Nachdem die Prinzessin aufgebrochen war, konnte Lex sich nun auf den Weg zum Vater des Thronfolgers machen. Er musste nicht lange suchen, denn ein Diener wartete bereits auf Lex‘ Ankunft.
„Mr. Lex? Ich wurde angewiesen, Sie in die Gästebibliothek zu bringen, wenn Sie bereit sind.“
„Gehen Sie vor“, sagte Lex und ließ sich vom Begleiter durch den Palast führen. Während er den unnötig komplizierten Weg durchquerte, musste Lex daran denken, dass er schon an einigen Orten gewesen war, in Labyrinthen und alten Verstecken. Die Pracht des Ortes schien ihn nicht mehr zu beeindrucken.
Ja, alles war reich und prunkvoll und strahlte eine extrem reine spirituelle Energie aus, die von einem herrlichen Duft begleitet wurde. Also der übliche Standard. Das hieß nicht, dass der Palast nicht spektakulär war. Er zog nur nicht mehr Lex‘ Aufmerksamkeit auf sich, wie es früher der Fall gewesen war.
Er kam an einem Innengarten vorbei, hinter einem Wasserfall aus spirituellem Wasser, durch einen Korridor, der mit miniaturisierten Sternen als Lichtquellen ausgestattet zu sein schien, über dem …
Moment mal, was?
Lex blieb stehen und schaute nach oben, kaum fähig zu glauben, was seine Sinne ihm sagten. Nein, das waren keine Lichterketten an der Decke, das waren echte Sterne, die geschrumpft und dort angebracht worden waren! Neben einem schwachen, sanften Licht schienen die Sterne eine extrem reine und doch milde spirituelle Energie auszustrahlen.
Okay, er gab es zu, das war etwas Neues für ihn.
Als er endlich die Bibliothek erreichte, stellte er fest, dass er nicht der Einzige war, der dort wartete. Neben ihm stand der Zwerg, den Lex zuvor gesehen hatte und von dem er sich bedroht fühlte. Als ob das nicht genug wäre, begleitete den Zwerg jemand aus einer Rasse, die Lex nicht kannte und der ebenfalls eine bedrohliche Aura ausstrahlte!
Außer den beiden waren noch ein paar andere da, aber Lex beachtete sie nicht. Er verspürte den starken Drang, den Zwerg sofort zum Kampf herauszufordern. Sein Körper begann zu glühen und sein Herz schlug schneller, aber kurz bevor der Drang ihn überwältigte, wandte Lex seinen Blick ab.
In seinem rechten Auge war ein schwaches Bild eines Schwertes erschienen, das jedoch langsam verblasste. Lex wurde klar, dass seine Reaktion nicht normal war, und er erkannte sofort, dass er wieder vom Schwert beeinflusst wurde. Ein würdiger Gegner schien das Schwert zu stimulieren, aber nicht genug, um Lex die Beherrschung verlieren zu lassen.
Er setzte sich in eine Ecke, schloss die Augen und begann zu meditieren.
Ihm gefiel es nicht, dass es etwas gab, das seinen Geist beeinflussen konnte, aber da er im Moment nichts dagegen tun konnte, betrachtete er es als Training für seinen Geist.
Einer nach dem anderen wurden die Leute in der Bibliothek aufgerufen und in verschiedene Räume begleitet. Es schien, als sei dies der Wartebereich für alle, die einen Termin hatten, obwohl Lex bezweifelte, dass sie alle den himmlischen Unsterblichen treffen würden.
Wie auch immer, es hatte nichts mit ihm zu tun. Er konzentrierte sich darauf, einen klaren Kopf zu behalten, bis ein Begleiter kam und ihn weiterführte. Als er den Raum verließ, schaute der Zwerg endlich in die Richtung, in die Lex gegangen war. Er war sich sicher, dass Lex ihn herausfordern würde, da er eine sehr aggressive Aura gespürt hatte, die auf ihn gerichtet war, bevor sie sich von selbst zurückzog. Nicht, dass er Angst gehabt hätte.
Als Lex endlich zum Vater des Erben gebracht wurde, war er überrascht, dass der Unsterbliche mit gekreuzten Beinen in einer Formation saß, vor ihm eine kleinere Formation, die anscheinend für Lex vorbereitet war.
Die Formationen sahen nicht nur extrem kompliziert und teuer aus, sondern er konnte auch erkennen, dass in dem Raum eine Reihe von Geistgegenständen aktiv waren, deren Verwendung er jedoch nicht bestimmen konnte.
„Setz dich“, sagte der himmlische Unsterbliche, ohne die Augen zu öffnen, und hob nur eine Hand, um Lex zu bedeuten, dass er sich in die vorbereitete Formation setzen sollte. „Bevor wir anfangen, habe ich ein paar Fragen an dich. Ich hoffe, du verstehst, dass ich nicht neugierig bin, sondern dass diese Informationen notwendig sind.“
„Bitte, frag“, sagte Lex, während er sich setzte. Es schien, als seien diese Inschriften eine noch größere Sache, als er angenommen hatte. Er hatte gedacht, dass es für jemanden, der so stark war, ein Leichtes sein würde, die Inschriften von ihm zu entfernen. Anscheinend hatte er sich geirrt.
„Erstens, weißt du, wer diese Inschriften auf deinen Körper gebracht hat?“
„Ich bin mir nicht sicher“, gab Lex zu. „Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, einer meiner Eltern.“
„Kennst du das Kultivierungsreich deiner Eltern?“, fragte er, doch dann fiel ihm etwas ein und er ließ Lex keine Gelegenheit zu antworten. „Moment mal, du bist ein Mensch. Wenn du vermutest, dass deine Eltern das getan haben, ist Jotun dann dein Vater?“
„Äh, nein, das ist er nicht, obwohl ich höchstwahrscheinlich mit ihm verwandt bin. Sein Bruder ist der Vorfahr meiner Familie. Was die Kultivierungsstufe meiner Eltern angeht, bin ich mir nicht sicher. Wir haben eine … komplizierte Beziehung.“
Der Unsterbliche konnte nicht anders, als seine Augen zu öffnen, als er Lex ansah, und unzählige unbekannte Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
„Es scheint, als würde die Menschheit mehr gedeihen, als ich gedacht habe. Deiner Antwort nach zu urteilen, weißt du nichts über die Leute, die diese Inschriften auf dich geschrieben haben, richtig?“
„Das ist richtig. Ich wusste nichts von diesen Inschriften, bis Senior Zuri mich darüber informiert hat.“
Der Unsterbliche dachte einen Moment nach, bevor er wieder sprach.
„Ich stelle dir all diese Fragen, weil der Prozess umso einfacher wird, je mehr ich weiß. In welcher Sprache diese Inschriften verfasst sind, welche Logik hinter ihnen steckt und wie sie angebracht wurden, ist selbst mir ein Rätsel. Sie sind äußerst raffiniert, da sie so angebracht wurden, dass sie Teil deines Körpers geworden sind, genauso wie dein Herz und dein Gehirn Teil von dir sind.
Sie zu entfernen, ohne dir wehzutun, wird keine einfache Aufgabe sein.“
