Vera erstarrte bei dem Geräusch, die Temperatur im Hof schien mit jeder Silbe zu sinken. Die Stimme war unverkennbar – tief, befehlend und voller dunkler Kraft, die ihr die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Draven.
Modric griff instinktiv nach seinem Schwertgriff und warf Vera einen kurzen Blick zu. Sie konnte die Anspannung in seiner Haltung spüren, die kaum unterdrückte Wut, die unter der Oberfläche brodelte. Er war bereit zu kämpfen, aber Vera hatte schon genug Situationen erlebt, um zu wissen, dass es ein schwerer Fehler wäre, sich kopfüber in eine Konfrontation mit Draven zu stürzen.
Draven war kein Mann, der seine Stimme erheben oder seine Hand erheben musste, um Angst zu verbreiten. Seine bloße Anwesenheit reichte aus, um die Entschlossenheit der meisten Männer zu erschüttern.
„Lord Draven“, rief Vera mit fester Stimme, obwohl sie die Last des Augenblicks auf sich lastete. „Ich bin Vera, Anführerin der Kronkavaliere. Wir stehen unter dem direkten Befehl Ihrer Majestät, der Königin.“
Es folgte eine lange, bedrückende Pause. Die Türen des Herrenhauses öffneten sich knarrend weiter, doch im Inneren herrschte völlige Dunkelheit. Ein kalter Wind fegte durch den Hof und ließ die Banner der Familie Drakhan heftig flattern, als wären es ruhelose Geister.
„Du bringst die Befehle der Königin“, hallte Draven’s Stimme aus dem schattigen Inneren, als würde er aus allen Richtungen gleichzeitig sprechen. „Aber bringst du auch ihre Absichten? Oder bist du nur eine Marionette?“
Modric machte einen Schritt nach vorne, sein Schwert halb gezogen, aber Vera warf ihm einen scharfen Blick zu. „Bleib stehen“, zischte sie. „Provoziere ihn nicht.“
„Ihn nicht provozieren?“, murmelte Modric mit frustrierter Stimme. „Er spielt Spielchen mit uns, Vera.“
Bevor Vera antworten konnte, bebte der Boden unter ihnen und die Luft schien sich zu verzerren, wodurch der Hof um sie herum verzerrt wurde. Die Welt neigte sich leicht, als würde sich die Realität selbst verschieben. Veras Herz raste, ihre Sinne schrien ihr zu, dass etwas furchtbar falsch war.
Dann, mit einem plötzlichen Ruck, änderte sich alles.
Die Drakhan-Ritter, die sie noch vor wenigen Augenblicken umzingelt hatten, waren verschwunden, als hätten sie nie existiert. Das prächtige Herrenhaus und seine hoch aufragenden Tore lösten sich in Nichts auf und ließen Vera allein auf einem weiten, leeren Feld zurück. Das goldene Licht der Sonne war einem dunklen, bedrückenden Himmel gewichen, der mit erdrückender Schwere auf sie zu drücken schien.
Sie wirbelte herum und suchte mit wilden Augen nach Modric und den anderen Rittern. „Modric!“, rief sie, und ihre Stimme hallte in der unheimlichen Stille wider. Aber es kam keine Antwort. Kein Ton. Nur sie stand allein in einer Welt, die sich falsch anfühlte – verdreht.
Angst packte sie, aber sie zwang sich zu atmen, zu denken. Das war nicht echt. Das konnte nicht sein. „Draven“, flüsterte sie, ihre Stimme wurde ruhiger, als sie begriff. „Das ist eine Illusion.“
„Sehr scharfsinnig“, sagte Draven wieder, leise und gefährlich, als stünde er direkt hinter ihr. „Aber kannst du ihr entkommen?“
Veras Hände ballten sich zu Fäusten, ihr Herz pochte, als sie sich zwang, sich zu konzentrieren. Das war Dravens Magie, ein Gedankenspiel, das ihre Entschlossenheit brechen und sie auf die Probe stellen sollte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf den gleichmäßigen Rhythmus ihrer Atmung, genau wie sie es gelernt hatte. Ihre Sinne weiteten sich und suchten nach den magischen Fäden, die diese Illusion zusammenhielten.
Sie hatte schon mit mächtiger Magie zu tun gehabt, aber Dravens Magie war auf einer anderen Ebene – raffiniert, präzise und überwältigend.
Plötzlich spürte sie, wie sich etwas in der Luft veränderte. Eine Präsenz hinter ihr.
Vera riss die Augen auf und wirbelte herum, nur um Modrics verängstigtes Gesicht zu sehen. Er stand nur wenige Meter entfernt, sein Schwert gezogen und zitternd in seinen Händen.
Aber seine Augen – seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen und huschten hin und her, als wäre er in seinem eigenen Albtraum gefangen.
„Vera“, flüsterte er mit heiserer Stimme, kaum hörbar. „Sie sind weg … alle …“
„Das ist nicht real“, sagte Vera schnell und machte einen Schritt auf ihn zu. „Modric, hör mir zu. Das ist eine Illusion – Draven manipuliert uns.“
Aber Modrics Blick war nicht auf sie gerichtet. Er war abwesend, voller Panik, wie sie sie noch nie bei ihm gesehen hatte. „Ich kann sie nicht sehen, Vera. Wo sind sie? Wo sind sie hingegangen?“
„Modric!“, schrie Vera, packte ihn am Arm und schüttelte ihn. „Reiß dich zusammen! Das ist ein Trick!“
Modric atmete schwer, seine Brust hob und senkte sich, während er wild um sich blickte. „Er hat sie mitgenommen … Er hat sie alle mitgenommen …“
Vera fluchte leise, als ihr klar wurde, dass Modric sich aus Draven’s Einfluss nicht befreien konnte, was auch immer dieser tat. Er war in seinem eigenen Kopf gefangen, seine schlimmsten Ängste spielten sich vor seinen Augen ab. Sie musste das beenden. Sofort.
