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Kapitel 147: Die Klinge holen

Kapitel 147: Die Klinge holen

Die Morgensonne war noch nicht aufgegangen, als Valeria aus dem Schlaf aufwachte.

„Seufz … Was für ein Chaos …“

Ihr Geist war schon hellwach und schien schon lange vor ihrem Körper aufgewacht zu sein, beschäftigt mit Gedanken an das, was vor ihr lag.
Sie hatte einen Großteil der Nacht damit verbracht, über das Turnier in Andelheim nachzudenken, über die Chance, die es ihr bot, und über den Druck, der damit einherging. Dies war kein gewöhnlicher Wettkampf – dies war ihre Chance, ihren Stolz zurückzugewinnen, ihren Wert als Ritterin zu beweisen und nach ihrer unglücklichen Reise etwas Würde zurückzugewinnen.

Valeria setzte sich auf und blinzelte mit ihren violetten Augen in das schwache Licht, das durch die Vorhänge fiel. Ihre Gedanken waren bereits bei ihrem Training.
Wie immer war Disziplin die Grundlage ihres Morgens. Egal, wie viel sie beschäftigte, ihre Routine wich nie von der Strecke.

Sie schwang ihre Beine über die Bettkante, spürte den kühlen Boden unter ihren nackten Füßen und bewegte sich mit der Effizienz von jemandem, der dies schon tausend Mal gemacht hatte. Jede Bewegung war bewusst – es gab keine Zeit zu verlieren.
Der Druck auf ihren Schultern, die Erwartungen ihrer Familie und ihr persönliches Bedürfnis, sich zu beweisen, waren die treibenden Kräfte, die sie vorantrieben.

Während sie ihre Trainingskleidung anzog, gingen ihr die Aufgaben des Tages durch den Kopf. Das Training musste heute präzise und konzentriert sein.

Sie konnte es sich nicht leisten, sich von den Ereignissen der letzten Tage ablenken zu lassen, schon gar nicht von seiner nervigen Anwesenheit.
Valeria trat aus ihrem Zimmer hinaus, die Luft war frisch am frühen Morgen. Instinktiv warf sie einen Blick über den Flur, halb erwartete sie, Lucavion aus dem Zimmer gegenüber auftauchen zu sehen, bereit, sie zu provozieren, wie er es am Morgen zuvor getan hatte.

Aber der Flur war leer, still. Kein ärgerliches Grinsen erwartete sie, keine beiläufigen Sticheleien, die sie aus dem Gleichgewicht bringen konnten.

Eine leichte Erleichterung überkam sie.
„So sollte es sein“, dachte sie und ihre Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. „Ruhe und Frieden.“

Als Valeria ihren morgendlichen Lauf begann, lenkte der gleichmäßige Rhythmus ihrer Schritte auf dem Kopfsteinpflaster sie von den wirbelnden Gedanken in ihrem Kopf ab. Die Luft war kühl, jeder Atemzug füllte ihre Lungen mit der Frische der Morgendämmerung, aber trotz der körperlichen Klarheit war ihr Geist weiterhin beschäftigt.
Das Turnier. Die Chance, die es bot, war unbestreitbar. Das Kampfturnier des Marquis Ventor würde fähige Kämpfer aus dem ganzen Königreich anziehen, und ein Sieg – oder auch nur eine gute Leistung – könnte ihren Namen und ihren Ruf verbessern.

Sie würde die Chance haben, ihre Fähigkeiten auf einer öffentlichen Bühne unter Beweis zu stellen, etwas, das sie nach dem Debakel mit Korvan dringend brauchte. Es wäre die perfekte Gelegenheit, ihre Reise zu retten und mit einem Erfolgserlebnis zu ihrer Familie zurückzukehren.
Aber es gab Risiken.

Valerias Schritte wurden schneller, während ihre Gedanken kreisten. Das Turnier war nicht nur eine Vorführung – es war ein regelrechtes Schlachtfeld. Erfahrene Ritter, Söldner und Kämpfer aller Art würden gegeneinander antreten. Jeder Fehler, jede Schwäche könnte zu Verletzungen oder Schlimmerem führen.
Und dann war da noch die Sache mit ihrer Familie. Was würden sie denken? Vor allem ihr Vater könnte das als leichtsinnig ansehen, als Ablenkung von dem Weg, den er für sie vorgesehen hatte.

Und es ging nicht nur um sie. Sie war nicht allein unterwegs. Die sechs Ritter, die sie begleiteten, waren eine Macht für sich – jeder von ihnen war geschickt, loyal und repräsentierte den Namen Olarion.

