Es hätte unmöglich sein müssen.
Doch es war da, direkt unter der Oberfläche, versteckt hinter diesen goldenen Augen.
Dann, ohne Vorwarnung, passierte die Veränderung.
Liora hatte kaum Zeit, sich darauf vorzubereiten, bevor es ihn traf – die Veränderung in ihrer Haltung war so plötzlich, so komplett, dass es sich anfühlte, als würde er eine völlig andere Person sehen.
Ihre Präsenz wurde intensiver.
Ihre Bewegungen, die ohnehin schon unglaublich geschickt waren, wurden zu etwas anderem – etwas Raffiniertem, Tödlichem.
Eine tödliche Eleganz legte sich wie eine zweite Haut über ihren Körper, als hätte sie die letzte Zurückhaltung abgelegt, an der sie noch festgehalten hatte. Vorher hatte sie mit ihm gespielt, ihn getestet, jeden Schritt mit geübter Kontrolle abgemessen.
Jetzt?
Jetzt kämpfte sie nicht mehr nur.
Sie dominierte.
Liora spürte es in dem Moment, als sie sich bewegte.
Sie ging schneller als zuvor auf ihn los, ihre Schläge waren nicht mehr präzise, sondern überwältigend. Jeder Angriff ging nahtlos in den nächsten über, eine meisterhafte Darbietung, die ihn vollständig in die Defensive drängte. Er hatte kaum Zeit zum Nachdenken, geschweige denn zum Reagieren, als sie ihn mit einer Reihe von Bewegungen zurückdrängte, die so perfekt und kalkuliert waren, dass sie fast unmenschlich wirkten.
Das war nicht nur Geschicklichkeit.
Das war etwas ganz anderes.
Liora hatte schon erfahrene Schwertkämpfer gesehen. Er hatte gegen die Besten gekämpft. Er hatte mit Kriegern trainiert, die ihr Leben damit verbracht hatten, ihre Künste zu perfektionieren.
Aber das hier – das war etwas ganz anderes.
Das war furchterregend.
Sie bewegte sich so schnell, dass man sie kaum sehen konnte. In einer Sekunde stand sie vor ihm, in der nächsten hatte sie die Distanz überbrückt und ihre Klinge schnitt aus einem unmöglichen Winkel durch die Luft. Liora konnte sie gerade noch rechtzeitig abwehren, indem er seine Dolche kreuzte, um den Aufprall abzufangen, aber die Wucht ihres Schlags jagte einen scharfen Schmerz durch seine Arme. Seine Handgelenke schmerzten von der schieren Kraft.
Zu stark. Zu präzise. Zu schnell.
Kael sprang ihr zu Hilfe, seine Klinge blitzte an ihrer Seite auf, aber sie drehte sich blitzschnell zur Seite. Sie hob ihren Unterarm und fing Kaels Klinge mit einem gepanzerten Armschutz ab. Mit einer schnellen Bewegung ihres Handgelenks schlug sie sein Schwert aus der Bahn und nutzte den Schwung, um sich mit einem Drehkick direkt auf seine Rippen zu stürzen.
Kael schaffte es gerade noch, sich zurückzuwerfen, wobei die Spitze ihres Stiefels seine Seite streifte. „Scheiße“, fluchte er und taumelte leicht, bevor er seine Haltung wieder fand.
Liora hatte keine Zeit, ihm zu helfen. Sie war bereits wieder auf ihn losgegangen.
Er spürte ein leichtes Zucken ihrer Finger, bevor sie zuschlug – die einzige Warnung, die er bekam, bevor sie sich mit brutaler Effizienz auf ihn stürzte. Diesmal führte sie ihren Hieb tief, um unter seiner Deckung hindurchzugleiten. Er wich aus und hielt seinen linken Dolch schräg nach unten, um den Schlag abzuwehren – doch in dem Moment, als ihre Waffen aufeinanderprallten, bewegte sie ihr Bein und holte zu einem Tritt gegen seinen Knöchel aus.
Liora sprang hoch und wich knapp aus, aber in dem Moment, als seine Füße den Boden verließen, hob sie bereits wieder ihre Waffe und zielte auf seine ungeschützten Rippen.
Zu schnell.
„Oh, Scheiße …“ Liora drehte sich in der Luft und entging nur knapp dem tödlichen Bogen ihrer Klinge. Er landete hart und rollte sich ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, aber bevor er sich erholen konnte, war sie schon wieder da.
Er schwang seinen rechten Dolch in einem weiten, abwehrenden Bogen, um sie zurückzudrängen, aber sie versuchte nicht einmal auszuweichen. Stattdessen duckte sie sich im letzten Moment, wobei ihre Schulter fast seine Klinge streifte, als sie wieder näher kam.
Sie liest mich zu leicht.
