Die Hütte war ein ruhiger, zerbrechlicher Raum, in dem eine Spannung in der Luft lag wie Rauch. Das einzige Geräusch war das leise Knistern des Feuers in der Ecke und das unregelmäßige Atmen von Draven, der in der Mitte des Raumes saß und versuchte, den tobenden Sturm der Macht in sich zu kontrollieren. Sein Kopf war gesenkt, seine Augen geschlossen und seine Hände ruhten zitternd auf seinen Knien.
Die anderen standen um ihn herum und beobachteten ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Hilflosigkeit.
Aurelia, die sonst so forsch und sarkastisch war, wirkte beunruhigend still. Ihr Blick ruhte ununterbrochen auf Draven, ihr feuerrotes Haar warf einen sanften Schein im Licht des Feuers. Lyan stand am Fenster und schaute abwechselnd zu Draven und Anastasia. Anastasia wirkte am verlorensten – ihr Gesichtsausdruck war voller Verwirrung und Unsicherheit.
Sie litt noch immer unter den Nachwirkungen des Geschehenen, ihre Hände waren fest geballt, ihre Finger drehten sich nervös.
Dann veränderte sich Lyans Gesichtsausdruck. Sein Blick verharrte einen Moment länger auf Anastasia, und ein Anflug von Verständnis huschte über sein Gesicht. Draven bemerkte diese Veränderung, diese Erkenntnis.
Lyan hatte es herausgefunden. Er wusste, dass Anastasia besessen gewesen war, wusste, dass etwas Monströses in ihr gewesen war und nun vertrieben worden war. Diese Erkenntnis ließ Lyan etwas entspannen, er nickte leicht, fast unmerklich. Er verstand. Und Draven auch.
Aber Draven hatte keine Zeit, darauf einzugehen. Er schloss wieder die Augen und schirmte alles um sich herum ab. Alles, was zählte, war die Kraft in ihm – die dunkle, tobende Energie, die er Tiamat entrissen hatte. Er konnte sie in sich spüren, wie sie sich wie ein gefangenes Tier windete und schlug und versuchte, ihn von innen heraus zu zerreißen. Sie war unerbittlich, mächtig und wollte die Kontrolle übernehmen. Er wusste, dass er das nicht zulassen durfte.
Er stellte sich Mauern vor – hohe, dicke Mauern um seine Seele herum. Er baute sie Stein für Stein in seinem Kopf, jeder einzelne ein Hindernis, um das Chaos einzudämmen. Es war, als würde er versuchen, einen Fluss mit bloßen Händen aufzuhalten, wobei jeder einzelne Stein seine ganze Konzentration und Kraft erforderte. Die Kraft kämpfte gegen ihn, schlug gegen die Mauern und versuchte, sich zu befreien, aber Draven drückte sie zurück, die Zähne zusammengebissen, das Gesicht vor Schmerz verzerrt.
Die Minuten wurden zu Stunden, und jede Sekunde fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Sein Körper zitterte, Schweiß tropfte von seiner Stirn und durchnässte seine Kleidung. Er atmete stoßweise, die Anstrengung zeigte sich in seinen angespannten Schultern und den unwillkürlichen Zuckungen seiner Muskeln. Er wusste, dass er es nicht vollständig kontrollieren konnte, aber das musste er auch nicht.
Er musste es nur einfangen, wegschließen, genug Barrieren aufbauen, um es an Ort und Stelle zu halten.
Stück für Stück wuchsen die Mauern empor, und Draven schuf kleine, kontrollierte Öffnungen – Löcher, durch die er bei Bedarf Zugang zu der Kraft erhalten würde, aber nicht mehr. Der Rest würde weggesperrt bleiben, in ihm eingeschlossen, unfähig, jemand anderem Schaden zuzufügen. Es war ein Kampf der Willenskraft, eine Prüfung der Ausdauer, und Draven war entschlossen, zu gewinnen.
