~Sanguis Foetus~
Beide sprachen den Blutpakt.
Lenny und Nana hielten inne, ihre Blicke trafen sich in einem stillen, aber intensiven Austausch.
Lenny hatte absichtlich seine Kraft reduziert, um sich ihr anzupassen – ein mutiger Schachzug, der die Menge in Aufregung versetzte. Nana, eine Jägerin, die noch nie ihre Beute verloren hatte, war in ihrem Element, und der Wald war ihr Revier.
Selbst wenn Lenny eine solche Person herausfordern wollte, wäre es dumm gewesen, dies im Wald zu tun.
Die Zuschauer murmelten untereinander, ihre Stimmen waren eine Mischung aus Ehrfurcht und Vorfreude. Nanas Ruf als unbesiegbare Jägerin war in ihren Köpfen allgegenwärtig. Viele glaubten, dass Lenny mit seiner Entscheidung, diesen Kampf anzunehmen, sein Schicksal besiegelt hatte.
Ohne Vorwarnung stürzte sich Nana in den Wald, ihre geschmeidige Gestalt verschwand mit katzenhaften Bewegungen im dichten Laubwerk.
Sie war nur noch ein verschwommener Fleck, ihre Vertrautheit mit dem Waldgelände zeigte sich darin, wie nahtlos sie sich in die Umgebung einfügte.
Lenny verfolgte sie jedoch nicht sofort. Er beobachtete ihre sich entfernende Gestalt mit ruhigem, berechnendem Blick. Erst als sie vollständig vom Wald verschluckt war, setzte er sich in Bewegung und schritt zielstrebig auf die Bäume zu. Seine Schritte waren bedächtig, fast gemächlich, ein krasser Gegensatz zu Nanas Eile.
Die Menge murmelte weiter, ihre Neugier war geweckt. Sie schauten gespannt zu, gespannt darauf, wie sich die Konfrontation in den Tiefen des Waldes entwickeln würde. Nanas Selbstvertrauen und Können waren bekannt, aber Lennys ruhiges Auftreten ließ vermuten, dass er klüger war, als man ihm zutraute.
War es nicht allgemein bekannt, dass ein Jäger Fallen stellte? Und hier stand Lenny und ließ ihr die Gelegenheit.
Bei jedem anderen hätte es eine Weile gedauert, bis er mit dem Aufstellen der Fallen fertig gewesen wäre.
Aber dies war die Anwenderin des Jagd-Systems.
In ihren Augen war jedes Blatt, jede Baumrinde und jede Kurve einer hervorstehenden Wurzel eine Waffe, die sie zu ihrem Vorteil einsetzen konnte.
In ihrem System waren bereits Fallen aufgestellt, die sie auch an anderen Stellen anbringen konnte.
Dies war ihr Revier, und Lenny hatte sein Schicksal besiegelt.
Als Lenny den Wald betrat, warf das Blätterdach über ihm fleckige Schatten auf seinen Weg. Die Geräusche der fließenden Lava auf der anderen Seite verstummten und wurden von der natürlichen Symphonie des Waldes ersetzt: raschelnde Blätter, entfernte Vogelstimmen und das leise Summen der Insekten. Der Wald schien sich um ihn herum zu schließen und eine Welt zu schaffen, die von der, die er gerade verlassen hatte, völlig getrennt war.
Er bewegte sich mit fast raubtierhafter Anmut, jeder Schritt war bedächtig und lautlos. Seine Sinne waren geschärft, auf jedes Detail um ihn herum eingestellt. Der Geruch von Erde und Laub lag in der Luft und vermischte sich mit der schwachen, noch nachklingenden Spur von Nanas Anwesenheit. Lenny wusste, dass sie ihn beobachtete und auf den perfekten Moment zum Zuschlagen wartete.
In der Menge beobachteten Naamah und Lamastu das Geschehen mit großem Interesse.
Die Spannung war greifbar, der Einsatz hoch. Wie alle anderen fragten sie sich, wie Lenny gegen eine Jägerin von Nanas Kaliber in ihrem eigenen Revier abschneiden würde.
Lennys Augen suchten die Umgebung ab, sein Verstand arbeitete methodisch. Er hatte schon viele Gegner gehabt, aber das hier war anders. Dies war eine Prüfung seiner Fähigkeiten, seiner Strategie und seines Überlebenswillens. Er genoss die Herausforderung, seine Aufregung wurde durch seine tiefe, unerschütterliche Konzentration gedämpft.
