Danach vergingen ein paar Wochen.
Die Nachricht von Lazarus‘ Tod entfachte in den Studenten den Siegesrausch, den sie zwei ganze Tage lang feierten.
Nur zwei Tage.
Es gab Paraden, Gelächter, Anprangerungen und den ganzen Rummel. Aber nach diesen zwei Tagen vergaßen alle einfach diesen Mann.
Nicht alle allerdings, Arthur vergaß ihn nicht.
Er war immer noch in seinem depressiven, verrückten Zustand und es sah nicht so aus, als würde er da so schnell rauskommen. Ich verstehe, dass er Lazarus als seinen Lehrer angesehen hatte, aber Mann … es ist Zeit, scheiß auf ihn.
Selbst in dem Roman, als Lazarus im Krieg starb, war Arthur nicht so traurig.
Nach Lazarus änderte sich also nicht viel. Die Akademie lehrte den Schülern weiterhin ihre beschissenen Ideale, und sie saugten sie auf wie Schwämme.
Aber es gab drei interessante Entwicklungen.
Beginnen wir mit der uninteressantesten, der Snake Tail’s Gang.
Nach dem Bombenanschlag fing die Gang, wie ich es mir ausgerechnet hatte, wieder an, ihr Geschäft zu machen. Die Heilung würde lange dauern, aber das würde später kommen. Das Interessante war aber, dass es vier Schlangen gab, die etwas zu schnell vorankamen.
Diese vier eroberten Plätze und Reviere, die ihnen schnelles Geld einbrachten. Wie machten sie das?
Sie nahmen unsere Plätze ein, um die Lücken zu füllen, die sie verloren hatten.
Das war keine schlechte Idee … aber eine destruktive.
Den Platz eines anderen einzunehmen, war in jeder Untergrundgang oder Organisation ein absolutes No-Go. Und genau das taten diese vier.
Was ich jedoch seltsam fand, war, dass alle vier das gleichzeitig taten. Ich wusste, dass sie zusammenarbeiteten, aber keiner von ihnen zögerte, so weit zu gehen.
Das bedeutete, dass im Hintergrund noch etwas anderes vor sich ging.
Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe eine Ahnung, was es sein könnte.
Da der Uninteressanteste nun weg ist, fangen wir mit den Großen an.
Die Sache mit Elisabeth Valorence… Sie war in den letzten Tagen eine seltsame Gestalt.
Irgendwie hat sie, ohne dass ich irgendwas angedeutet oder gemacht habe, angefangen, sich an mich ranzumachen. Ernsthaft, ich hab immer noch keine Ahnung, was zu dieser Veränderung geführt haben könnte, und Arthur hier wusste wahrscheinlich auch nichts davon.
Das Interessante an ihr war jedoch, dass sie sich nicht mehr mit mir getroffen hat. Seit dem Tag des Bombenanschlags habe ich sie weder in der Akademie noch außerhalb gesehen.
Ich dachte, vielleicht habe ich sie nur knapp verpasst oder sie war nicht in der Akademie. Aber das war es nicht. Samantha erzählte mir etwas anderes.
[ Rückblende ]
„Über sie? Ja, sie ist ein bisschen seltsam seit dem Bombenanschlag, aber ich nehme an, sie hat immer noch Angst. Vielleicht will sie deshalb nicht mehr in der normalen Cafeteria rumhängen und geht direkt zu unserer speziellen Cafeteria.“
„Dass wir euch getroffen haben? Keine Ahnung, sie redet nicht mehr viel über euch.“
„Also Henry, wie geht’s dir?“
[ Rückblende Ende ]
Ja, sie ignorierte mich.
Vielleicht hätte ich sie nicht küssen sollen … oder ich hätte schneller sein müssen, bevor Arthur kam.
Ich weiß nicht, wie das ausgegangen wäre, aber es wäre sicher besser gewesen als dieses Versteckspiel.
Und jetzt endlich das Interessanteste.
Ashen Fang … ihr richtiger Name ist Rebecca Hailey (My Little Assassin).
Damals, als ich ein Team für die Befreiung von Lazarus zusammenstellte, gab ich auch einen Auftrag für sie unter ihrem Codenamen Ashen Fang. Sie sollte den Typen umlegen, der viele unschuldige Menschen ermordet hatte.
Was in Rebeccas Buch abgehakt werden sollte, da sie nur böse Leute umgebracht hat.
Aber ich war trotzdem besorgt, dass sie versagen könnte oder dass etwas schiefgehen und sie ihm stattdessen helfen könnte. Wer weiß schon, was in einem Roman passiert.
