Die Luft hinter mir pulsierte, als wäre irgendetwas nicht in Ordnung.
Asterion und ich bewegten uns schnell, aber bedächtig, unsere Stiefel kratzten über den feuchten Steinen, während wir uns einen Weg durch die einstürzenden Ruinen bahnten.
Das Ding im Schatten – eine halb geformte Erscheinung, weder ganz real noch ganz Illusion – flüsterte hinter uns. Es flackerte auf und verschwand wieder, eine kriechende Mischung aus leeren, dunklen Tentakeln und gesichtslosen Halbgestalten, die sich gegen den Stoff der Existenz zu stemmen schienen. Jedes Mal, wenn es fast Gestalt annahm, löste es sich wieder auf, gefangen von einer unsichtbaren Kraft, die ihm den vollständigen Eintritt in diese Welt verwehrte.
Wir hatten keine Zeit, zu entschlüsseln, was es war. Nur Zeit zu verschwinden.
Die Gänge drehten sich wie ein verfallenes Labyrinth, jeder Durchgang war erdrückend eng, die Wände feucht und mit alten Runen bedeckt, die von Restenergie pulsierten. Einige waren rissig und längst verblasst. Andere funkelten schwach, Überreste alter Zaubersprüche, die von längst vergessenen Händen gewirkt worden waren.
Die stickige Luft drückte auf meine Haut, schwer vom Geruch feuchter Steine, alter Magie und etwas Metallischem, das darunter lag. Asterion ging voraus, leicht geduckt, während er nach Fallen suchte. Seine Finger schwebten über den Zeichen in den Steinen, während er leise Zaubersprüche murmelte. Er kannte diese Ruine offensichtlich gut – jede seiner Bewegungen war präzise, eine Sicherheit, die nicht aus Vermutungen, sondern aus Wissen herrührte.
„Hier entlang.“ Er deutete mit dem Kinn auf einen niedrigen Torbogen, der gerade breit genug war, dass ein Mann hindurchgehen konnte, ohne sich seitlich zu drehen. Die Wände drum herum waren mit weiteren Schnitzereien verziert, aber diese waren anders. Es waren keine Runen von Ankern oder magischen Schutzzaubern – es waren Warnungen. Umrisse von Figuren, die sich auflösten, Gliedmaßen, die unmöglich dünn waren, deren Formen in Spiralen der Dunkelheit gezogen wurden, die sich nach innen in einen einzigen Abgrund drehten.
Asterion schenkte ihnen keinen Blick. Ich auch nicht.
Das Wesen hinter uns verfolgte uns nicht. Nicht im physischen Sinne. Es verweilte, schlüpfte durch die Wände, sickerte durch die Ritzen und beobachtete uns. Es bewegte sich wie Öl, das sich auf Wasser ausbreitet, und änderte die Richtung, als würde es unseren Weg vorhersehen. Unheimliches Flüstern drang an mein Ohr, flüchtige Worte, die unter dem statischen Summen des Unheils begraben waren.
Es wartete auf etwas.
Asterion blieb abrupt an einer Kreuzung stehen und drückte seine Finger gegen die Wand. Ein Symbol leuchtete schwach unter seiner Berührung auf, bevor es wieder verblasste, als würde es etwas in ihm erkennen. Frustriert schnalzte er mit der Zunge. „Die Barriere ist hier schwach. Wenn sie komplett zusammenbricht …“
Ein Geräusch von hinten. Diesmal kein Flüstern, sondern ein feuchtes, schleifendes Geräusch. Meine Finger schlossen sich um den Griff meines Schwertes, noch bevor ich die Veränderung in der Atmosphäre richtig wahrgenommen hatte. Die Luft wurde dichter, etwas Unsichtbares drückte schwerer auf meine Schultern.
Asterion zischte durch zusammengebissene Zähne. „Lauf!“
Ich brauchte keine Aufforderung. Wir nahmen den linken Gang und duckten uns unter herabhängenden Wurzeln, die längst die steinerne Decke durchbrochen hatten und feucht glänzten.
Die Ruine zitterte, kaum merklich, aber anhaltend, als würde sie die unnatürliche Präsenz in ihrem Inneren spüren. Meine Instinkte schrien mich an – ich wollte weg, so weit wie möglich weg von dem Ding, das am Rande meines Blickfelds lauerte. Aber blind durch unbekannte Ruinen zu rennen, wäre mein Tod gewesen. Ich bewegte mich vorsichtig. Schnell, aber bedächtig.
Hinter uns wurde das Flüstern lauter.
Ich schaute nicht hin. Hinsehen hätte es bestätigt. Hinsehen hätte ihm Gestalt gegeben.
Wir bogen um eine weitere Ecke und mein Fuß rutschte fast auf losem Geröll aus. Asterion packte mich am Ärmel und stützte mich gerade so weit, dass ich das Gleichgewicht wiederfand, bevor er weiterging. Der Tunnel wurde etwas breiter und mündete in einen Raum, der einst eine Versammlungshalle gewesen sein musste – zerbrochene Steinbänke lagen in Unordnung, einige umgestürzt, andere zerschmettert.
In der Mitte stand eine erhöhte Plattform, auf der sich eine einzelne Säule mit weiteren eingravierten Runen befand, aber diese … diese waren nicht verblasst.
Sie leuchteten. Sie pulsierten in einem unregelmäßigen Rhythmus.
Asterion fluchte leise. „Die Ruine reagiert.“
Das musste er mir nicht sagen. Ich konnte es spüren.
