Es gab kein Zögern, keine unnötigen Bewegungen. Ein Schatten sprang auf ihn zu, die Klinge zum tödlichen Schlag erhoben – doch einen Moment später rollte der Kopf über den Boden. Der Enforcer wurde nicht einmal langsamer. Ein weiterer Angreifer kam von hinten, leise wie der Tod, den Dolch auf seine Wirbelsäule gerichtet – doch er wurde in der Luft abgefangen, eine behandschuhte Hand zerdrückte die Kehle des Attentäters, bevor er wie ein Stück Fleisch beiseite geworfen wurde.
Ein dritter Angreifer hatte kaum Zeit zu blinzeln, bevor ein Stiefel ihm mit knochenbrechender Wucht in die Brust rammte und ihn gegen eine zerbrochene Säule schleuderte.
Die Klinge des Vollstreckers war keine gewöhnliche Waffe. Sie schnitt nicht nur, sie spaltete, sie vernichtete, sie verschlang den Raum um sich herum. Seine Schläge waren präzise, effizient, perfekt platziert – nicht nur, um zu töten, sondern um zu zerlegen.
Die Arbeit eines Metzgers.
Veylan hatte in seinem Leben schon viele Killer gesehen. Attentäter. Henker. Soldaten. Aber das hier – das war etwas anderes.
Der Vollstrecker war kein Mensch.
Er war die Verkörperung der Hinrichtung.
Malakar kämpfte an seiner Seite, sein Großschwert eine brutale, unerbittliche Kraft. Er hackte sich durch die Eindringlinge, seine Rüstung triefte vom Blut der Gefallenen. Zu seiner Rechten bellte Vasrik Befehle, sammelte die verbliebenen Offiziere und bildete, wo es möglich war, Verteidigungslinien.
Für einen Moment sah es so aus, als könnten sie standhalten.
Doch dann sah Veylan es.
Etwas stimmte nicht.
Die Eindringlinge kämpften präzise und mit Sachkenntnis. Sie griffen nicht blindlings an. Sie wussten genau, wen sie angreifen und wen sie meiden mussten. Sie waren nicht hier, um eine Schlacht zu gewinnen.
Sie waren hier, um etwas anderes zu erreichen.
Und dann – inmitten des Chaos – bemerkte er eine Gestalt.
Einer von ihnen.
Ein hochrangiger Offizier.
Sie kämpften nicht.
Sie rannten nicht weg.
Sie beobachteten.
Bewusst. Kalkuliert.
Ihr Blick huschte nicht zwischen den chaotischen Kampfhandlungen hin und her. Ihre Schwerter blieben in den Scheiden. Sie standen inmitten der Leichen, unberührt, unbeeindruckt.
Veylan kniff die Augen zusammen, während er sich näherte, beobachtete und studierte, und dabei mit seiner Klinge einen weiteren Feind niedermähte.
Dann huschte der Blick des Offiziers.
Nicht zu ihm.
Sondern zum Enforcer.
Es war keine Angst. Kein Schock.
Erkennung.
Veylans Atem verlangsamte sich. Er spürte, wie sich die Teile zusammenfügten.
Es waren sie.
Der wahre Eindringling.
Derjenige, der gewartet hatte. Derjenige, der dies aus dem Schatten heraus gelenkt hatte, der alle Fäden gezogen hatte, der zugesehen hatte, wie sich der Orden selbst zerfleischte.
Die Gestalt trat vor.
Langsam. Bedächtig.
Und dann –
Sie sprach.
Eine Stimme, die ihnen gehörte und doch nicht.
„Ihr hättet nicht hierherkommen sollen.“
Die Stimme klang falsch. Verzerrt, vielschichtig. Eine Verzerrung, die nicht zur menschlichen Sprache gehörte. Sie schlitterte durch die Luft, ein spöttischer Nachhall, der jedem, der ihn hörte, einen Schauer über den Rücken jagte.
„Der Orden gehörte bereits uns.“
Dann –
wurde die Wahrheit offenbart.
Der Körper des hochrangigen Offiziers zuckte heftig, seine Gliedmaßen verkrümmten sich in unnatürlichen Winkeln, während sein Atem stockte. Ein groteskes Geräusch – ein feuchtes, widerliches Knacken – hallte durch den Kriegsraum, als seine Rippen unter seiner Haut nach außen drückten, sich zu grotesken Formen verdrehten und sich dann wieder zurückzogen. Seine Finger krallten sich in seine Brust, sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Qual und etwas anderem. Etwas stimmte nicht.
Seine Haut wellte sich und bewegte sich, als ob etwas darunter lebte. Pulsierende Adern färbten sich unnatürlich schwarz und bewegten sich wie Ranken unter seiner Haut, die sich windeten und suchten. Sein Mund öffnete sich, aber es war kein Schrei, der herauskam – es war ein gebrochenes, jenseitiges Flüstern, ein Geräusch wie ein Chor von Stimmen, die unisono sprachen und in einem Körper gefangen waren, der nicht mehr zu ihm gehörte.