Jeder von ihnen war wegen seiner Loyalität und seinem Können für diese Mission ausgewählt worden und repräsentierte die Ehre und das Ansehen des Hauses Olarion. Sie waren ihre Beschützer und hatten die Aufgabe, ihre Sicherheit als Erbin der Familie zu gewährleisten. Aber je mehr sie über das bevorstehende Turnier in Andelheim nachdachte, desto mehr wurde ihr klar, dass es vielleicht nicht nötig war, sie mitzunehmen – und dass es sogar alles komplizierter machen könnte.
„Ich weiß, dass sie hier sind, um mich zu beschützen, aber dieser Ort muss doch zumindest sicher sein“, überlegte sie.

Das Turnier des Marquis Ventor würde ein hochkarätiges Ereignis sein, das die Aufmerksamkeit von Adligen, erfahrenen Kämpfern und der Oberschicht der Gesellschaft auf sich ziehen würde.
Der Marquis selbst würde für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen, sowohl wegen des Prestiges des Turniers als auch wegen der anwesenden Adligen. In so einer Umgebung waren ihre Ritter vielleicht nicht so wichtig wie in gefährlicherem oder unbekanntem Gebiet.

„Es geht nicht nur um Schutz“, überlegte sie. „Es geht um mein Image, meine Unabhängigkeit.“
Je mehr Valeria darüber nachdachte, desto klarer wurde es ihr. Ihre Ritter hatten sie auf jedem Schritt ihres Weges begleitet und sie vor Gefahren geschützt, wie es ihre Pflicht war. Aber dieses Turnier?

Das war etwas anderes. Hier ging es nicht um lebensgefährliche Kämpfe oder geheime Missionen. Hier ging es um Geschicklichkeit, Ehre und Ansehen. Wenn sie ihre Ritter mitnahm, könnte es so aussehen, als würde sie sich zu sehr auf den Schutz ihrer Familie verlassen.
Schlimmer noch, es könnte den Eindruck erwecken, dass sie nicht in der Lage war, sich selbst zu behaupten.

Dieser Gedanke verletzte ihren Stolz. Valeria hatte zu hart gearbeitet und zu lange trainiert, um nur als die Erbin eines Adelshauses angesehen zu werden, die sich im Kampf nicht behaupten konnte. Sie musste sich beweisen, nicht nur ihrer Familie, sondern der ganzen Welt. Und dieses Turnier könnte die perfekte Gelegenheit dafür sein.
„Ich werde das alleine regeln“, entschied sie und verlangsamte ihre Schritte, während sich dieser Gedanke in ihrem Kopf festigte. „Der Marquis wird Unterkünfte für die Kämpfer bereitstellen, und ich werde mich auch ohne meine Ritter, die mich ständig beschützen, behaupten können.“

Je mehr sie darüber nachdachte, desto sinnvoller erschien ihr diese Idee. Ihre Ritter waren natürlich wertvoll, und es würde immer Zeiten geben, in denen sie ihren Schutz brauchte. Aber nicht hier.
Nicht bei diesem Turnier. Dies war ihre Chance zu glänzen und zu beweisen, dass sie sich nicht auf den Namen ihrer Familie oder deren Ressourcen verlassen musste, um erfolgreich zu sein.

Sie konnte sich schon vorstellen, wie ihr Vater schauen würde, wenn sie siegreich und unabhängig nach Hause zurückkehrte, nachdem sie sich einer Herausforderung gestellt hatte. Dieser Gedanke trieb sie voran, und ihre Schritte gewannen wieder an Zielstrebigkeit.
„Ich werde die Ritter hier lassen“, beschloss Valeria. „Andelheim ist eine Herausforderung, der ich mich allein stellen werde.“

Doch während sie weiterlief, gingen ihr andere Gedanken durch den Kopf.

Die Vorstellung, allein nach Andelheim zu gehen, reizte sie sehr, aber die Frage, wie sie das anstellen sollte, lastete schwer auf ihr.
Wie konnte sie ihre Ritter davon überzeugen, sie ohne sie gehen zu lassen? Und noch wichtiger: Wie konnte sie sich den ausdrücklichen Befehlen ihrer Familie widersetzen, die ihnen vorschrieben, an ihrer Seite zu bleiben?

Sie kannte die Ritter gut – jeder von ihnen war standhaft, loyal bis zum Äußersten und ihrer Pflicht, sie zu beschützen, zutiefst verpflichtet. Sie waren von ihrem Vater genau aus diesem Grund ausgewählt worden. Sie waren nicht nur Soldaten, sie waren die Wächter des Olarion-Erbes.
Und obwohl sie ihre Autorität als Thronfolgerin respektierten, wusste Valeria, dass sie in Bezug auf ihre Sicherheit letztendlich den Befehlen ihres Vaters verpflichtet waren. Wenn sie ihnen einfach sagen würde, dass sie allein am Turnier teilnehmen wolle, würden sie nicht auf sie hören.

