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Kapitel 610: Kapital (2)

Kapitel 610: Kapital (2)

Der Junge beugte sich weiter zum Fenster, sein Atem beschlug das verzauberte Glas, während sich die Landschaft ausbreitete.

Unten rollten Güterwagen durch Schwebehöhenaufzüge – Fässer mit Erz, Kisten mit Konservierungsrunen und Kanister, aus denen flüchtiger Äther summte. Sie wurden schnell und effizient transportiert, gesteuert von behandschuhten Händen und flackernden Zaubersprüchen.
Überall war der Puls der Magie unüberhörbar. Aber diejenigen, die sie lenkten – diese Magier – trugen keine Roben aus Seide oder golddurchwirkte Uniformen. Ihre Umhänge waren zweckmäßig, ihre Bewegungen flink. Die Ärmel waren bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, ihre Gesichter waren von Ruß und Zauberverbrennungen gezeichnet.

Das waren arbeitende Magier.
Er konnte es nicht in Worte fassen, aber er konnte es spüren. Ihre Magie war anders – nicht so ausgefeilt und einstudiert wie die, die er in edlen Duellen gesehen hatte, sondern roh und anpassungsfähig. Sand im Getriebe der Zivilisation. Macht, die nicht geschenkt, sondern verdient war.

„Das sind keine Adligen, oder?“, fragte er leise.
Sein Begleiter nickte langsam und presste die Lippen zusammen, während sein Blick den mühsam arbeitenden Zauberern folgte. „Nein, junger Herr. Sie sind … etwas Neues. Und etwas Umstrittenes.“

Der Junge drehte sich zu ihm um.

„Bürgerliche“, erklärte der Begleiter. „Einige von ihnen sind hier, um zu arbeiten. Aber andere … sind Kandidaten.“

„Für die Akademie?“, fragte der Junge mit großen Augen.
„Ja. In diesem Jahr hat der Arcanis-Rat zum ersten Mal in der Geschichte des Imperiums beschlossen, ausgewählte Bürger in die Reihen der Akademie aufzunehmen. Nicht als Diener. Nicht als Gehilfen. Als Schüler.“

Der Junge lehnte sich fassungslos zurück. „Aber … wie?“

Daraufhin verschärfte sich der Ausdruck des Begleiters, und ein Hauch von Abscheu huschte über sein ansonsten ausdrucksloses Gesicht.
„Durch eine Methode, die dem Adel angemessen ist“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Eine großartige Darbietung. Eine, die die Grenze zwischen Gelegenheit … und Spektakel überschreitet.“

Die Kutsche bog um eine Kurve und gab den Blick auf eine riesige Baustelle im nördlichen Teil der Stadt frei. Schwebende Gerüste schwebten an Ort und Stelle, bewegliche Plattformen, die durch geheimnisvolle Kräfte zusammengehalten wurden, bildeten eine kolossale stadionähnliche Struktur, die von einer kristallinen Hülle umgeben war.
Magier schwebten zwischen den Gerüstträgern und zeichneten Runenzeichen in die Luft. Ganze Teams von Handwerkern arbeiteten perfekt synchron und bereiteten einen Raum vor, der nicht für Krieg, sondern für eine Vorführung gedacht war.

„Das“, sagte der Begleiter und deutete mit seiner behandschuhten Hand, „ist die Arena. Hier finden die ‚Kandidatenprüfungen‘ statt. Ein Event, bei dem Bewerber aus dem ganzen Reich – und sogar von außerhalb – bewertet werden.“
„Vor allen Leuten?“, fragte der Junge.