Je tiefer er in den Wald vordrang, desto dichter wurden die Schatten, und nun befand er sich in Nanas Revier, einem Ort, an dem sie im Vorteil war. Doch Lennys Selbstvertrauen schwankte nicht. Er wusste, dass der Jäger zum Gejagten werden konnte, oder besser gesagt, ermordet werden konnte.
Lenny bewegte sich mit vorsichtiger Zuversicht durch den Wald und wählte jeden Schritt mit Bedacht. Aber Nana war eine erfahrene Jägerin, und der Wald war ihr Revier. Als Lenny auf etwas trat, das wie ein gewöhnlicher Grashalm aussah, spürte er eine subtile Veränderung unter seinem Fuß – eine geschickt getarnte Falle.
Sofort schossen scharfe Klingen aus dem Boden und versuchten, Fleisch und Knochen zu durchschneiden. Der Mechanismus war genial einfach und doch tödlich. Druckplatten, die durch dünne, fast unsichtbare Drähte verbunden waren, aktivierten eine Reihe von federbelasteten Klingen, die direkt unter der Oberfläche versteckt waren. Nana hatte diese Fallen sorgfältig aufgestellt, da sie wusste, dass jeder, der sie verfolgte, vorsichtig sein musste.
Lenny reagierte blitzschnell. Er sprang in die Luft und drehte seinen Körper, um den Klingen auszuweichen. Er schlug einen Salto, seine Bewegungen waren flüssig und präzise, und er entging den messerscharfen Klingen nur knapp. Er landete auf einem niedrigen Ast, klammerte sich fest daran und überblickte den Boden unter sich. Die Falle sprang mit einem bedrohlichen Klicken wieder in ihre Ausgangsposition zurück, bereit für den Fall, dass er erneut Opfer werden sollte.
„Interessant!“, lobte Lenny mit schmalen Augen, während er vorsichtig landete.
Aber Lennys Atempause war nur von kurzer Dauer. Seine Landung löste eine weitere Falle aus – einen versteckten Stolperdraht. Eine Reihe von Stacheln schoss aus dem Baumstamm und versuchte, ihn aufzuspießen. Lenny schwang sich um den Ast herum und nutzte seinen Schwung, um sich höher in den Baum zu katapultieren. Die Stacheln verfehlten ihn um nur wenige Zentimeter und bohrten sich harmlos in die Rinde.
Als er sich weiter oben festhielt, bemerkte Lenny den Waldboden unter sich. Es war ein Netz aus miteinander verbundenen Fallen, von denen jede eine weitere in einer tödlichen Kettenreaktion auslösen sollte. Nanas Handarbeit war beeindruckend; fast jeder Punkt im Wald war eine potenzielle Todesfalle. Druckplatten, Stolperdrähte und versteckte Mechanismen waren überall und bildeten ein Labyrinth aus tödlichen Überraschungen.
Er musste schnell denken. Mit seinen akrobatischen Fähigkeiten und seiner scharfen Intelligenz begann Lenny, sich durch die Bäume zu bewegen und den Fallen auszuweichen, indem er sich durch das Blätterdach navigierte. Er sprang von Ast zu Ast, seine Bewegungen waren geschmeidig und agil. Seine scharfen Augen suchten nach Anzeichen weiterer Fallen, und sein Verstand arbeitete daran, das Muster zu entschlüsseln, das Nana angelegt hatte.
Plötzlich entdeckte er etwas Metallisches glänzen – einen dünnen Draht, der zwischen zwei Ästen gespannt war. Er griff nach einer nahe gelegenen Liane, schwang sich um die Falle herum und landete sanft auf einem anderen Ast. Der Draht spannte sich, und eine Salve von Pfeilen schoss an ihm vorbei, ohne ihn zu verletzen.
Er wich ihnen aus, aber einer streifte ihn leicht, und Lenny runzelte die Stirn. „Gift?“ Aber das war noch nicht alles.
Nana hatte damit gerechnet, dass ihre Beute versuchen würde, ihre Fallen von oben zu umgehen.
Oh, sie hatte recht gehabt. Denn diesmal, als Lenny landete, kam es aus allen Richtungen auf ihn zu. Er wollte sich wieder bewegen, aber dann merkte er, dass das Gift zu wirken begann …