Sie würden ihr nicht ungehorsam sein, aber sie würden auch nicht von ihrer Seite weichen. Sie würden darauf bestehen, ihr zu folgen, weil sie es als ihre Pflicht ansähen, sie zu beschützen – auch wenn es nicht nötig war.
„Welche Ausrede könnte ich ihnen nur geben?“, fragte sie sich und verlangsamte ihren Schritt, während das Dilemma auf ihr lastete.

Sie konnte sie nicht anlügen, nicht direkt. Sie würden jede schwache Ausrede durchschauen, vor allem, wenn es um ihre Sicherheit ging.

Und selbst wenn sie darauf bestehen würde, dass sie das Turnier alleine bestreiten wolle, würden sie argumentieren, dass der Wettkampf genauso gefährlich sein könnte wie jede Schlacht. Nein, sie würden sie nicht freiwillig allein lassen.
„Vielleicht, wenn ich es als politischen Schachzug darstelle“, überlegte sie, aber selbst das kam ihr fad vor. Welche politische Maßnahme könnte es rechtfertigen, ihre Beschützer zurückzulassen?

Sie steckte fest, gefangen zwischen ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit und der strengen Pflicht, die ihre Ritter an sie band.

Valeria ballte die Fäuste, während die Frustration an ihr nagte. Es ging nicht mehr nur darum, sich zu beweisen.
Es ging um mehr als nur ein Turnier – es ging um ihre Fähigkeit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen.

Sie wollte nicht die behütete Erbin sein, die nur mit einer Schar von Rittern im Rücken Erfolg haben konnte. Sie wollte ihre Stärke zeigen, ihren eigenen Weg gehen, ohne ständig daran erinnert zu werden, dass der Name ihrer Familie sie beschützte.
Valerias Füße schlugen rhythmisch auf den Boden, während ihr Kopf immer wieder dieselben Fragen durchging. Es schien keine Lösung in Sicht zu sein, und je mehr sie darüber nachdachte, desto frustrierter wurde sie. Sie hatte ihren Lauf beendet, aber die Anspannung in ihrer Brust blieb und wurde mit jeder Sekunde stärker.
Ihr Training, das normalerweise ihren Kopf frei machte, hatte heute kaum geholfen. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, als sie sich der Herberge näherte, und verlangsamte ihre Schritte. Sie war der Lösung für das Problem mit ihren Rittern kein Stück näher gekommen, und dieses Gefühl der Hilflosigkeit nagte an ihr.

„Vielleicht fällt mir nach einem Bad etwas ein“, dachte sie und atmete tief aus, als sie sich dem Eingang der Herberge näherte.
Gerade als sie eintreten wollte, nahm ihr scharfer Sinn Stimmen im Inneren wahr, leise, aber deutlich. Eine der Stimmen erregte sofort ihre Aufmerksamkeit und ließ sie innehalten.

Diese ärgerliche Stimme.

Lucavion.

Valeria zögerte einen Moment, ihre Hand schwebte über der Türklinke, während sie sich anstrengte, das Gespräch zu hören. Seine Stimme hatte denselben lässigen, lockeren Tonfall, der sie unendlich irritierte.
„Ich gehe wirklich“, sagte Lucavion mit leichter Stimme.

„Du gehst schon so früh?“ Die Stimme der Wirtin, warm und mütterlich, drang als Nächstes an ihre Ohren. „Aber du bist doch erst kurz hier! Bist du dir sicher?“

Valeria drückte sich gegen die Wand direkt vor der Herberge und lauschte angestrengt.
Lucavions Antwort war sanft, fast amüsiert. „Ja, ich habe lange genug auf Kosten anderer gelebt, findest du nicht? Ich bin aus einem bestimmten Grund hierhergekommen, und dieser Grund ist erledigt. Ich kann nicht für immer hierbleiben.“

„Aber du bist hier immer willkommen, das weißt du doch“, beharrte die Wirtin. „Du hast dieser Stadt sehr geholfen und bist für uns wie ein Familienmitglied.“
„Ahaha … Familie … Das ist kein Wort, das man leichtfertig verwenden sollte.“ Lucavion lachte leise, und Valeria konnte sein ärgerliches Lächeln förmlich vor ihrem inneren Auge sehen. „Nun ja … Das ist nett von dir, aber ich möchte mich nicht länger aufhalten. Außerdem gibt es hier nichts mehr für mich zu tun. Ich ziehe weiter.“

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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