Virgil schaute zu der Höllenbestie, die Athena gefolgt war und ihr treu zur Seite stand. Er schüttelte leicht den Kopf, mit einem Hauch von Bedauern in den Augen. „Schade“, sagte er, „aber du kannst deine Armee von Höllenbestien nicht mitnehmen.“
Athena runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. „Warum nicht?“
Virgil seufzte und sein Tonfall wurde ernster. „Jeder Teil der Hölle ist ein zusammenhängendes Ganzes, aber dennoch ein eigenständiger Ort. Selbst wenn ein Teil zerstört wird, hat das keine Auswirkungen auf die anderen Teile. Diese Höllenbestien sind notwendig, um das Ökosystem dieser Hölle zu erhalten. Ohne sie würde dieser Teil der Hölle in ein Chaos stürzen, das weit über seinen normalen Zustand hinausgeht. Das Gleichgewicht muss gewahrt bleiben.“
Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, bevor er fortfuhr: „Ich zeige dir einen Weg, wie du in die dritte Schicht der Hölle springen kannst, wo die Mutter der Hölle gefangen ist. Aber das bedeutet, dass du deine Armee zurücklassen musst.“
Athena ballte die Fäuste, der Gedanke, die Höllenbestien im Stich zu lassen, die an ihrer Seite gekämpft hatten, quälte sie. Doch sie sah die Ernsthaftigkeit in Virgils Blick. Die bevorstehende Aufgabe war viel zu wichtig, als dass sie das empfindliche Gleichgewicht dieser Ebene gefährden durfte.
Nach langem Überlegen nickte Athena schließlich. „Na gut. Aber ich nehme mein Höllenbaby mit.“
In diesem Moment schmiegte sich das Höllenbaby liebevoll an seine Mutter, nachdem es sie nach so langer Zeit wiedergefunden hatte. Aber als Athena scharf pfiff, hob das Wesen den Kopf und eilte sofort zu ihr, seine Loyalität unerschütterlich.
Athena sah auf das Höllenbaby hinunter, ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, dann wandte sie ihren entschlossenen Blick wieder Virgil zu. „Lass uns gehen.“
Virgil nickte zustimmend, ein Hauch von einem Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihr bedeutete, ihm zu folgen.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg ins Unbekannte und ließen die Überreste ihres Kampfes und die Höllenbestien hinter sich, während sie sich in die tieferen, dunkleren Schichten der Hölle wagten.
Sie winkte den Höllenbestien zu, sowohl denen, die ihr bis hierher gefolgt waren, als auch denen, die nun befreit waren, und schickte sie zurück in die oberste Schicht.
Dann stieg sie auf ihr Höllenbiestbaby. Sie tätschelte seinen Kopf und sagte: „Es wird Zeit, dass ich dir einen Namen gebe. Hmmm, wie wäre es mit A47? Ja, das klingt gut. Von jetzt an heißt du A47. Du solltest stolz sein, du bist nach dem stärksten Gladiator benannt, den ich aus meiner Jugend kenne.“
Die Höllenbestie gab anerkennende Laute von sich, als sie den Namen hörte, der ihr gegeben worden war. Virgil, der daneben stand, fragte sich, was das für ein schrecklicher Name sein sollte.
Er wusste nicht, dass es für Athena ein ganz normaler Name war. Schließlich hatte sie ihr ganzes Leben lang so gelebt.
Virgil führte Athena durch die verdrehte, albtraumhafte Landschaft der Hölle, wobei jeder Schritt sie tiefer in einen Abgrund führte, in dem die Realität selbst sich zu verzerren und zu winden schien.
Die Luft wurde immer stickiger vom Gestank nach Schwefel und Verwesung, und der Boden unter ihnen bewegte sich, als wäre er lebendig, und pulsierte in einem unheimlichen, unnatürlichen Rhythmus.
Die Dunkelheit um sie herum war nicht nur Abwesenheit von Licht, sondern eine greifbare, bedrückende Kraft, die sie einzuschließen schien und ihnen den Atem raubte.
Zum Glück war Athena ein neu geborenes Wesen, und Virgil konnte weder als Mensch noch als Seele bezeichnet werden. Ein Zustand, der sogar Athena ständig verwirrte. Schließlich hatte sie andere Seelen gesehen, die nicht wie Virgil über ihre geistige Gesundheit und menschliche Züge verfügten, insbesondere im Gesicht.