„Vor allen Leuten“, bestätigte der Begleiter mit leiser Stimme. „Das Event wird über die ätherischen Netzwerke in der ganzen Stadt übertragen. Tavernen, Akademien, Adels salons – alle werden zuschauen. Nicht nur die Ergebnisse … sondern den ganzen Kampf. Jede Prüfung. Jedes Scheitern. Jeden Aufstieg.“
Der Junge ballte langsam die Hände zu Fäusten auf seinem Schoß. „Sie werden also nicht nur geprüft … sie werden beobachtet.“

„Ja“, antwortete der Begleiter. „Für die Adligen ist es Unterhaltung. Eine Kuriosität. Eine Wette darauf, welcher Bauer sich hoch genug kämpfen kann, um an unseren Tischen zu sitzen. Aber für die Teilnehmer?“ Er warf einen Blick aus dem Fenster. „Es ist alles.“
Der Junge wandte seinen Blick wieder dem versammelten Turm zu. Eine Gruppe jüngerer Kandidaten – einige nicht älter als er – stand vor den Toren des Gerüsts. Ihre Kleidung war schlicht, ihre Haltung steif. Einige trugen Waffen auf dem Rücken. Andere hatten leuchtende Zauberanker in die Haut eingraviert. Ihre Augen brannten vor Hunger. Nicht nach Essen. Sondern nach einem Platz.

Nach Anerkennung.

„Wie viele werden bestehen?“, fragte er leise.
„Schwer zu sagen“, murmelte der Begleiter. „Gerüchten zufolge wurden weniger als zehn Plätze vergeben. Von Hunderten. Vielleicht sogar Tausenden.“

Der Junge lockerte leicht seine Finger und lehnte sich wieder zurück.

„Das ist grausam“, sagte er, ohne seinen Begleiter anzusehen. „Aber … sie werden trotzdem darum kämpfen, oder?“

Der Begleiter antwortete nicht.
Das musste er auch nicht.

Die Worte des Jungen hatten sich bereits zu einer stillen Wahrheit verdichtet – einer, die nicht so leicht zu widerlegen war. Draußen stand die Menge der Hoffnungsvollen immer noch versammelt, ohne zu ahnen, dass sie von hinter vergoldetem Glas beobachtet wurden.

„Sie werden nicht aufgeben“, fuhr der Junge mit leiser, fast ehrfürchtiger Stimme fort. „Selbst bei solchen Chancen. Selbst wenn die ganze Welt ihnen sagt, dass sie es gar nicht erst versuchen sollen.“
Er lächelte leicht. „Diese Art von Widerstandskraft … ist bewundernswert.“

Sein Blick wurde weich, als er beobachtete, wie eine der Kandidatinnen – ein Mädchen mit einer abgebrochenen Klinge auf dem Rücken und einem Band, das ihr Haar zusammenhielt – einem anderen aufhalf, der gestolpert war. Sie wechselten kein Wort. Aber die Verbindung zwischen ihnen war klar. Keiner von beiden hatte vor, zurückgelassen zu werden.

„Ich will mit denen reden, die es schaffen“, sagte der Junge. „Von ihnen lernen. Mit ihnen befreundet sein. Die sind dann wie … wie Prominente, oder? Nicht nur Schüler – sondern der lebende Beweis, dass Status nicht alles ist.“
Der Begleiter hob eine Augenbraue und zuckte mit dem Mundwinkel. „Ich würde dir raten, junger Herr, dich nicht in Bewunderung zu verlieren. Diese Prüfungen sind kein Spiel. Und du … neigst dazu, deine Grenzen zu überschreiten, wenn dich deine Begeisterung mitreißt.“

Der Junge drehte sich mit einem amüsierten Blick zu ihm um. „Was? Meinst du wie damals mit dem Eulenverkäufer?“
Der Begleiter atmete tief durch die Nase aus. „Oder die Duellherausforderung, die du diesem armen Adligen aus dem vierten Rang beim Ernteball gestellt hast. Ja.“

„Ich habe nicht verloren“, fügte der Junge defensiv hinzu, obwohl ein verschmitztes Grinsen um seine Lippen spielte.

„Du warst nicht eingeladen“, murmelte der Begleiter leise.