Aber alles lief wie geplant und der Plan ging genau so auf, wie ich es wollte. Lazarus war tot und ich konnte Rebecca etwas besser verstehen.
Zum einen war sie eine blinde Närrin. Sie wusste nicht, wer der wahre Verbrecher war. Denn wenn sie es gewusst hätte, hätte sie den armen alten Lazarus bestimmt nicht vergiftet … und so, wie sie es getan hatte, erschütterten die Gerüchte die Leute.
Seltsamerweise hat niemand seine Todesursache untersucht. Wahrscheinlich hassten sie ihn zu sehr.
Mir wurde klar, dass ich das nutzen konnte. Ich konnte Rebecca für mich arbeiten lassen, auf eine Art, die ich im Rampenlicht nicht konnte. Sie würde mein Rachemesser sein, im Dunkeln lauernd, und ich ihr Versorger … ich würde ihr falsche Infos über Leute geben und sie diese töten lassen.
Klar, es war ein bisschen mühsam, falsche Infos zu beschaffen und den Ruf der Leute zu ruinieren, aber sie machte ihre Arbeit so gut, dass ich die Aufgabe nicht an jemand anderen vergeben konnte.
Alle, die ich ihr zu töten befahl, wurden auf sehr bizarre Weise umgebracht. Entweder wurde jemandem der Kopf abgeschnitten, was noch der beste Fall war, oder sie wälzten sich vor Schmerzen auf dem Boden, vergiftet … fast der schlimmste Fall.
Angesichts dieser neuen Entwicklung beschloss ich, etwas Verrücktes auszuprobieren. Ich erstellte ein Fake-Konto und gab ihr damit zwei Aufträge. Diese beiden Aufträge waren sehr verrückt, würden sie aber extrem bereichern.
Der erste Auftrag war, die amtierende Königin Abigail zu töten … natürlich lehnte sie ab, ohne auch nur einen zweiten Blick darauf zu werfen.
Rebecca wusste wahrscheinlich, dass sie eine böse Frau war, aber trotzdem nahm sie den Auftrag nicht an. Sie kannte die Grenzen ihrer Macht und Abigail war für sie eine Nummer zu groß.
Ironischerweise ging es beim zweiten Auftrag um mich.
Ich sollte getötet werden.
Es war keine Überraschung, dass sie auch diesen Auftrag ablehnte.
Nun kamen mir zwei Faktoren in den Sinn. Erstens wollte sie mich aus eigenem Antrieb töten. Einen Auftrag über mich anzunehmen, passte ihr daher nicht.
Zweitens wollte sie mich nicht töten. Der Grund dafür ist mir nicht bekannt. Aber es könnte etwas damit zu tun haben, dass ich sie damals gerettet hatte.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob sie mich töten will oder nicht.
Aber ich war mehr als interessiert daran, ihre Gedanken zu erfahren.
…
Nachdem diese beiden Dinge erledigt waren, passierte nichts weiter im Leben von Henry Van Tax.
Sicher, er hatte Sex mit vielen Frauen, hauptsächlich mit Abigail und ein paar anderen, die ihm nahestanden. Aber es passierte nichts wirklich Neues.
So verging die Zeit und wir näherten uns dem Ende des Februars.
Das bedeutete, dass es Zeit für die Prüfung war.
…
Mitternacht
Ich stand auf dem Balkon eines dreistöckigen Gebäudes und schaute durch ein kleines rechteckiges Ding. Durch die Fernglasgläser sah ich eine Kutsche, die über die Straßen raste und sich der Hauptstadt näherte.
Um die Kutsche herum waren drei Gruppen bewaffneter Wachen. Eine vorne, die die Gegend auskundschaftete, und zwei hinten, die die Kutsche vor Angriffen schützten.
Ich schaute mir einen der Wachen genauer an und sah ihre hochwertige Ausrüstung und die blauen Ringe, die jeder von ihnen trug.
„Sie ist gut vorbereitet.“
Die Kutsche erreichte schnell den Wachposten und fuhr ohne Probleme hinein. Dann hielt sie vor einem der extravaganten Hotels und die Person darin stieg aus.
Es war eine Frau. Sie war groß, hatte weiches langes Haar und trug ein normales Kleid … wahrscheinlich, um ihr wahres Ich zu verbergen.
Als ich ihr schönes Gesicht sah, war ich überhaupt nicht enttäuscht.
„Endlich bist du da … Jüngste Prinzessin von Sekai.“