Ein Flackern am Rande meines Blickfelds. Ich kämpfte gegen den Instinkt an, mich umzudrehen, aber mein Augenwinkel nahm genug wahr – das Wesen war gewachsen.
Es war nicht länger ein sich bewegender Schleier, der in den Ritzen lauerte. Es erhob sich, streckte sich, und seine Ranken krümmten sich am Boden wie Wurzeln, die Halt suchten. Das Flüstern verdichtete sich zu etwas, das mehr als nur Geräusche war. Fast Worte. Fast Stimmen, die ich kannte, aber zu etwas Hohlklang Verzerrtem.
Es lernte.
Asterion rannte zur gegenüberliegenden Tür und ich folgte ihm, aber als wir näher kamen, brach die Luft nach innen ein.
Ein Druckstoß, als würde etwas versuchen, sich hindurchzudrängen. Die Steinwände ächzten. Die flackernden Fackeln, längst erloschen, aber noch immer an die Erinnerung an das Licht klammernd, flammten auf. Das Wesen stürzte sich auf uns – keine Gestalt, keine Form, sondern eine Kraft, ein Gewicht, ein hungriger Sog.
Ich handelte instinktiv. Ich zog mein Schwert und schlug in die Luft zwischen uns. Der Stahl traf nichts – kein Fleisch, keine echte Form, in die er sich bohren konnte –, aber etwas schrie. Der Schrei hallte durch den Raum, eine verzerrte Stimme, die nicht in diese Welt gehörte.
Asterion schrie etwas, aber ich konnte es durch das Klingeln in meinem Kopf kaum hören. Das Wesen zuckte, seine Konturen verzerrten sich und wechselten zwischen halb geformten humanoiden Silhouetten und reiner, alles verschlingender Dunkelheit. Jetzt hatte es mich im Visier. Es erkannte mich.
Und ich erkannte es.
Nicht vollständig. Noch nicht. Aber die Vertrautheit war da, verwoben mit der unnatürlichen Anziehungskraft seiner Präsenz. Ein Überbleibsel. Ein Stück. Ein Fragment von etwas Größerem.
Asterion war schnell, seine Klinge blitzte, aber er schlug nicht direkt auf das Ding ein, sondern auf die Runen. Er schnitt durch ihren Schein. Er brach ihren Rhythmus. Und das – das brachte es ins Wanken.
Das Wesen wand sich, seine Ranken schnappten zurück, als würden sie vor dem Schaden zurückschrecken. Die Fackeln flackerten heftig. Das Flüstern verwandelte sich in Schreie.
Es zerbrach.
Asterion machte weiter. Eine weitere Rune, ein weiterer Schlag. Weitere Fragmente der Magie, die dieses Ding hier festhielt, wurden durchtrennt. Es war keine Verbannung – es war eine Störung.
Es reichte aus.
Das Wesen faltete sich nach innen, wurde in einem spiralförmigen Zusammenbruch aus sich auflösenden Schatten in sich selbst gesaugt. Es schrie – nicht vor Angst, nicht vor Schmerz, sondern vor Wut. Der Schrei vibrierte in meinen Rippen, in meinem Schädel, ein fast menschlicher Schrei, der an den Rändern meines Bewusstseins zerfaserte.
Und dann –
war es weg.
Nicht ganz. Ich wusste es besser, als das zu glauben. Aber für den Moment hatten wir seinen Griff gelöst.
Die Kammer bebte heftig. Die Ruine war nicht für solche Störungen ausgelegt, und die verbleibende Magie hatte sie zu sehr belastet. Ich spürte die Veränderung in der Luft, den unverkennbaren Vorboten des Zusammenbruchs.
Asterions Hand umfasste mein Handgelenk. „Geh.“
Ohne zu zögern. Ohne weitere Worte. Wir rannten los.
Der Tunnel, der zum Ausgang führte, war bereits rissig, Spalten zogen sich wie Spinnweben über den Stein, Staub fiel in dünnen Schleiern herab. Die Ruine stürzte ein, das Gewicht der Zeit und der zerbrochenen Magie brach schließlich unter dem Druck zusammen. Der Eingang ragte vor uns auf – eine zerklüftete Öffnung, die nach draußen führte, wo Nebel wie wartende Arme über dem Boden lag.
In dem Moment, als wir die Schwelle überschritten, gab die Ruine nach.
Ein Luftzug, Staub und das tiefe Ächzen einstürzender Steine. Ich drehte mich nicht um. Die Ruine hatte ihren Zweck erfüllt. Was auch immer darin zurückgeblieben war, was auch immer noch darin verweilte, würde einen anderen Weg finden müssen, um sich seinen Weg in diese Welt zu bahnen.
Asterion atmete neben mir schwer aus. Er atmete schwer, stand aber noch fest auf den Beinen. Selbst erschöpft war er bereit für mehr.
Auch ich blieb stehen. Gerade so. Die Anstrengung des Kampfes, der Lauf, die schiere Kraft dessen, was geschehen war, lasteten schwer auf mir. Aber mein Körper weigerte sich aufzugeben. Er hatte keine Wahl. Ich gab nicht auf.
Der Nebel hing dicht um uns herum. Die Ruine hinter uns kam zur Ruhe, die letzten Nachbeben verstummten. Aber die Schwere in der Luft blieb.
Etwas hatte sich verändert.
Asterion wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und warf mir einen kurzen Blick zu. „Das war kein Zufall.“
Nein. Das war es nicht.
Und das Schlimmste daran?
Ich war mir nicht sicher, ob wir entkommen waren.
Oder ob wir es geweckt hatten.
Ein Pulsieren.