Der Junge lachte leise und hob die Hände, als würde er sich ergeben. „Ich kenne meine Pflichten, versprochen.“
Der Diener antwortete nicht sofort, sondern atmete nur auf diese leidende Art aus, die er oft an den Tag legte, wenn der Charme des jungen Herrn über die Disziplin siegte. Dennoch lag keine echte Wut darin – nur Besorgnis, verborgen unter jahrelanger Loyalität.

Dann wurde das Lächeln des Jungen sanfter und sein Blick fiel auf die Kugel, die er behutsam in seiner Hand hielt.
Sie war klein – kaum so groß wie eine Pflaume – und ihre glatte Oberfläche war mit schwachen Runen verziert, die in einem sanften, manablauen Licht pulsierten. Er drehte sie leicht in seiner Handfläche und beobachtete, wie das Schimmern wie Sternenlicht in tiefem Wasser flackerte.
„Ich frage mich, ob Selphine schon das Tor erreicht hat“, murmelte er, wobei ihr Name ihm wie eine alte Gewohnheit über die Lippen kam. Eine Spur von Zuneigung schwang mit – leise, aber unverkennbar.

Die Kugel in seiner Hand flackerte erneut, als würde sie auf den Klang ihres Namens reagieren.
„Selphine?“, fragte der Begleiter und sah ihn an. „Du meinst Lady Selphine Elowen?“

Der Junge nickte. „Mhm. Aus dem Gebiet der Elowen. Ihr Land grenzt an unseres, weißt du noch? Unsere Familien sind seit der Zeit meines Großvaters verbündet.“

„Ist das das Mädchen, das einmal einen Zauberkristall in einen Teich geworfen hat, weil jemand ihr Haar zu glänzend fand?“
„Das war nur ein einziges Mal“, sagte der Junge schnell. „Und er hat es verdient.“

Die Kugel pulsierte erneut – diesmal stärker.

Dann –

„Aurelian!“

Ihre Stimme drang aus der Kugel, jetzt höher und voller Empörung.
„Wo zum Teufel bist du? Du hast gesagt, du kommst am Morgen! Ich warte schon seit fünfzehn Minuten an der Nordpromenade und – warte, wage es ja nicht, mir zu sagen, dass du immer noch im Stau in der oberen Verkehrsring der Stadt steckst! Du hast es versprochen!“

Aurelian zuckte zusammen, dann lachte er leise und hob die Kugel mit einer Hand etwas höher. „Nun“, sagte er mit einem verlegenen Grinsen, „sie ist angekommen.“
„Du hast Glück, dass Lady Selphine nicht wie ihr Vater duelliert“, murmelte der Begleiter mit ausdruckslosem Gesicht. „Sonst hätte sie längst Genugtuung verlangt.“

„Mm, sie droht nur damit, Zauberbücher zu werfen. Viel sicherer“, sagte Aurelian und hob dann seine Stimme in Richtung der Kugel. „Wir sind fast da, Selphine. Ich kann die Promenadentürme von hier aus sehen. Nur ein bisschen Verkehr, ich schwöre.“
„Das sagst du immer.“ Ihre Stimme war jetzt leiser, die Verärgerung schwand. „Lass mich nur nicht zu lange warten. Ich möchte gemeinsam mit dir die Zimmerzuweisungen für das Wohnheim finden.“

Aurelians Lächeln kehrte zurück, jetzt war es fester. „Das würde mir im Traum nicht einfallen.“

Die Kugel wurde dunkler und signalisierte das Ende der Nachricht.
Der junge Erbe lehnte sich in seinem Sitz zurück und atmete tief und zufrieden aus, als sich die Torflügel der Kaiserakademie näherten, die in der Mittagssonne glitzerten wie ein Versprechen, das in den Himmel geschrieben war.

Selphine Elowen. Seine Freundin aus Kindertagen. Seine gelegentliche Rivalin. Und, ob sie es wusste oder nicht, die Ruhe in dem Sturm, der sich gerade zusammenbraute.

„Dann sind das heute wohl zwei Wiedersehen“, sagte er lächelnd.

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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