Neos Bewusstsein erwachte.
Seine Augen flogen auf, als ein stechender Schmerz jede Faser seines Körpers durchzuckte.
Sein Atem ging unregelmäßig und flach.
Seine Sicht verschwamm, als er seine Umgebung wahrnahm.
Er lag auf rauem, unebenem Stein. Der Geruch von feuchter Erde und etwas leicht Metallischem stieg ihm in die Nase.
Eine Höhle. Eine riesige.
Die zerklüftete und unebene Decke ragte Hunderte von Metern über ihm empor. An ihrer Oberfläche hafteten schwache biolumineszente Pilze.
„Wo bin ich …“
Ein hoher, unmenschlicher Schrei unterbrach seine Gedanken.
Neo konzentrierte sich auf seine Sinne und sah es. Eine Kreatur stürzte mit acht Beinen über den Stein auf ihn zu.
Ihre Chitinpanzer und Sehnen verschmolzen zu einer grotesken Mischung.
Ihr Körper war mit einer dicken, segmentierten Panzerung bedeckt, dunkel und glänzend wie polierter Obsidian.
Acht blutrote Augen leuchteten unheimlich intelligent und fixierten ihn.
Ihre Mandibeln zuckten und klapperten, als würden sie die Luft kosten, und Gift tropfte von den gekrümmten Reißzähnen, die aus ihrem grotesken Maul ragten.
Neo biss die Zähne zusammen und versuchte, sich hochzustemmen.
Seine Arme zitterten, seine Beine knickten ein. Er fiel zurück auf den kalten Stein.
Sein Körper war gebrochen.
Der Kampf gegen Tartarus hatte ihn über seine Grenzen hinausgetrieben.
Er hatte jeden letzten Rest seiner Energie verbrannt, sogar die verdichtete Weltenergie, die als Grundlage seiner physischen Form diente.
Seine Knochen, seine Organe, sein Blut – alles war aus Weltenergie gebildet worden, und jetzt war das meiste davon verschwunden.
Er hatte Glück, dass sein Körper nicht komplett zerbrochen war, aber in seinem aktuellen Zustand konnte er nicht kämpfen.
Das Monster kam näher.
Neo ballte die Fäuste.
Er hätte einfach liegen bleiben können. Die Bestie hätte ihn zerreißen können, sich an ihm satt fressen und dann das, was von ihm übrig war, in Ruhe lassen können. Es wäre einfach gewesen. Danach hätte er wieder auferstehen können. Er war unsterblich.
Aber die kalte, brodelnde Wut in ihm ließ das nicht zu.
Tartarus.
Er hasste diesen Namen. Er hasste sich selbst noch mehr. Seine Schwäche, sein Versagen.
Er hatte sie verloren. Weil er schwach war.
Die überwältigende Wut brodelte in seinem Kopf und schrie danach, freigesetzt zu werden.
Er musste etwas töten.
Schmerz explodierte in seinen Armen, als er sich wieder aufrichtete.
Risse zersprangen auf seiner Haut wie zerbrochenes Porzellan. Der Schmerz explodierte in seinem Kopf, aber er zwang seinen Körper, sich zu bewegen.
Die Spinne stürzte sich auf ihn. Ihre monströsen Gliedmaßen verschwammen in der Luft –
Göttliche Schwertkunst, achte Haltung: Kami no Shinpan.
Die formlose Klinge durchschnitten die chitinhaltige Haut der Bestie mit einem sauberen, gnadenlosen Schnitt.
Blut spritzte in einem Bogen, als der Körper der Kreatur in zwei Hälften zerbrach und leblos zu Boden fiel.
Neo atmete scharf aus.
Der Schmerz war unerträglich, aber er nahm ihn kaum wahr. Seine Wut trieb ihn weiter an.
Genau wie er geahnt hatte, waren noch mehr von ihnen in der Höhle.
Die Brüder des Monsters tauchten aus den Schatten auf.
Einige von ihnen waren größer, fünfmal so groß wie das erste, und stärker.
Ihre gepanzerten Körper leuchteten mit schwachen roten Adern, die unter der Oberfläche pulsierten, als würde geschmolzene Lava durch sie fließen.
Von ihren Kiefern tropfte etwas Dickflüssiges und Ätzendes, das zischend in den Stein darunter fraß.
Ihre Gliedmaßen waren schärfer und länger.
Neo konzentrierte sich nicht auf sie.
In seinem Kopf spielte sich immer wieder die Szene ab.
Ihr Lächeln, ihre ruhigen Augen und ihre letzten Worte.