Veylans Atem wurde kalt.
Das war keine Kontrolle. Das war eine Besessenheit.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Dolchstoß. Besessenheit konnte bekämpft, kontrolliert und durch göttliche Magie oder reine Willenskraft ausgetrieben werden. Dies hier war etwas ganz anderes. Dies war keine äußere Kraft, die einen Geist ihrem Willen unterwarf. Dies war ein Parasit, eine Verderbnis, die wer weiß wie lange in ihrem Wirt geschlummert und gewachsen war und nun Fleisch und Geist gleichermaßen verdrehte.
Es ging nie darum, Geister zu brechen.
Es ging darum, sie zu ersetzen.
Die Offiziere, die dem Verräter am nächsten standen, wichen entsetzt zurück und taumelten rückwärts, als die Gestalt erneut zu zucken begann und sich weiter verzerrte. Schatten pulsierten unter ihrer Haut, breiteten sich wie Risse in Glas aus und zerbrachen mit einem Geräusch, das man eher spürte als hörte.
Ein groteskes Grinsen zeichnete sich auf dem Gesicht des Offiziers ab, die Haut um seinen Mund dehnte sich weit über das hinaus, was möglich sein sollte. Das Ding in ihnen versuchte, durch Fleisch zu sprechen, das niemals dazu bestimmt war, Worte zu formen.
Und dann richtete es seinen Blick auf den Vollstrecker.
Nicht aus Angst.
Aus Anerkennung.
„Du hättest nicht hierher kommen sollen.“ Die Worte gurgelten aus einer Kehle, die nicht mehr richtig funktionierte, die Silben dehnten sich und brachen ab. „Du bist … ein Störfaktor.“
Die Luft wurde dick.
Veylan bemerkte kaum, dass seine eigene Hand zu seiner Waffe gegriffen hatte und sie fester umklammerte als je zuvor.
Der Enforcer zögerte nicht.
Seine Schritte waren langsam und bedächtig. Seine Bewegungen waren nicht die eines Mannes, der sich auf einen Kampf vorbereitet, sondern die von jemandem, der etwas Unvermeidlichem entgegengeht, etwas, das von dem Monstrum vor ihm unbeeindruckt bleibt.
Seine Klinge summte, die Luft um sie herum verzerrte sich mit einer Kraft, die das menschliche Verständnis überstieg.
Dann sprach er.
Ein einziges Wort.
Ein verbotener Befehl.
Und die Welt reagierte.
Der Stein unter ihnen bebte. Die Luft wurde schwerer, erstickend, aufgeladen mit etwas Urtümlichem und Unbestreitbarem. Eine lautlose Welle durchlief den Raum, drückte auf die Knochen aller Anwesenden und vibrierte durch ihr Innerstes.
Das Ding im Inneren des Offiziers schrie.
Es war kein Schmerzensschrei. Es war keine Wut.
Es war Angst.
Schwarze Tentakel explodierten aus dem Körper des Verräters, wand sich wild und schlugen gegen die unsichtbare Kraft, die entfesselt worden war. Ihr Fleisch barst auf, Adern platzten, während das, was sich in ihnen eingenistet hatte, verzweifelt Widerstand leistete. Die Verderbnis war tief verwurzelt gewesen – aber der Vollstrecker war noch tiefer vorgedrungen.
Die anderen – diejenigen, die sich so gut versteckt hatten, die den Orden infiltriert und sich in sein Fundament eingegraben hatten – begannen zu fallen.
Einer nach dem anderen brachen sie zusammen, wo sie standen, und ihre Körper zuckten heftig.
Veylans Blick huschte zu den gefallenen Offizieren, denen niemand etwas geahnt hatte, die jede Prüfung, jede Sicherheitsmaßnahme, jede mentale Untersuchung bestanden hatten. Ihre Gesichter verzogen sich vor Entsetzen, als sie begriffen, was mit ihnen geschah.
Sie waren die ganze Zeit Marionetten gewesen.
Und jetzt waren ihre Fäden durchtrennt.
Eine Frau am Rand der Kammer schnappte nach Luft und krallte sich an den Bauch, während sich dunkle Adern über ihre Hände ausbreiteten. Ein Captain, einer der dienstältesten Offiziere, taumelte zurück, sein Mund formte lautlose Worte des Entsetzens, während sich sein eigener Körper gegen ihn wandte. Ein anderer fiel auf die Knie und zitterte heftig, seine Augen flackerten zwischen menschlichem Bewusstsein und etwas anderem, etwas Fremdem, etwas Unheimlichem.