Endlich begann der Sturm nachzulassen. Die tobende Kraft wurde schwächer, gezähmter, die gewalttätige Energie legte sich, während die Wände sich um sie herum schlossen. Dravens Körper sackte zusammen, die Anspannung in seinen Muskeln löste sich, sein Atem wurde langsam gleichmäßig. Er konnte die Kraft noch spüren, wie sie dort lauerte, aber sie war eingedämmt, unter Kontrolle. Vorerst.
Er öffnete die Augen, das blaue Leuchten war schwach, aber unverkennbar. Er blickte auf, begegnete den besorgten Blicken der Menschen um ihn herum und nickte einmal langsam. „Es ist Zeit zuzuschlagen“, sagte er mit befehlender, aber ruhiger Stimme. Er stand auf, seine Erschöpfung war deutlich zu sehen, aber seine Entschlossenheit war unerschütterlich.
Lyan, Aurelia und Anastasia beobachteten ihn mit einer Mischung aus Erleichterung und Entschlossenheit in den Augen. Draven ließ seinen Blick zwischen ihnen wandern und verweilte einen Moment länger bei Anastasia. Sie sah ihn an, ihre Augen immer noch verwirrt, aber jetzt war da noch etwas anderes zu sehen – Verständnis, vielleicht sogar Hoffnung.
„Diesmal brauchen wir keine ausgeklügelten Pläne“, fuhr Draven fort, seine Stimme kalt und präzise. „Unterstützt mich einfach.“
Er griff nach seinem Umhang, zog ihn um seine Schultern und der Stoff schimmerte, als er mit den Schatten um ihn herum verschmolz. Die vier Stifte – der Feuerstift, der Elfenwasserstift, der Psychokinese-Stift und der Teufelsstift – schwebten um ihn herum, jeder leuchtete schwach mit seiner eigenen magischen Energie, bereit, eingesetzt zu werden.
Draven nahm den Elfenwasserstift und schwenkte ihn sanft. Ein sanftes Licht breitete sich aus, umhüllte Lyan, Aurelia und Anastasia, die Magie umspülte sie, heilte ihre Verletzungen und lindert ihre Erschöpfung. Die Anspannung in ihren Gesichtern schien zu schmelzen und wurde durch neue Entschlossenheit ersetzt.
Aurelia schnaubte leise und ihre Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. „Danke, du Mistkerl“, murmelte sie, ohne ihre übliche Schärfe, und ein Hauch von Dankbarkeit schwang mit. Erlebe exklusive Geschichten in My Virtual Library Empire
Draven nickte mit entschlossenem Blick. „Los geht’s. Wir haben nicht viel Zeit.“
Ohne ein weiteres Wort setzten sie sich in Bewegung. Die Tür der Hütte quietschte, als sie sich öffnete, und sie schlüpften in die Nacht, wo die kalte Luft ihnen auf der Haut biss. Sie bewegten sich schnell und lautlos durch den dichten Wald, ihre Schritte waren auf dem Boden kaum zu hören. Der Himmel über ihnen war von Dunkelheit bedeckt, der Mond versteckte sich hinter dicken Wolken, und der Wald war ein Labyrinth aus Schatten. Aber Draven führte sie mit unerschütterlicher Sicherheit, seinen Blick fest auf ihr Ziel gerichtet – den Altar.
Als sie näher kamen, wurde die Luft schwerer, die bedrückende Energie des Altars lastete auf ihnen und machte das Atmen schwerer. Der Altar stand auf einer Lichtung, ein verdrehtes, dunkles Monument, dessen Oberfläche mit Runen verziert war, die schwach in einem unheimlichen Licht leuchteten. Und dort, um ihn herum, standen die Wächter.
Zwölf an der Zahl.
Ein Dutzend mächtige Gestalten, deren Umrisse von dunkler, uralter Energie umhüllt waren und deren Augen bösartig leuchteten. Sie standen im Kreis um den Altar herum und strahlten Macht aus, eine undurchdringliche Barriere aus Dunkelheit.
Lyan blieb neben Draven stehen und riss die Augen auf, als er den Anblick sah. „Unmöglich“, flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme. „Vorhin waren es nur drei …“
Aurelias Gesicht versteinerte sich, ihre Augen verengten sich. „Was zum Teufel ist hier los?“, murmelte sie ungläubig.