Viele Tage vergingen.
Das hatte sie in die Lage gebracht, in der sie sich jetzt befand: Sie versteckte sich in einem Felsen, während die daran haftenden Seelen sie um ihre Befreiung anflehten. Sie erinnerte sich daran, wie sie in dieses verlassene Land gefallen war und wie diese Tage für sie die Hölle gewesen waren.
Gleichzeitig war ihr Blick auf die Schnur gerichtet, den Köder, den sie für einen kleinen Höllenvogel ausgelegt hatte, den sie heute zu Abend essen wollte.
Am Ende des Köders befand sich eine Seele, die sie mit etwas von ihrem Blut besprengt hatte. In den letzten Tagen hatte sie von Virgil die Wahrheit über das Vorher erfahren und wie es sich auf das Nachher auswirkte. So hatte sie auch gelernt, wie sie dorthin gelangen und Seelen berühren konnte.
Der Höllenvogel sah die Seele und wurde von ihrem verlockenden Duft angezogen. In dem Moment, als er sich auf die Seele stürzte, stürzte Athena sich auf ihn, spaltete seinen Kopf und verspeiste sein Fleisch.
Danach machten sie weiter.
Während sie sich bewegten, bedeutete Virgil Athena, sich geduckt zu halten, und flüsterte ihr warnend zu: „Bleib versteckt“, drängte er. „Hier gibt es Wesen, die viel schlimmer sind als die Höllenbestien, Wesen, die diesen Ort ihr Zuhause nennen. Wenn du ihre Ebene betrittst, wirst du dir die Flammen der Hölle zurückwünschen.“ Es war nicht das erste Mal, dass er diese Warnung aussprach, aber diesmal hatte er Beweise dafür.
Athena spähte durch die Dunkelheit und sah sie – riesige, schemenhafte Gestalten, die am Rand ihres Weges herumschlichen. Ihre Umrisse waren undeutlich und verschwammen wie Rauch, aber sie konnte ihre bösartigen Blicke auf sich spüren, die vor einer Gier brannten, die über bloßes Fleisch hinausging.
Dies waren Raubtiere einer anderen Art, Wesen, die sich nicht von Blut und Knochen ernährten, sondern von der Essenz des Leidens und der Verzweiflung.
An einer Stelle kamen sie zu einer Anhöhe, wo Athena der Atem stockte. Vor ihnen erstreckte sich ein Hügel, dessen Oberfläche von verdammten Seelen übersät war.
Die elenden Gestalten der Verdammten krallten sich aneinander und rissen sich in einem wilden Gerangel gegenseitig in Stücke, verzweifelt bemüht, den Gipfel zu erreichen, wo Blitze mit erschreckender Wucht niedergingen. Die Blitze schlugen mit ohrenbetäubendem Krachen in den Hügel ein und schleuderten die oben Stehenden zurück, nur damit sich der Kreislauf von vorne begann.
„Was ist das für ein Ort?“, flüsterte Athena, ihre Stimme kaum hörbar über den Schreien der Verdammten.
Virgils Gesicht verzog sich zu einem grimmigen Grinsen. „Diese Blitze“, sagte er, „sind die Exkremente eines Wesens, das hier wohnt. So verheerend sie auch sein mögen, sind sie doch eine weitaus mildere Strafe als die glühenden Flammen der Hölle darunter. Die Seelen hier stürzen sich in die Blitze, weil sie das kleinere Übel, das Leiden, vorziehen.“
Athena bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, die Szene vor ihr war eine groteske Parodie auf die Erlösung. Die Seelen, verzweifelt und wahnsinnig vor Schmerz, rissen sich gegenseitig in einem vergeblichen Versuch um Gnade, die niemals kommen würde, ihre Qualen standen ihnen in jedem verzerrten, verdrehten Gesicht geschrieben.
Sie gingen weiter, tiefer in die Eingeweide der Hölle, wo die Luft immer dichter wurde, bedrückt von einem überwältigenden Gefühl der Angst.
Der Weg verengte sich zu einem Korridor aus zerklüfteten Steinen, dessen Wände mit einer schwarzen, öligen Substanz bedeckt waren, die zu pulsieren schien, als hätte sie ein Eigenleben. Das Licht hier war schwach, ein kränkliches grünliches Leuchten, das von keiner sichtbaren Quelle ausging und lange, flackernde Schatten warf.
