„Du…!“
Mit einem Brüllen entfesselte Cedric eine weitere Reihe von Wind- und Feuerangriffen und schichtete seine Zauber mit einer Intensität, die die Luft flackern und brennen ließ. Zyklonartige Explosionen rissen die Arena auseinander und rissen Brocken aus dem Boden, während sie sich spiralförmig auf den Maskierten Mann zubewegten.
Aber sein Gegner war schon in Bewegung und schlängelte sich mit präzisen Bewegungen durch den Flammensturm. Cedrics Schläge streiften ihn kaum, während der Maskierte im Handumdrehen die Distanz zwischen ihnen überbrückte.
Kling!
Das Schwert des Prinzen wurde mit einer Wucht zur Seite geschleudert, die in seinen Armen nachhallte und ihn ungeschützt zurückließ. Ein schneller Tritt in die Magengrube schleuderte ihn rückwärts, sein Körper rutschte über den Boden.
Die Menge schnappte nach Luft. Cedrics Rüstung war jetzt mit Kratzern und Schmutz übersät, sein gelassener Gesichtsausdruck wich einer Miene purer Frustration.
„Hör auf, auszuweichen!“, bellte Cedric, seine Stimme brach vor Anstrengung. „Kämpfe wie ein richtiger Mann!“
Der Maskierte antwortete nicht mit Worten.
Stattdessen versetzte er Cedric einen heftigen Schlag, der ihn erneut durch die Luft schleuderte. Diesmal prallte der Prinz gegen die Barriere am Rand der Arena, was ein kollektives Aufstöhnen aus dem Publikum hervorrief.
Cedric rappelte sich auf, seine Sicht verschwamm. Er wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel und warf seinem Gegner einen vernichtenden Blick zu. Der maskierte Mann stand unerschütterlich in der Mitte des Kampfplatzes und wartete darauf, dass er sich wieder aufrappelte.
„Warum … warum tust du das?“, knurrte Cedric mit leiser, giftiger Stimme.
Der maskierte Mann umklammerte sein Schwert fester. „Demütigung fühlt sich nicht gut an, oder?“
Dem Prinzen wurde klar, was los war. „Du tust das wegen diesem schwachen Ritter, nicht wahr?“
Das traf einen Nerv.
Die Schläge des maskierten Mannes wurden heftiger, jeder Hieb seiner Klinge war nun von spürbarer Wut erfüllt. Cedric wurde immer wieder hilflos zurückgeworfen, seine schwache Verteidigung war völlig ungeschützt, seine gepriesene Offensive nutzlos.
Cedric brüllte vor Frustration, seine Fassung war völlig verloren. „Hör auf, mit mir zu spielen!“, schrie er mit vor Wut heiserer Stimme.
Plötzlich begann die Luft um ihn herum zu wabern. Ein Wirbel aus Flammen und Wind brach aus seinem Körper hervor und wirbelte in einem heftigen Strudel nach oben. Die Arena wurde in ein gleißendes Licht getaucht, als die Hitze zunahm und die Zuschauer zwang, ihre Augen zu schützen.
Der Wirbelsturm verschlang das Schlachtfeld, seine schiere Kraft war überwältigend.
Die Gelassenheit des maskierten Mannes brach schließlich zusammen, als er unvorbereitet getroffen wurde.
Die Wucht des Stellar Inferno Cyclone schleuderte ihn durch die Luft. Seine Robe und seine Maske wurden ihm vom Leib gerissen, brannten und zerfetzten, als er auf dem Boden aufschlug und in der Mitte der Arena zum Stillstand kam.
Cedric schwebte über dem wirbelnden Inferno, seine Gestalt von den tobenden Flammen umrahmt. Seine Brust hob und senkte sich vor Anstrengung, aber seine Augen brannten vor ungezügelter Tötungsabsicht, als er auf seinen Gegner herabblickte.
„Das ist der Unterschied zwischen uns“, erklärte Cedric, seine Stimme übertönte das Dröhnen des Zyklons. „Ich bin stärker. Du bist ein machtloser Schwächling.“
Der maskierte Mann stöhnte und rappelte sich auf. Die Überreste seiner Maske zerfielen und enthüllten sein Gesicht vor dem fassungslosen Publikum.
Ein Raunen ging durch die Menge. Ungläubiges Flüstern verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
„Ist das …?“
„Unmöglich! Das kann er nicht sein!“
Cedrics eigene Tapferkeit schwankte, als er die Gestalt vor sich anstarrte. Seine Zuversicht wich Schock, seine Augen weiteten sich ungläubig.
„Du … du …“, stammelte er und machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
Der maskierte Mann – jetzt nicht mehr maskiert – fixierte Cedric mit einem kalten, unnachgiebigen Blick. Seine Identität war nun für alle sichtbar.
Aurelius.
Der Name hing unausgesprochen in der angespannten Luft, aber seine Bedeutung war unverkennbar.
Aurelius klopfte sich den Staub ab, seine Bewegungen waren ruhig und bedächtig. Er knackte mit dem Nacken, sein Gesichtsausdruck war unlesbar.
„Also“, sagte Aurelius mit fester, schneidender Stimme, „denkst du immer noch, ich bin nichts …“
„… Bruder?“
In der Arena herrschte ohrenbetäubende Stille. Selbst der Wind schien den Atem anzuhalten, während alle versuchten, das Geschehene zu verarbeiten. Die Enthüllung der Identität des maskierten Mannes hatte sie alle wie ein Schlag getroffen und sie ungläubig erstarren lassen.
