„Ich hätte nie gedacht, dass er so furchterregend sein kann.“
„Ja. Ich weiß noch, dass Hongniu Wushang damals nur durchschnittlich war. Wer hätte das gedacht …“
„Zum Glück hat der Dorfvorsteher das Abgrundgift zuerst entdeckt. Sonst wären die Folgen unvorstellbar gewesen.“
Die Dorfbewohner redeten durcheinander. Sie waren gleichzeitig schockiert und beeindruckt. Die meisten von ihnen waren alte Diener des Clans und kannten Hongniu Wushang, einen jüngeren Verwandten aus einer Seitenlinie, der damals kein besonderes Talent hatte. Sie hätten nie gedacht, dass Hongniu Wushang so furchterregend sein könnte.
Yun Lintian hob die Hand und sagte: „Bitte beruhigt euch alle erst mal. Nicht alles, was ich gesagt habe, muss unbedingt wahr sein. Schließlich habe ich keine Beweise. Aber die Idee, die ich als Nächstes vorschlagen werde, kann unabhängig davon umgesetzt werden, wer der Drahtzieher ist.“
Alle wurden still und warteten darauf, dass Yun Lintian weiterredete.
„Mein Vorschlag ist einfach. Wir tun so, als wüssten wir nichts von der Situation und erwecken den falschen Eindruck, dass einige von uns mit dem Abgrundgift infiziert sind. Das wird den Drahtzieher dazu bringen, seine Wachsamkeit zu verringern und nach uns zu suchen. Dann können wir den Drahtzieher hinter all dem identifizieren“, erklärte Yun Lintian.
Die Dorfbewohner nickten leicht mit dem Kopf. Allerdings waren sie nicht ganz von Yun Litians Vorschlag überzeugt, da er einen entscheidenden Fehler hatte – ihre Stärke.
Chun war der Erste, der das Wort ergriff. „Ich habe nichts gegen deinen Plan einzuwenden, kleiner Bruder Mu. Aber das Hauptproblem ist, dass wir im Vergleich zu Hongniu Wei oder Hongniu Wushang zu schwach sind. Ich fürchte, wir sind ihnen nicht gewachsen.“
Die Dorfbewohner waren derselben Meinung wie Chun.
„Ach, wäre dieses Blutsiegel doch nur nicht da.“
„Stimmt. Ohne das Blutsiegel wären wir sicherlich stärker als sie.“
Auch wenn alle hier seit Jahrzehnten an dieses Leben gewöhnt waren, hatten sie tief in ihrem Inneren immer noch den Stolz der Hauptlinie. Nur das Blutsiegel hinderte sie daran, Wunschvorstellungen zu hegen.
Als Guchang das hörte, sah er Yun Lintian schweigend an, und in seinen Augen lag ein Hauch von Flehen. Er hoffte, dass Yun Lintian das Siegel aufheben würde, damit alle ihren Stolz zurückgewinnen konnten.
Yun Lintian sagte nichts über die Aufhebung des Siegels. Er wandte sich an Chun und sagte: „Ich verstehe, was du sagst, Chun. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich nicht trauen werden, etwas Unüberlegtes zu tun, wenn es soweit ist.“
„Das ist zu riskant“, warf Lun ein. „Wir können uns nicht allein auf deine Schlussfolgerung verlassen. Wir brauchen einen wasserdichten Plan.“
Die meisten Dorfbewohner stimmten Lun zu. Yun Litians Schlussfolgerung war zweifellos vernünftig, aber sie wollten einfach kein Risiko eingehen.