Plötzlich erregte ein Tumult vor ihr Athenas Aufmerksamkeit. Als sie um die Ecke spähte, sah sie einen Kampf von monströsen Ausmaßen. Zwei riesige Wesen, eines grotesker als das andere, kämpften mit wilder Wut um eine Gruppe sich windender Seelen.
Das eine war eine groteske Abscheulichkeit, dessen Körper eine verdrehte Masse aus Fleisch mit neun Köpfen war, von denen jeder einer anderen Hunderasse ähnelte und die mit wilder Intensität knurrten und schnappten. Das andere war eine ebenso albtraumhafte Kreatur, eine riesige Gestalt aus rohen Muskeln und Sehnen, deren Gesichtszüge sich in einer chaotischen, anarchischen Darstellung ständig veränderten.
Die Seelen, die zwischen ihnen gefangen waren, wurden immer wieder auseinandergerissen, ihre Körper zerfielen bei jedem Biss oder Hieb in Stücke, nur um sich Augenblicke später wieder zusammenzufügen, ihre Qualen waren endlos. Die Wesen kämpften gnadenlos, ihr Gebrüll hallte durch den Korridor und erschütterte mit seiner Wildheit die Wände.
Athena duckte sich zurück in den Schatten, ihr Herz pochte in ihrer Brust. „Wer sind sie?“, fragte sie mit kaum fester Stimme.
Virgil sah sie nicht an, sein Blick war auf das Grauen vor ihnen geheftet. „Das sind die Seelen von Anführern, die ohne Grund Völkermord begangen und in blutigen Kriegen Unschuldige abgeschlachtet haben. Die Wesen, die du siehst, sind Anarchie und Abscheu, groteske Spiegelbilder des Chaos und der Zerstörung, die diese Anführer zu Lebzeiten angerichtet haben. Hier leiden sie die Schmerzen, die sie verursacht haben, für jeden Tod sechshundertsechsundsechzigfach.“
Athenas Augen weiteten sich, als sie etwas bemerkte, das sie zuvor nicht gesehen hatte – Zahlen, die in das Fleisch der Seelen eingraviert waren und im schwachen Licht schwach leuchteten. „Die Zahlen“, flüsterte sie mit vor Entsetzen belegter Stimme. „Sie zeigen an, wie oft sie noch zerreißen werden, nicht wahr?“
Virgil nickte, sein Gesichtsausdruck unlesbar. „Ja. Und sie werden weiter leiden, bis jede einzelne Zahl verbrannt ist.“
Die Luft war schwer von dem Geruch nach Blut und verbranntem Fleisch, und die Geräusche von Qualen und Kämpfen hallten durch den Korridor. Dieser Ort war die Hölle in ihrer reinsten Form, ein Reich endloser Qualen, in dem Leiden nicht nur zugefügt wurde – es war die Essenz der Existenz.
Die Dunkelheit um sie herum schien vor bösartiger Energie zu pulsieren, als wäre die Hölle selbst lebendig und würde sich von der Verzweiflung derer nähren, die in ihren Tiefen gefangen waren.
Athenas Entschlossenheit wuchs. Dies war kein Ort, an dem man verweilen oder zögern durfte. Was auch immer sie in den tieferen Schichten der Hölle erwartete, sie wusste, dass sie sich dem ohne zu zögern oder Angst zu zeigen stellen musste. Sie nickte Virgil zu, ihre Kiefer war entschlossen. „Lass uns weitergehen.“
Virgil erwiderte ihren Blick, in seinen Augen blitzte Respekt auf, bevor er sich umdrehte und weiter in den Abgrund ging. „Keine Sorge, wir sind fast da, gleich hinter dem Hügel liegt das Ziel unserer Mission.“
(Anmerkung des Autors: Jemand hatte gesagt, dass die Hölle sich nicht wirklich wie die Hölle anfühlt, und dann ist mir aufgefallen, dass ich kaum etwas über diesen Ort geschrieben hatte, also habe ich beschlossen, ein wenig auf seinen Schrecken einzugehen. Ich hoffe, ich habe euch Albträume beschert und dass es euch gefallen hat. Ich habe noch viel krassere Ideen, aber ich möchte mich beeilen und zu Lennys Geschichte zurückkehren. Andererseits ist dieser Teil sehr wichtig.)