stolz ließ ihn nicht dazu.
Nach einer Weile, als die Kundschaft deutlich weniger geworden war, rief Young „Cut!“. Sie hatten das Material, das sie brauchten. Nein – es war sogar viel mehr, als sie brauchten.
„Ich verkaufe euch später noch mehr“, sagte Zeno. „Wir müssen nur noch eine Szene drehen“, sagte er zu der jungen Frau, die bei jedem seiner Worte nickte.
Damit wandte er sich an die Crew, die ihn erstaunt ansah. Zeno drehte sich schnell zur Seite, um keine positive Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dann wandte er sich an Young, der immer noch benommen wirkte.
„Lasst uns gleich zur nächsten Szene übergehen“, sagte er und sah sich um. „Es ist gerade tote Zeit, also sollten wir so schnell wie möglich drehen.“