„Draven!“, schrie Vera mit wütender Stimme. „Genug mit diesen Spielchen! Zeig dich!“
Die Welt um sie herum wellte sich, als würde sich die Realität selbst ihrem Willen beugen. Der dunkle Himmel über ihr schien sich zu spalten, und der Boden unter ihren Füßen barst auf. Dann, genauso plötzlich, wie es begonnen hatte, zerbrach die Illusion.
Der Innenhof der Drakhan-Villa war wieder da, fest und real. Die Drakhan-Ritter standen an ihren Plätzen, ihre kalten Visiere reflektierten das Sonnenlicht. Modric war an ihrer Seite, seine Schwert hand zitterte immer noch, sein Gesicht war blass vor Angst. Vera atmete langsam durch, um sich zu beruhigen. Draven hatte sich keinen Zentimeter bewegt.
„Du hast einen starken Willen“, sagte Draven, und diesmal tauchte er aus der Dunkelheit des Eingangstors auf und trat mit kühler Anmut ins Licht. Er war so beeindruckend wie in den Geschichten – sein kurzes, ordentlich gekämmtes Haar glänzte wie schwarzer Onyx, und seine durchdringenden blauen Augen schienen die Luft wie Messer zu durchschneiden.
Vera stockte unwillkürlich der Atem. Seine Präsenz war überwältigend, nicht nur wegen seiner Magie, sondern wegen seiner Person. Die Geschichten hatten ihm nicht gerecht geworden. Er war nicht nur gefährlich, er war … faszinierend.
„Beeindruckend“, sagte Draven ruhig, seine Stimme sanft und gleichmäßig, als er auf sie zuging. „Nicht viele können meine Illusionen so leicht durchbrechen.“
„Das war nicht nötig“, erwiderte Vera, deren Stimme nun ruhiger klang. „Wir sind gekommen, um zu reden, nicht um getestet zu werden.“
Draven verzog die Lippen zu einem schwachen, fast amüsierten Lächeln. „Getestet? Nein, Lady Vera. Ich musste nur sicherstellen, dass du die Natur der Macht verstehst, mit der du es zu tun hast.“ Bleib auf dem Laufenden über mvl
Modric, immer noch erschüttert, fand endlich seine Stimme wieder. „Das … das war alles nur in unseren Köpfen?“, fragte er mit zitternder Stimme, die vor Unglauben bebte.
„In der Tat“, antwortete Draven, ohne ihn anzusehen. „Ich habe keinen Finger gerührt. Was ihr erlebt habt, war nichts weiter als eine Projektion eurer eigenen Ängste. Eine harmlose Übung.“
Harmlos. Das Wort hallte in Veras Ohren wider, und sie spürte, wie die Wut wieder in ihr aufstieg. Für ihn war das alles nur ein Spiel, eine Demonstration seiner Macht. Aber sie durfte sich jetzt nicht von ihren Emotionen leiten lassen. Sie hatten noch eine Mission zu erfüllen.
Vera richtete sich auf und gewann ihre Fassung zurück, obwohl ihr Herz nach der Begegnung immer noch raste. „Wir sind hier im Auftrag Ihrer Majestät, der Königin“, wiederholte sie mit kalter, förmlicher Stimme. „Sie möchte Ihnen ihren sofortigen Dank für Ihre Taten aussprechen – sowohl beim königlichen Bankett als auch im nördlichen Gebiet von Icevern, wo Sie den Goblin-König besiegt haben.“
Dravens Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber als die Königin erwähnt wurde, blitzte in seinen Augen Anerkennung auf. Er nickte einmal, seine Haltung ruhig, fast gleichgültig. „Die Königin ist mit ihrem Lob sehr großzügig“, sagte er leise und sah Vera direkt in die Augen. „Ich bin nur ein treuer Diener der Krone.“
Vera war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte – vielleicht Widerstand oder irgendeine Form von Verhandlung. Aber Dravens Zustimmung zur Vorladung der Königin war fast zu ruhig. Zu einfach.
„Ich werde mich sofort auf meine Abreise vorbereiten“, sagte Draven und wandte sich an Alfred, seinen Butler, der lautlos hinter ihm aufgetaucht war. „Alfred, sorg dafür, dass die Kutsche bereitsteht. Wir brechen sofort in die Hauptstadt auf.“
„Natürlich, mein Herr“, sagte Alfred mit einer Verbeugung und verschwand so schnell, wie er gekommen war.
Vera blinzelte und ihr schwirrte der Kopf. Sie hatte sich auf einen Kampf der Geister, auf Widerstand und Manipulation vorbereitet, aber Draven hatte die Befehle der Königin einfach ohne Widerrede akzeptiert. Das hinterließ bei ihr ein Gefühl der Unausgeglichenheit, als würde ihr etwas entgehen.
„Warum … so bereitwillig?“, fragte sie, ohne die Worte zurückhalten zu können.
Draven drehte sich zu ihr um, sein Gesichtsausdruck so undurchschaubar wie immer. „Die Dankbarkeit Ihrer Majestät nehme ich nicht auf die leichte Schulter“, sagte er mit sanfter, fast warmer Stimme. „Und ich stehe immer im Dienst der Krone. Schließlich ist Loyalität das Fundament, auf dem Macht aufgebaut ist.“
Vera nickte langsam und sah, wie Dravens durchdringende blaue Augen noch einen Moment länger auf ihr ruhten. Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand im Herrenhaus, während Vera im Hof stehen blieb und das Gewicht dieser Begegnung noch immer wie eine kalte Hand auf ihr lastete.