„Ich glaube, hier gibt’s ein Missverständnis“, sagte einer der Männer und nahm seinen Zylinder ab. „Vielleicht könnten wir das unter vier Augen besprechen.“
Von den fünf Männern wirkte dieser am gelassensten und war wahrscheinlich der Anführer der Gruppe. Lex nickte nur und führte sie in einen seiner beiden privaten Räume im Erdgeschoss. Solange sie in der Taverne blieben, war es ihm egal, wo sie redeten.
Gleichzeitig durfte er ihnen aber nicht zeigen, dass sich sein Selbstvertrauen auf die Taverne beschränkte.
Während Lex selbst einen psychologischen Vorteil behielt, gewannen die anderen Männer in den wenigen Augenblicken, die sie brauchten, um den Raum zu betreten, ebenfalls ihre Fassung zurück. Sie waren weder unerfahren, noch teilten sie die verwöhnte und verzerrte Weltanschauung ihrer Kinder. Wenn ihnen es an Selbstsicherheit mangelte, hätten sie es nicht so weit im Leben gebracht.
Der einzige Grund, warum sie zuvor aus der Fassung geraten waren, war, dass sie mit etwas Neuem und Unerwartetem konfrontiert waren. Lex verglich ihre Denkweise mit der der ursprünglichen fünf Nascent-Kultivierenden, die die Erde beherrschten. Abgesehen von Brandon, dessen mentaler Zustand mit normalen Mitteln nicht einzuschätzen war, wiesen alle anderen erhebliche Defizite auf.
„Ich glaube, wir haben uns noch nicht vorgestellt“, sagte der Anführer mit ruhiger und würdevoller Stimme. „Mein Name ist Reginald Maud, ich bin der Chef der Schiffbauerzunft, Besitzer der meisten Werften in der Gegend und Gründer der Marineforschungs- und -technik-Einrichtung.“
Auch die anderen stellten sich nacheinander vor und nannten ihren Beruf.
Sie hatten wirklich das Recht, arrogant zu sein, denn die Industrien unter ihrer Kontrolle waren zahlreich und weitreichend. Von der Bauindustrie über die Landwirtschaft bis hin zur Medizin und darüber hinaus wurde jeder Aspekt des normalen Lebens in Babylon direkt oder indirekt von diesen Männern kontrolliert.
Außerdem ließen sie durchblicken, dass sie nicht die einzigen Adligen in der Gegend waren, sondern nur diejenigen, die Babylon nahe standen, als die Dunkelheit hereinbrach und sie hier Zuflucht suchten.
Je nach Sichtweise konnte man ihre Aussage als Drohung auffassen. Lex war jedoch der Meinung, dass er diese fünf Adligen nutzen konnte, um Zugang zu den anderen zu erhalten. Das war wichtig für seine Pläne, denn obwohl die Taverne eine Möglichkeit war, Energie zu sammeln, wollte er auch nicht aufgeben, was er im Kristallreich aufgebaut hatte.
Er konnte sie nutzen, um ein tieferes Verständnis für die Region zu erlangen und ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Ihm fielen spontan viele Verwendungsmöglichkeiten ein.
„Ich bin Lex, der Besitzer der Mitternachtstaverne“, sagte er einfach. In dieser Situation war eine geheimnisvolle Vergangenheit von Vorteil.
„Freut mich, Lex. Es ist echt schade, dass wir uns unter so schwierigen Umständen kennenlernen, aber ich versichere dir, dass die Absichten hinter dem ‚Zwischenfall‘ nicht so schlimm waren, wie es aussieht. Ich muss leider zugeben, dass unsere Kinder etwas … ungewohnt sind, was die Welt da draußen angeht.
Aber letztendlich sind sie noch Kinder, und es ist noch nicht zu spät, ihnen die richtigen Umgangsformen beizubringen. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam eine Lösung finden können, um diese Angelegenheit hinter uns zu lassen und uns auf eine bessere Zusammenarbeit freuen können.“
Lex antwortete nicht sofort und verbrachte einige Zeit damit, Reginald einzuschätzen. Der Mann war definitiv beeindruckend. Nicht jeder, der großen Erfolg hatte, konnte sich so schnell an eine Bedrohung anpassen und sogar nach einer Lösung suchen, ohne sich für die Drohung zu rächen.
Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass Reginald darauf wartete, dass sie die Kinder retteten, bevor er sich an ihnen rächte, aber Lex hielt das für unwahrscheinlich. Er hatte nichts zu gewinnen und viel zu verlieren, wenn er Lex weiter verärgerte. Ein geschäftstüchtiger Mann wie Reginald würde nichts tun, was ihm keinen Gewinn einbrachte und gleichzeitig seine Sicherheit und Stabilität gefährdete.
„Wenn es wirklich nur ein einfacher Fehler war und du aufrichtig versuchst, das wieder gutzumachen, dann sehe ich eine einfache Lösung, die alle zufriedenstellt“, sagte Lex langsam, als würde er sie auf die Probe stellen. „Weißt du, ich habe diese Taverne erst vor kurzem eröffnet und bin stark unterbesetzt. Du hingegen musst deinen Kindern ermöglichen, ihren Horizont zu erweitern, und sie gleichzeitig disziplinieren.