Draven blieb still und starrte die Wächter an. Er zeigte keine Überraschung, kein Zögern.
Er streckte seine rechte Hand aus, und der Teufelspen flog in seinen Griff, das kalte Metall lag bequem in seiner Handfläche. Er hielt ihn wie einen Zauberstab, wirbelte ihn durch die Luft und bewegte seine Lippen in einem leisen Gesang.
Dunkle Energie sammelte sich um ihn herum, wirbelte wie ein Sturm, die Luft knisterte vor Kraft. Die Wächter bewegten sich, ihre Geschwindigkeit war blendend, ihre Umrisse verschwammen, als sie auf ihn zustürmten, ihre Bewegungen flüssig, präzise – eine unaufhaltsame Kraft.
Aber Draven war bereit. Er zuckte nicht, schwankte nicht. In dem Moment, in dem die Wächter sich bewegten, tat er es auch. Die dunkle Energie schlängelte sich um ihn herum, und mit einer schnellen Bewegung des Teufelspenns schoss sie nach vorne, schwarze Schlangen erhoben sich aus dem Boden, ihre Formen verdrehten und wand sich, während sie sich auf die Wächter stürzten. Die Schlangen bewegten sich schneller, bösartiger und schlugen mit tödlicher Präzision zu.
Die Wächter hatten kaum Zeit zu reagieren, bevor sie verschlungen wurden und ihre Gestalten in den dunklen Mäulern der Schlangen verschwanden.
Es wurde still auf der Lichtung, die bedrückende Energie löste sich auf, als sich die Schlangen zurückzogen und ihre Gestalten wieder in der Erde auflösten. Draven senkte die Hand, sein Blick war immer noch auf den Altar gerichtet, sein Gesichtsausdruck kalt und unlesbar.
Lyan und Aurelia tauschten einen Blick, in dem sich Ehrfurcht und Ungläubigkeit vermischten. Draven wandte sich ihnen zu, seine Stimme ruhig und fest. „Nehmt die Talismane“, sagte er, zog sie aus seinem Umhang und reichte sie Lyan und Aurelia. „Verteilt sie um den Altar herum. Wir müssen den Energiefluss unterbrechen.“
Lyan nahm die Talismane und sah Draven in die Augen. „Was ist mit dir?“, fragte er besorgt. „Was wirst du tun?“
Dravens Blick wanderte zurück zum Altar, seine Augen verengten sich. „Ich muss etwas zerstören“, sagte er mit kalter, entschlossener Stimme.
Aurelia trat vor, ihr Blick fixierte Draven, ihr Gesichtsausdruck war hart. „Bist du sicher, dass du alleine zurechtkommst?“, fragte sie mit besorgter Stimme, wobei ihre übliche Tapferkeit für einen Moment nachließ.
Draven sah sie an, ein kleines, fast unmerkbares Lächeln umspielte seine Lippen. „Mir wird nichts passieren, Eure Majestät.“
Aurelias Augen weiteten sich leicht, dann verengten sie sich, und ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das eher wie ein Lächeln aussah, mit dem sie sich stark gab.
„Das ist ein königlicher Befehl, du Bastard“, sagte sie mit entschlossener Stimme.
„Komm nicht ums Leben.“
Draven nickte, sein Gesichtsausdruck wurde für einen Moment weicher.
„Verstanden“, sagte er mit kaum hörbarer Stimme.
Er wandte sich von ihnen ab und richtete seinen Blick wieder auf den Altar. Die Kraft in ihm regte sich, die dunkle Energie pulsierte, bereit, entfesselt zu werden. Er holte tief Luft, die Luft um ihn herum knisterte vor Erwartung. Das war es – der Moment, auf den sie gewartet hatten. Es gab keinen Raum für Fehler, keine zweite Chance.
„Es ist okay“, sagte Draven mit ruhiger, fester Stimme. Er machte einen Schritt nach vorne, ohne den Blick abzuwenden. „Dieses Mal werden wir gewinnen.“