Der ganze Kriegsraum wurde zu einem Schlachtfeld aus zusammenbrechenden Körpern, erstickten Schreien und zitternden Bewegungen.
Der Vollstrecker blieb regungslos stehen.
Er war nicht gekommen, um zu säubern.
Er war gekommen, um zu zerstören.
Die Gestalt in der Mitte des Geschehens, der ursprüngliche Eindringling, rang nach Luft, krallte sich mit zerfetzten Lungen am Boden fest, während sein Körper sich weiter gegen sich selbst auflehnte.
„Du …“, gurgelte die Stimme, voller Qual und etwas Unnatürlichem. „Du verstehst das nicht.“
Der Vollstrecker machte einen weiteren Schritt vorwärts.
Seine Klinge leuchtete nicht. Sie brannte nicht.
Sie war einfach nur da.
Eine Kraft, die es in dieser Welt nicht geben sollte, eine Waffe, die das Urteil selbst verkörperte.
„Nein.“ Die Stimme des Vollstreckers war leise. Endgültig.
Die Klinge kam runter.
Und das Ding im Offizier schrie.
Nicht vor Schmerz.
Sondern vor Angst.
In dem Moment, als der Schlag landete, kam eine Welle von Kraft aus dem Aufprallpunkt. Es war kein Feuer. Es war kein Licht.
Es war Auslöschung.
Die Dunkelheit, die in dem Eindringling lauerte, wurde aus ihm herausgerissen, in seinem Innersten zerfetzt und in Nichts zerstreut, bevor sie entkommen konnte.
Und dann war es still.
Der Körper sackte zusammen. Keine Krämpfe, keine letzten Zuckungen sterbender Verderbnis. Was auch immer in ihnen gewesen war, war einfach … verschwunden.
Veylans Atem ging langsam und kontrolliert, aber sein Geist war alles andere als ruhig.
Der Vollstrecker hatte keine Magie eingesetzt. Er hatte keine göttliche Kraft eingesetzt.
Das war etwas anderes.
Etwas viel Absoluteres.
Als sich der Staub legte, stand die Kriegskammer in unheimlicher Stille da. Die verbliebenen Offiziere, die der Verderbnis nicht erlegen waren, standen wie erstarrt da. Einige hatten ihre Hände auf ihren Waffen. Andere waren auf die Knie gefallen, ihre Gesichter blass vor etwas, das weit über Schock hinausging.
Angst.
Die letzten Eindringlinge lagen tot da. Die Parasiten waren aus ihrem Fleisch entfernt worden.
Und der Strahlende Orden lag in Trümmern. Entdecke mehr Inhalte in My Virtual Library Empire
Veylan drehte sich langsam um und ließ seinen Blick über die Verwüstung schweifen.
Leichen bedeckten den Boden der Kammer. Blut und Asche vermischten sich zu grotesken Mustern, wo der Kampf Fleisch und Geist gleichermaßen zerfetzt hatte. Die Banner des Ordens, einst Symbole der Einheit, hingen zerfetzt und verbrannt, Überreste dessen, wofür sie einst standen.
Die Festung – nein, der Orden selbst – war zerstört.
Und dann wandte sich der Vollstrecker endlich ihm zu.
Seine Augen, kälter als der Tod, fixierten Veylan. In ihnen lag kein Triumph. Keine Befriedigung.
Nur Endgültigkeit.
Dann sprach er.
„Dein Krieg ist vorbei.“
Die Worte hallten durch die leere Halle, eine Erklärung, die das Gewicht des imperialen Throns selbst in sich trug.
Veylan spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Er hatte vieles erwartet. Eine Zurechtweisung. Eine Forderung nach Antworten. Sogar den Befehl zum Wiederaufbau.
Aber nicht das.
Der Vollstrecker trat einen Schritt vor, seine Stimme klang wie eine Klinge, die die letzten Überreste dessen durchschnitten, was Veylan einst befehligt hatte.
„Der Strahlende Orden ist nicht mehr würdig, zu existieren.“
Veylan erstarrte. Er hatte vieles erwartet, aber nicht das.
Das Urteil des Vollstreckers war endgültig. „Die Überreste dieser Truppe werden in die kaiserliche Armee eingegliedert. Diejenigen, die sich widersetzen, werden als Verräter behandelt.“
Veylan hatte die Wahl.
Kämpfen, obwohl er wusste, dass seine Männer nicht mehr die Kraft hatten, zu gewinnen.
Oder sich hinknien.
Zum ersten Mal seit Jahren hatte er keine Kontrolle mehr.
Also tat er das Einzige, was ihm noch blieb.
Er senkte den Kopf.
Er kniete nieder.
Der Strahlende Orden war gefallen.
Aber Veylan war noch nicht fertig.
Noch nicht.
Das Spiel hatte gerade erst begonnen.