Yun Lintian machte ihnen keine Vorwürfe, weil er ihre Lage gut verstand. Er lächelte leicht. „Das ist nur mein Vorschlag. Ob ihr ihn annehmen wollt oder nicht, steht euch frei, ich hab da nichts zu sagen. Außerdem geht das in erster Linie euren Clan etwas an.“ Er sah alle an, besonders die aus dem Monarch Profound Realm. „Aber als Außenstehender möchte ich trotzdem was dazu sagen.“
„Ich habe bereits von dem Vorfall in der Vergangenheit erfahren, der euch alle in diese Lage gebracht hat. Ehrlich gesagt, schäme ich mich, wenn ich euch jetzt so sehe. Der vorherige Clanführer war bereit, sich selbst zu opfern, um euch alle zu beschützen, und stattdessen gebt ihr ihm die Schuld, anstatt euer Bestes zu geben, um zurückzuholen, was euch allen gehört.“
Die Dorfbewohner wurden sofort wütend. Sie wollten entgegnen, dass das doch wegen des Blutsiegels sei.
Aber sie wussten, dass es sinnlos war, das zu sagen.
Yun Lintian sagte nichts weiter zu diesem Thema. Er fragte Guchang: „Senior, kennst du ein Sklavensiegel?“
Guchang war überrascht, verstand dann aber Yun Litians Absicht, als er einen Blick auf den Mann mit den zwei Hörnern warf. „Ich kenne es, aber es ist nicht zuverlässig. Sie werden es irgendwann finden, wenn sie seine Seele sorgfältig überprüfen.“
Yun Lintian nickte und sagte: „Dann lass mich das machen.“
Daraufhin hockte sich Yun Lintian neben den Mann mit den zwei Hörnern, dessen Gesichtsausdruck entsetzt war, und zeigte mit dem Finger auf dessen Stirn. Eine Spur von purpurroter Flamme drang in dessen Körper ein, umhüllte seine Seele vollständig und verschwand dann wieder. Das war dieselbe Technik, die Yun Lintian damals bei Yiyi angewendet hatte.
Der Mann mit den zwei Hörnern spürte, dass sein Leben nun vollständig in Yun Litians Händen lag. Sein Gesicht war blass wie ein weißes Laken, als er vor Angst schrie: „Du! Was machst du mit mir?“
Yun Lintian lächelte und zog eine kleine purpurrote Flamme aus der Stirn des Mannes mit den zwei Hörnern, bevor er sagte: „Nichts. Ich habe ein Siegel auf deine Seele gebrannt.
Solange du auch nur den geringsten Gedanken an Rebellion hast, wird deine Seele sofort ausgelöscht werden … Also tu besser, was ich dir gesagt habe.“
Der Mann mit den zwei Hörnern öffnete mehrmals den Mund, aber schließlich kam kein Wort heraus. Sein Leben war nun endgültig vorbei. Wenn er weiterleben wollte, musste er dem jungen Mann vor ihm bedingungslos gehorchen.
Yun Lintian holte ein kleines Glasgefäß hervor, legte die purpurrote Flamme, die er zuvor entfacht hatte, hinein und reichte es Guchang. „Das ist sein Seelenfeuer. Senior kann durch es sehen und hören, was er erlebt hat. Du kannst ihn auch töten, indem du diese Flamme löschst.“
Alle hielten den Atem an, als sie das hörten. Sie hatten schon viele Sklavenseals gesehen, aber keines war so wirksam und grausam wie dieses.
Sie konnten nicht anders, als Yun Lintian mit neuen Augen zu sehen.
Guchang schnappte sich das Glas und sah Yun Lintian tief in die Augen. „Danke für alles, was du getan hast.“
„Ich kann nur so viel helfen, Senior. Was jetzt kommt, hängt ganz von dir und allen hier ab. Ich wünsche euch viel Glück.“ Yun Lintian lächelte leicht und ging zurück zu Guchangs Haus.
Nachdem er Yun Lintian ins Haus gehen sah, ließ Guchang seinen Blick über alle schweifen und sagte mit tiefer Stimme: „Ich werde nicht viel sagen, aber kleiner Bruder Mu hat recht. Wir sind zu selbstzufrieden mit dem, was wir jetzt haben, und haben völlig vergessen, was wir damals hatten.“
Die Dorfbewohner verstummten. Sie begannen, über ihre eigenen Gedanken nachzudenken.
Guchang kümmerte sich nicht mehr um sie und sah den Mann mit den zwei Hörnern an. „Geh zurück. Ich werde dir später sagen, was du zu tun hast.“
