Als Lin Mu die Worte von Senior Xukong hörte, wusste er nicht, was er davon halten sollte. Wenn es wirklich ein Kultivierender aus dem Reich der Unsterblichen war, der diesen Ort geschaffen hatte, dann musste das vor mehreren tausend Jahren gewesen sein.
„Das ist eine Menge zu verdauen“, murmelte Lin Mu.
„Ich glaube, dieser Ort war ursprünglich für etwas anderes gedacht und wurde am Ende zu etwas völlig anderem“, meinte Xukong.
Lin Mu nickte und beschloss, sich noch ein bisschen umzusehen. Aber vorher fiel ihm noch etwas ein.
„Oh, ich sollte Little Shrubby rufen“, dachte Lin Mu.
Er schickte ihm eine Nachricht über ihre Verbindung und innerhalb von weniger als dreißig Sekunden stand Little Shrubby am Eingang der Höhle.
„Was ist das hier für ein Ort?“, fragte Little Shrubby.
„Hier ist der ehemalige Berater entkommen, aber es scheint noch mehr Geheimnisse zu geben. Kannst du dich umsehen und nach Hinweisen oder Ungewöhnlichem Ausschau halten?“, fragte Lin Mu.
„Okay“, sagte Little Shrubby und sah sich um.
Lin Mu tat es ihm gleich und überprüfte zuerst alle Wände. Er hatte das Gefühl, dass es hier mehr Platz gab, als man auf den ersten Blick erkennen konnte. Das dachte er umso mehr, als die Wände tatsächlich seine geistige Wahrnehmung daran hinderten, einzudringen.
~Klopf~ Klopf~
Nachdem er sich etwa zwei Stunden lang umgesehen hatte, entdeckte Lin Mu etwas in einer der Wände gegenüber der Teleportationsformation.
„Hmm … die Dicke ist definitiv anders“, murmelte Lin Mu.
Phase!
Lin Mu ging direkt durch die Wand hindurch und ging weiter. Nach etwa zehn Sekunden landete er in einem anderen Gang.
„Genau wie ich dachte“, sagte Lin Mu, als er das entdeckte.
Er drehte sich um und sah etwas, das wie kaputte Scharniere und andere Mechanismen aussah, mit denen man eine Tür bewegen konnte.
„Deshalb funktioniert es nicht. Es ist schon lange kaputt“, verstand Lin Mu.
Er überprüfte den Bereich mit seinem Geistessinn, um ganz sicher zu sein, und überlegte sich einen Plan. Dieser Teil des Bereichs blockierte seinen Geistessinn nicht und er konnte ihn frei nutzen.
„Also hat nur die erste Höhle diese einschränkende Schicht und die anderen Teile nicht“, verstand Lin Mu.
Dann streckte er seine Hand in Richtung der Wand, die auch eine Tür war, und spreizte sie wie eine Klaue.
~CRACK~CRACK~CRACK~
Lin Mus Finger gruben sich in die massive Steintür und umklammerten sie fest.
~RUMBLE~
Dann drückte Lin Mu gegen die Tür und sie begann sich zu bewegen.
~DENG~
Endlich war die Tür ganz offen und Little Shrubby stand dahinter.
„Noch ein Geheimgang?“, fragte er.
„Ja, sieht so aus“, antwortete Lin Mu.
Jetzt, wo die Tür offen war, konnte Little Shrubby auch reingehen. Der Meister und das Tier gingen weiter durch den Gang und kamen schließlich zu einer weiteren Tür.
„Hmm … dieser Ort ist tiefer als die vorherige Höhle“, stellte Lin Mu anhand des Winkels fest, in dem sie gegangen waren.
„Schauen wir mal, was dahinter ist“, sagte Little Shrubby.
„Mmhmm“, brummte Lin Mu als Antwort, legte seine Hand auf die Tür und drückte sie auf.
~RUMBLE~
Staub fiel von der Tür, als sie sich endlich langsam öffnete. Dahinter konnte Lin Mu etwas sehen, das im Grunde genommen ein Berg aus Gold war.
„Was in aller Welt ist das?“, rief Lin Mu aus.
Er ging hinein und sah sich in der ganzen Halle um, wo er noch mehr Gold und viele andere Schätze fand. Es gab buchstäblich Berge aus Goldbarren, die vorne aufgestapelt waren, und dahinter konnte er mehrere weitere solche Berge sehen, allerdings aus anderen Metallen.
Lin Mu konnte einige davon identifizieren, aber viele waren ihm unbekannt. Es gab auch andere Dinge wie Kalligraphie-Rollen und Gemälde, aber Lin Mu erkannte, dass es sich dabei ebenfalls um Bestandteile von Formationen handelte.
Dann gab es noch mehrere Möbelstücke und etwas, das wie ein Schlafzimmer aussah.
„Da muss noch mehr sein“, sagte Lin Mu, bevor er auf das Schlafzimmer zuging.
Dort sah er ein großes Porträt, das an der Wand hing. Es war auf feinster Leinwand gemalt und die Farbe bestand aus spirituellen Kräuterfarben. Eine starke Aura ging von dem Porträt aus und die Person darauf kam auf Lin Mu zu.
„Das ist so lebensecht … wer auch immer das gemalt hat, muss sehr talentiert gewesen sein“, sagte Lin Mu.
„Das ist nicht nur lebensecht, das ist ein echtes Lebensporträt“, sagte Xukong plötzlich.
„Was?“, fragte Lin Mu verblüfft.
Er hatte schon mal von Lebensporträts gehört und auch in den Memoiren des Verlorenen Unsterblichen darüber gelesen. Es handelte sich dabei im Grunde um ein Medium, mit dem Kultivierende nach ihrem Tod Informationen weitergaben.
Diese Lebensporträts waren sehr schwer herzustellen und konnten nur von einem „Geistermaler“ angefertigt werden. Das war einer der selteneren Berufe eines Kultivierenden, und nur wenige übten ihn tatsächlich aus.
Die Geistermaler konnten ein Porträt eines Kultivierenden anfertigen und es dann mit einem Teil ihrer Seele zum Leben erwecken. Sobald dies geschehen war, konnte das Porträt sich tatsächlich bewegen und anfangen zu sprechen.
Das Problem dabei war jedoch, dass nicht jeder Geistmaler dazu in der Lage war. Es handelte sich um eine sehr hohe Fertigkeit unter den Geistmalern, die selbst jemand aus dem Reich der Unsterblichen vielleicht nicht einmal annähernd beherrschte.
„Wenn das wirklich so ist, warum spricht es dann nicht?“, fragte Lin Mu.
„Es muss in einen Ruhezustand gefallen sein.
Lebensporträts existieren nicht ewig, sie können mit der Zeit altern und die Seelenfetzen in ihnen verblassen nach einer bestimmten Zeit.
Um das zu verhindern, fallen sie in einen Ruhezustand, wenn sie nicht gebraucht werden. Das könnte auch hier der Fall sein“, erklärte Xukong.
„Hmm … dann gibt es nur einen Weg, das zu überprüfen“, sagte Lin Mu und ging näher an das Gemälde heran.