Liora hatte kaum Zeit, sich zu drehen, bevor sie erneut zuschlug. Ein präziser, tödlicher Hieb nach unten, der auf die Lücke zwischen seiner Schulter und seinem Hals zielte. Er reagierte instinktiv, trat im letzten Moment zur Seite und fing ihre Klinge zwischen seinen gekreuzten Dolchen ab, sodass ihre Waffen ineinander verkeilt waren.
Für einen Moment waren ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Ihre goldenen Augen brannten, scharf und berechnend, und registrierten jede Bewegung seiner Muskeln, jede kleine Veränderung seiner Haltung. Er konnte die Kraft spüren, die hinter ihrem Griff steckte, wie sich ihre Finger leicht krümmten, um einen besseren Winkel zu finden.
Dann drehte sie sich.
Liora spürte, wie er das Gleichgewicht verlor – zu spät.
Sie drehte ihren ganzen Körper in die Bewegung hinein, rollte ihre Schulter, um ihre Waffen auseinanderzureißen. Die Wucht schleuderte seine Dolche weg und lockerte seinen Griff. Er hatte kaum Zeit, sich anzupassen, bevor sie die Lücke nutzte und ihm ihr Knie in den Bauch rammte.
Liora fing ihn auf – gerade noch so. Sein Unterarm fing den größten Teil des Aufpralls ab, aber die Wucht schleuderte ihn dennoch einen Schritt zurück. Er rang nach Luft, seine Lungen brannten.
Sie machte weiter.
Sie trat wieder in seinen Raum, ihre Klinge schnitt in einer verschwommenen Bewegung durch die Luft. Ein Stoß, direkt auf seine Brust gerichtet. Liora wich im letzten Moment aus und drehte seinen Körper gerade so weit, dass die Klinge nur den Stoff seines Mantels statt seiner Rippen durchschnitten.
Das war knapp. Zu knapp.
Sein Instinkt schrie ihn an – beweg dich!
Liora duckte sich tief und holte mit dem Bein aus, um sie zu Fall zu bringen.
Sie fiel nicht darauf herein.
Stattdessen sprang sie hoch und drehte sich in der Luft mit einer Anmut, die unmöglich schien. Bevor er reagieren konnte, drehte sie ihren Körper und holte zu einem weiteren Tritt aus, der direkt auf seinen Kopf zielte.
Liora konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken.
Er spürte, wie sich die Luft bewegte, als ihr Stiefel nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt vorbeischoss.
Er rollte zur Seite und nutzte den Schwung, um wieder auf die Beine zu kommen. Er atmete jetzt zu schnell, seine Brust hob und senkte sich, seine Muskeln brannten.
Kael ging es nicht viel besser.
Der Mistkerl war in seinen eigenen Kampf verstrickt, seine Bewegungen waren genauso angestrengt, genauso verzweifelt. Er schaffte es, eine schnelle Reihe von Hieben abzuwehren, aber selbst aus dem Augenwinkel konnte Liora erkennen, dass sie nicht gewinnen würden.
Sie würden diesen Kampf nicht gewinnen.
Nicht einmal annähernd.
Sie hatte sich verändert.
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Zuvor hatte sie sie getestet und sich wie eine Assassinin bewegt, die darauf trainiert war, präzise zuzuschlagen. Aber jetzt – jetzt war es etwas anderes. Etwas Raffiniertes, Unerbittliches. Sie kämpfte mit einer Geschicklichkeit, die aus jahrelangem Training, aus unzähligen Kämpfen und aus einer im Feuer geschmiedeten Disziplin herrührte.
Sie kämpfte nicht mehr nur gegen sie.
Sie überwältigte sie.
Lioras Instinkte schrien ihn erneut an, und diesmal hörte er auf sie. Er warf sich zurück, gerade als ihre Klinge durch die Luft schnitt, wo zuvor noch seine Kehle gewesen war. Er landete hart, rutschte aus und blieb liegen, seine Knie protestierten gegen die plötzliche Bewegung.
Sein Griff um seine Dolche festigte sich.
Er hatte gegen die Besten gekämpft.
Er hatte gegen Monster, Söldner und Kriegsherren gekämpft – Menschen, deren Namen allein schon Angst in den Herzen der Krieger hervorriefen.
Und doch war das hier anders.
Das hier war furchterregend.
Jede Lücke, die er zu entdecken glaubte, war eine Falle. Jede Verteidigung, die er aufbaute, wurde von ihr mühelos zunichte gemacht. Es war, als hätte sie Jahre damit verbracht, nicht nur seinen Kampfstil zu lernen, sondern auch, wie sie ihn Stück für Stück zerlegen konnte.
Liora biss die Zähne zusammen, Schweiß tropfte von seinen Händen auf seine Dolche. Noch nie war er so in der Defensive gewesen.
Kael, der sich ebenso schwer tat, fluchte leise vor sich hin. „Sag mir, dass das nicht normal für dich ist.“
Liora antwortete nicht. Er konnte nicht.