Worte, die sie sagen wollte, aber nicht konnte.
Jetzt waren sie für immer verloren.
Das nächste Monster stürzte sich auf ihn.
Er wich zur Seite aus und holte mit seinem Schwert in einem brutalen Bogen aus. Sein Schlag stieß auf Widerstand.
Das Exoskelett dieses Monsters war dicker.
Seine Klinge drang ein, aber sie glitt nicht sofort durch.
Mit einem Knurren stemmte er mehr Kraft in den Hieb und trieb sein Schwert durch Muskeln und Knochen.
Die Spinne kreischte, als ihr Körper zusammenbrach.
Aber schon war ein anderes über ihm.
Ein Bein von der Größe eines Speers schlug ihm in die Seite. Knochen brachen. Neo taumelte und schaffte es gerade noch, seinen Körper zu drehen, um einem zweiten Schlag auszuweichen.
Sein Körper schrie vor Schmerz, aber er bewegte sich weiter.
Eines kam von hinten.
Er drehte sich, drehte sein Schwert in einem Rückhandgriff und rammte es nach hinten.
Ein Schrei der Qual ertönte, als er sein Ziel fand und eines der leuchtenden Augen des Monsters durchbohrte.
Ein weiteres sprang von oben herab.
Er rollte sich nach vorne und entging nur knapp dem Tod. Sein Fuß rutschte auf dem glatten Stein aus, aber er konnte sich gerade noch rechtzeitig abstützen, um dem nächsten Angriff zu begegnen.
Sein Schwert tanzte durch die Luft, durchschlug Chitin, trennte Gliedmaßen und schnitt durch Fleisch.
Sein Körper brach weiter auseinander, unfähig, die Belastung zu ertragen. Seine Haut riss wie eine zerbrochene Maske und gab den Blick auf rohes, freiliegendes Fleisch frei.
Jede Bewegung versetzte ihm neue Qualen.
Er brauchte den Schmerz. Er half ihm, seine Gedanken zu ignorieren.
Warum war er es immer, der überlebte? Warum musste er jedes Mal mit ansehen, wie seine Lieben starben?
Neo versuchte nicht, den Fluss der Zeit nachzuahmen.
Zu viel Zeit war vergangen, und die Zeitelementare würden ihn nicht zurücklassen.
Sie mochten ihn nicht, seit er Daniel, ihren Geliebten, in die Irre geführt hatte, und jetzt hatte er ein noch viel schlimmeres Verbrechen begangen.
Er hatte eine künstliche Zeitlinie erzwungen. Nicht nur einmal, sondern zweimal.
Ein brennender Schmerz schoss durch seinen Kopf.
Er riss das Bein des Monsters aus seiner Brust und revanchierte sich.
Ein weiteres Biest fiel. Dann noch eins.
Ihre Leichen stapelten sich um ihn herum, und dickes Blut sammelte sich unter seinen Füßen. Der Gestank des Todes erfüllte die Höhle.
Aber sie kamen immer weiter.
Seine Bewegungen wurden langsamer. Sein Atem ging stoßweise. Seine Arme zitterten vor Erschöpfung.
Und dennoch kämpfte er weiter.
Stunden vergingen, bevor er endlich zu Boden sank. Aber kein Monster nutzte die Lücke. Sie waren nicht mehr am Leben, um das zu tun. Sie waren alle tot.
Neo lag da, zwischen den Bergen von Leichen.
Er biss sich auf die Lippen und bedeckte seine Augen.
Die Abwesenheit von Schmerz und Kampf zwang seine Gedanken in Bewegung.
Wie sollte er ihre Reinkarnation im endlosen Kosmos finden? Was, wenn sie in der Vergangenheit wiedergeboren worden war? Dann würde er sie niemals finden können.
Was, wenn er sie nie wieder sehen würde?
Dieser Gedanke ließ sein Herz erkalten.
Seine Fingernägel gruben sich in seine Handflächen.
Er hätte ihr keinen Heiratsantrag machen sollen. Er hätte sein Herz verschlossen halten und seine Gefühle ignorieren sollen.
Vielleicht hätte er sich dann nicht so gebrochen gefühlt, nachdem er ihren Tod miterlebt hatte.
Eine leere Traurigkeit breitete sich in seinem Gesicht aus.
Was für ein Mann war er? Er konnte nicht einmal die Frau beschützen, die er liebte –
Seine Gedanken kamen zu einem eisigen Stillstand.
Ouroboros.
Der Weltzeit-Zauber, der in seinen Rücken geritzt war.