Der einst kränkliche Kronprinz stand aufrecht und stolz in der Mitte der Arena, seine Präsenz strahlte eine Autorität aus, die angesichts ihrer Erinnerungen an ihn unmöglich schien. Vorbei war die zerbrechliche Gestalt, die Unterstützung brauchte, um durch die Palastkorridore zu gehen. Vorbei war der junge Mann, der ohne zitternde Arme kaum ein Trainingsschwert heben konnte.
Ein Raunen ging durch die Menge und wurde lauter, als der Schock nachließ:
„Das kann doch nicht Prinz Aurelius sein …“
„Aber war er nicht erst letzte Woche in Eldoria?“
„Schau dir an, wie er sich bewegt … er ist wie ein völlig anderer Mensch!“
Die Flüstern trugen Fragen mit sich, die sich alle stellten. Wie konnte sich jemand innerhalb eines Jahres so dramatisch verändern? Der Aurelius, an den sie sich erinnerten, konnte nicht einmal an offiziellen Veranstaltungen teilnehmen, ohne regelmäßig Pausen einlegen zu müssen, um zu Atem zu kommen.
Doch hier stand er nun und hatte gerade eine Schwertkunst vorgeführt, um die ihn selbst Meister ihres Fachs beneiden würden.
Sein einst hagrer und kränklicher Körper strahlte nun Vitalität aus. Seine Haltung zeugte von unzähligen Stunden strengen Trainings, seine Bewegungen zeigten eine Anmut und Kraft, die fast überwältigend wirkten. Selbst seine Augen hatten einen scharfen, konzentrierten Ausdruck, der in krassem Gegensatz zu dem distanzierten, müden Blick stand, an den sich alle erinnerten.
Von seinem Platz an der Seite der Arena lehnte sich Adrian zurück und ein wissendes Grinsen huschte über seine Lippen. Er beobachtete, wie sich Verwirrung und Ungläubigkeit auf allen Gesichtern der Menge ausbreiteten, genau wie er es erwartet hatte. Cedrics verzweifelter Zug mit dem Stellar Inferno Cyclone hatte Aurelius in die Enge getrieben, genau wie er es geplant hatte.
Ein leises Lachen entrang sich Adrians Lippen, als er die Szene vor sich beobachtete.
Allein schon die politischen Auswirkungen waren köstlich – zwei Prinzen, die in einen Kampf verwickelt waren, dessen Ausgang in den Augen der anwesenden Adligen nun zu einer spontanen Thronfolgefrage geworden war. Die Ironie entging ihm nicht: Aurelius hatte sich wahrscheinlich noch nie so wenig um den Thron gekümmert wie jetzt, und doch war er hier und beanspruchte ihn durch seine bloße Kampfkraft unbeabsichtigt mit dem größten Anspruch.
„Du bist ganz schön gewachsen, nicht wahr?“, sinnierte Adrian leise vor sich hin, während sein Blick etwas weicher wurde, als er sich an den jungen Mann erinnerte, den er nach jenem schicksalhaften Vorfall vor nicht allzu langer Zeit gesehen hatte.
Die Veränderung, die sich vor ihm vollzogen hatte, war nicht nur körperlich – Aurelius‘ Blick hatte nun etwas Stahlhartes, eine Entschlossenheit, die in dieser Zeit geschmiedet worden war.
In der Arena stand Aurelius unerschrocken da, während sein silbernes Haar im Sonnenlicht glänzte, ein sichtbares Zeichen seiner Verwandlung. Die anwesenden Adligen flüsterten hektisch untereinander, ihre politischen Köpfe arbeiteten bereits auf Hochtouren, um angesichts dieser unerwarteten Entwicklung ihre Loyalitäten neu zu ordnen. Ihre sorgfältig ausgearbeiteten Pläne und Annahmen über die Thronfolge zerfielen vor ihren Augen.
Die auffälligste Veränderung war jedoch nicht Aurelius‘ Aussehen oder seine neu gewonnene Kraft. Es war seine Haltung, die ruhige Zuversicht, mit der er seinem Stiefbruder gegenüberstand.
Er war nicht mehr der schüchterne, entschuldigende Kronprinz, der früher vor Konfrontationen zurückschreckte.
Er war ein Mann, der genau wusste, wer er war und wofür er in diesem Moment stand.
Als die Spannung in der Arena ihren Höhepunkt erreichte, breitete sich ein leichtes Lächeln auf Adrians Gesicht aus. Die eigentliche Show begann gerade erst. Schließlich gab es kaum etwas Unterhaltsameres, als zuzusehen, wie sorgfältig konstruierte Weltbilder in einem Augenblick zerbröckelten. Und Cedrics Gesichtsausdruck verriet, dass seine ganze Welt gerade auf den Kopf gestellt worden war.
Er stand wie erstarrt da, seine bisherige Tapferkeit schwand wie Morgentau in der Sonne. Er öffnete mehrmals den Mund, aber es kamen keine Worte heraus. Was hätte er sagen sollen? Wie hätte er den Bruder akzeptieren können, auf den er immer herabgeschaut hatte, als der mächtige Krieger, der jetzt vor ihm stand?
„Nun, die Antwort lautet …“