Das ist eine Chance für uns alle. Alle Beteiligten können eine Woche lang in meiner Taverne arbeiten. Der Haupttäter muss natürlich stärker bestraft werden als die anderen und kann einen Monat lang hier arbeiten. Das ist für sie eine lehrreiche Erfahrung und gleichzeitig eine Wiedergutmachung für ihr Fehlverhalten. Wenn ihr damit einverstanden seid, können sie morgen anfangen.“
Oberflächlich betrachtet schien es, als würde Lex den Kindern als Gefallen für die fünf Herren eine milde Strafe aufbrummen, aber in Wahrheit hoffte er, durch den vermehrten Kontakt eine tiefere Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Gleichzeitig zeigte er den Kindern, indem er sie einmal zurückkommen ließ, dass er keine Angst hatte, dass sie sich nicht an die Abmachung halten würden, wodurch es so aussah, als sei Lex‘ Selbstvertrauen angeboren und habe nichts mit der Taverne selbst zu tun.
Während dieser Zeit ließ Lex die Kinder auch „zufällig“ einige der geheimnisvolleren Aspekte der Taverne miterleben, damit sie ihren Eltern davon erzählen konnten, was das Geheimnis um Lex noch mehr verstärkte.
Reginald zögerte nicht lange und nahm Lex‘ Angebot sofort an. Lex taute die Kinder auf, sodass ihre Eltern sie mit nach Hause nehmen konnten. So hatten sie Zeit, sich zu erholen, und die Eltern konnten sie in Ruhe befragen, was wirklich passiert war.
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Der Serienmörder leckte das Blut von seiner Klinge und genoss die Aufregung seines letzten Mordes. Die Dunkelheit erleichterte es ihm, seine Taten heimlich zu verüben, aber sie beschleunigte auch den Verwesungsprozess. Bald würden die Leute den seltsamen Geruch bemerken, der aus den Häusern in dieser Gegend kam, und er würde sich ein neues Jagdrevier suchen müssen.
Vielleicht sollte er die Dunkelheit nutzen und sich an eine schwierigere Jagd wagen. Er kicherte, als er aus dem Haus trat und überlegte, wohin er als Nächstes gehen sollte. Die ärmlichen Viertel von Babylon langweilten ihn bereits. Als Nächstes würde er herausfinden, ob die Reichen anders bluteten als die Armen.
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Midnight Inn, The Village
Miranda holte tief Luft, als sie durch die Vorhänge auf die riesige Menschenmenge im Auditorium blickte. Die Besucherzahl war gut, aber sie wusste nicht, ob das Ergebnis auch zufriedenstellend sein würde. Die Earth Expo würde einen Monat dauern, und wenn sie solide Unterstützung oder Finanzierung aus interstellaren Quellen bekommen könnten, würde das die Entwicklung der Erde erheblich beschleunigen.
Die Zahl der Kultivierenden war in letzter Zeit exponentiell gestiegen, aber selbst mit dem neu eröffneten Minor-Reich konnten sie nicht hoffen, den Bedarf an Ressourcen zu decken. Außerdem würde das Minor-Reich nur noch sechs Monate lang geöffnet bleiben, danach müssten sie sich selbst versorgen. Die Kolonisierung der übrigen Planeten des Sonnensystems würde dabei eine große Hilfe sein.
Dafür brauchten sie jedoch bessere Technologien und Ressourcen.
„Bist du nervös?“, fragte Bernard, der hinter ihr stand. Er war einer der Anführer des Rates der Neuen Ordnung und einer der Hauptinitiatoren der Absetzung der letzten fünf Oberhäupter der Welt.
„Ich hoffe nur, dass wir etwas zu bieten haben. Je mehr Zeit ich in der Taverne verbringe, desto mehr wird mir bewusst, wie unbedeutend die Erde wirklich ist.“
„So unbedeutend, dass ein einziger Schönheitswettbewerb von der Erde mehrere Planeten völlig in seinen Bann gezogen hat“, sagte er mit amüsierter Stimme. Bernard hatte die einzigartige Fähigkeit, selbst in den schlimmsten Situationen immer noch etwas Positives zu sehen. Er war es, der den Rat vor dem Zusammenbruch bewahrt hatte, als die holografische Frau Fernanda auftauchte, und er war es auch, der von Fernando überhaupt erst die Erlaubnis für diese Veranstaltung erhalten hatte.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte er mit seiner gewohnt ruhigen Stimme.
„Wir haben schon viele Herausforderungen gemeistert und werden das auch weiterhin tun. Unser Schicksal kann nicht von der Erde eingeschränkt werden. Sie ist lediglich die Startrampe für unsere Geschichten. Als Nächstes werden wir einen Weg finden, deine Meridiane zu reparieren, und dann kannst du wieder mit dem Kultivieren beginnen. Mit deiner verlängerten Lebensspanne brauchst du dir keine Sorgen um die Geschwindigkeit unseres Fortschritts zu machen.
Wir haben alle Zeit der Welt.“
Hoffnung und Aufregung blitzten in ihren Augen auf, aber sie ließ sich nichts anmerken. Wenn Miranda Arbeit zu erledigen hatte, durfte sie sich durch nichts ablenken lassen. Jetzt musste sie eine Expo vorbereiten und dann nur noch einen Monat Zeit, um alles Nötige zu besorgen.
Sie unterdrückte ihre Aufregung und Nervosität, ging durch den Vorhang und betrat die Bühne. Die Eröffnungszeremonie der ersten interstellaren Earth Expo hatte begonnen.