Denn wenn sie wirklich tot gewesen war – wenn sie entführt worden war – was zum Teufel hatte sie dann zurückgebracht?
Dann, genauso plötzlich, wie der Kampf eskaliert war, veränderte sich die Luft.
Eine tiefe, hallende Glocke läutete in der Ferne.
Das hätte nicht möglich sein dürfen – es gab keine Kirchen in der Nähe, keine Türme, die einen so alten, hohlen Klang hätten erzeugen können.
Der Attentäter erstarrte.
Liora sah es, sah, wie sich ihre Muskeln anspannten, wie ihr Kopf sich leicht neigte, als würde sie etwas hören, das nur sie hören konnte.
Zum ersten Mal seit Beginn des Kampfes veränderte sich ihr Gesichtsausdruck.
Dann sagte sie was.
„Du hättest nicht nach mir suchen sollen.“
Ihre Stimme war leise. Beherrscht. Aber darunter flackerte was – was kaum zu bändigen war. Keine Wut. Kein Hass. Etwas fast Persönliches.
Lioras Atem ging unregelmäßig, sein Verstand versuchte immer noch, die Realität zu begreifen.
Die Last ihrer Anwesenheit drückte auf ihn, schwerer als der Nebel, der sie umhüllte. Er hatte geglaubt, heute Nacht auf alles vorbereitet zu sein. Aber das hier? Das war nicht nur ein Kampf.
Das war ein Albtraum, der wahr geworden war.
Sie bewegte sich leicht und passte ihren Griff um die Klinge an. Eine Bewegung, so subtil, so präzise, dass Liora sie kaum bemerkte. Aber sie war da – das Zeichen einer endgültigen Entscheidung.
Der Kampf war vorbei.
„Du hättest tot bleiben sollen.“
Die Worte schnitten tiefer als jede Klinge.
Liora machte einen halben Schritt nach vorne, öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen – aber bevor er etwas sagen konnte, bewegte sie sich.
Mit einer schnellen Bewegung ihres Handgelenks warf sie eine kleine Bombe mit einem Symbol darauf zu Boden. In dem Moment, als sie aufschlug, leuchtete das Symbol auf, pulsierte mit unheimlichem Licht und explodierte dann in einem dichten, sich windenden Nebel.
Liora stürzte sich nach vorne, ignorierte den Schmerz in seinen Muskeln, während sein Instinkt ihm befahl, sich zu bewegen. Er schwang sein Schwert in einem scharfen Bogen, durchschnitten den dichten Nebel und hoffte – betete –, sie zu fangen, bevor sie verschwand.
Aber der Nebel verschluckte sie vollständig.
Er hustete, sah nichts als sich bewegende Schatten und wabernden Rauch. Die Luft fühlte sich dick und klebrig an, als wäre der Nebel selbst lebendig und würde ihn wie unsichtbare Hände umhüllen.
Er bewegte sich weiter, suchte weiter, seine goldenen Augen suchten den Nebel ab, auf der Suche nach dem geringsten Anzeichen von Bewegung.
Nichts.
Dann, genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war, begann sich der Nebel aufzulösen.
Liora wirbelte herum, seine Klinge noch immer zum Schlag erhoben.
Aber sie war weg.
Die anderen Attentäter waren auch weg.
Als wären sie nie da gewesen.
Das Einzige, was übrig blieb, war Stille.
Liora stand wie erstarrt da und starrte auf die leere Stelle, an der sie gerade noch gestanden hatte, sein Puls hämmerte gegen seine Rippen. Sein Atem ging immer noch unregelmäßig, sein Körper vibrierte von den Nachwirkungen des Kampfes, aber nichts davon spielte eine Rolle.
Die zerrissene Maske in seiner Hand war echt.
Die Art, wie sie gekämpft hatte, war echt.
Und ihre Stimme – ihre Stimme war echt.
Seine Finger krallten sich fest um den Stoff, seine Knöchel wurden weiß vor Anstrengung. Er schluckte schwer, sein Kiefer war so fest zusammengebissen, dass es wehtat.
Kael, der noch nach Luft rang, trat neben ihn. Einen Moment lang sagte er nichts, sein scharfer Blick huschte zwischen Liora und der leeren Straße vor ihnen hin und her. Dann endlich durchbrach seine Stimme die Stille, leise, aber bestimmt.
„Du kanntest sie, oder?“
Liora antwortete nicht sofort.
Er konnte nicht.
Die Worte blieben ihm im Hals stecken, eine unerträgliche Last drückte auf ihn. Er hatte Jahre damit verbracht, dies zu verdrängen, sich einzureden, dass es vorbei war, dass die Vergangenheit tot und begraben war.
Aber die Vergangenheit hatte ihm gerade ins Gesicht gesehen.
Schließlich, nach einer langen, schweren Stille, atmete er scharf aus. Als er sprach, klang seine Stimme angespannt – rau, wie er es schon lange nicht mehr gewesen war.
„Sie sollte tot sein.“