Switch Mode

Kapitel 525: Ein violetter Schleier

Kapitel 525: Ein violetter Schleier

Der Hunger war unerträglich.

In den folgenden Tagen nahm Kain weiterhin alle Kernfragmente auf, die er finden konnte.

Obwohl Pangaea nie besser ausgesehen hatte, spürte Kain, wie es an den Rändern seines Bewusstseins nagte und mit jedem Fragment, das er aufnahm, schärfer wurde.
Anfangs war es erträglich gewesen – ein anhaltendes, aber ignorierbares Gefühl, an das er sich gewöhnt hatte. Aber jetzt, als die Energie des letzten Fragments durch ihn hindurchströmte, war es nicht mehr nur Hunger. Es war eine Forderung.

Seine Hände zitterten ununterbrochen. Wenn er überhaupt Schlaf fand, dann nur in unruhigen Phasen, und seine Träume waren erfüllt von seinem Unterbewusstsein, das unerbittlich in der Dunkelheit nach mehr von dieser violetten Energie suchte.
Die Fragmente wurden immer schwerer zu finden, ihre Energie schwächer, als würde man versuchen, einen Waldbrand mit Wassertropfen zu löschen. Dennoch jagte er sie wie besessen, wie ein Süchtiger, der jeden Stein umdrehte und jede Ritze absuchte, mit einer Verzweiflung, die Malzahir ihn misstrauisch beäugen ließ und Serenas Lippen zu einer immer dünneren Linie pressen ließ.
Dann, eines Tages, als er ein kleines, unscheinbares Fragment absorbierte – eines zu viel –, schien Kain den Wendepunkt erreicht zu haben. Etwas in ihm zerbrach.

Ein heftiger Schauer durchfuhr ihn, sein Atem stockte, als eine Welle von Kraft durch seine Adern schoss. Er taumelte, seine Sicht verschwamm an den Rändern, und ein erstickender Druck baute sich in seiner Brust auf, als würde etwas in ihm versuchen, sich zu befreien.
Seine Sicht verschwamm an den Rändern und verengte sich zu nichts als violettem Licht und dem unerbittlichen Pulsieren von etwas Gewaltigem und Unbegreiflichem unter der Oberfläche seines Bewusstseins.

„Kain.“ Serenas Stimme kam von irgendwo weit weg, verzerrt, als würde er sie durch Wasser hören. „Deine Augen …“

Dann veränderte sich die Welt um ihn herum.

Er blinzelte und plötzlich war alles anders.
Ein schwacher violetter Schleier hing an den Rändern seines Blickfelds und verzerrte die Höhle wie eine Fata Morgana.

Zuerst dachte er, es sei nur eine weitere Täuschung seines erschöpften Geistes, aber dann drehte er sich zu Serena und dem schlafenden Malzahir um – und der seltsame violette Filter war auch dort, nur schien die violette Farbe auf ihnen Dutzende Male stärker zu sein als in ihrer Umgebung.
Die violette Energie, die sie ausstrahlten, brannte vor ihm wie zwei Sonnen, so hell, dass es fast wehtat, direkt hinzuschauen. Er konnte den Energiefluss durch ihre Körper sehen – Serenas deutlich heller als Malzahirs. Es war wunderschön. Es war berauschend. Es ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen, mit einem Hunger, den kein Essen stillen konnte.
Aber als er länger auf das violette Leuchten starrte, wurde Kain klar, dass es sich nicht nur um einen seltsamen Filter, eine Lichtreflexion oder eine Halluzination aufgrund seiner Erschöpfung handelte.

Nein. Es war ein Ziel.

Die violette Farbe, die sie ausstrahlten, wirkte wie ein Leuchtsignal.
Ein feuchtes Schluckgeräusch erfüllte seine Ohren – seine eigene Kehle schluckte unbewusst, als ihm beim Anblick der beiden der Speichel im Mund zusammenlief. Seine Finger ballten sich zu Fäusten, seine Fingernägel gruben sich in die Haut und bluteten.

Ein heftiger Schauer durchlief ihn, als etwas Tiefes in ihm regte, flüsterte, drängte. Der Hunger wurde stärker, ein unerbittliches Verlangen drückte gegen seine Rippen und schnürte ihm die Kehle zu wie eine Schraubzwinge.

Verschlingen.
Er konnte sie schon fast schmecken – Serenas Energie, klar und hell wie Winterluft, Malzahirs wärmer, erdiger, mit einem scharfen Nachgeschmack von Trauer und Wut. Ein schneller Sprung. Ein Moment der Hingabe an den Hunger. Das wäre alles, was nötig wäre –

Kain schnappte nach Luft, Entsetzen schlug ihn wie eine Flutwelle.

„Nein. Das bin ich nicht. Das ist nicht real.“
Aber das Gefühl des Entsetzens, das ihn bei diesen Gedanken überkam, wurde von dem intensiven Hunger, den er verspürte, bei weitem überlagert. Noch nie hatte er Pangea so reagieren sehen, noch nie hatte er gespürt, dass ihr Hunger über die leblose Energie der Kernfragmente hinausging. Aber jetzt, zum ersten Mal, war es nicht nur das Verlangen nach Energie.

Es sehnte sich nach ihnen.

Kain taumelte zurück, schüttelte heftig den Kopf und versuchte, die aufdringlichen Gedanken zu verdrängen. „Nein“, knurrte er leise und zwang seinen Blick von ihnen weg.
Aber als er wieder hinsah, war der schwache violette Schimmer um sie herum nicht verblasst. Wenn überhaupt, war er deutlicher geworden, wie ein Umriss in der Dunkelheit. Er konnte ihr Leben spüren, ihre Energie, die unter ihrer Haut pulsierte wie der Herzschlag von etwas Warmem, etwas Lebendigem – etwas, das er sich nehmen konnte.
Sein Magen verkrampfte sich heftig. Er ballte die Fäuste so fest, dass seine Fingernägel in seine Handflächen gruben, und der scharfe Schmerz ihn in der Realität verankerte.

„Was ist los?“, fragte Serena mit fester, aufmerksamer Stimme, die den Nebel durchdrang. Zu aufmerksam.

Er durfte sie das nicht sehen lassen. Sie durfte es nicht erfahren.
„Nichts“, presste er hervor, obwohl seine angespannte Stimme ihn verriet.

Serena machte einen Schritt auf ihn zu, aber Kain wich zurück, bevor sie ihn erreichen konnte. Die Bewegung war zu schnell, zu instinktiv. Und Serena, die immer sehr aufmerksam war, bemerkte es.

„Kain.“ Diesmal war sein Name keine Frage, sondern eine leise Aufforderung.

„Sieh mich an.“

Er zwang sich mit aller Willenskraft, den Kopf zu heben.
Serena stand vor ihm, ihre blauen Augen scharf und forschend. Sie wusste es. Vielleicht nicht die Einzelheiten, aber sie wusste, dass sich etwas in ihm unwiderruflich verändert hatte, nachdem er diese Fragmente aufgenommen hatte.

Ihr Blick huschte zu seinen zitternden Händen, zu den schweißnassen Haaren, die an seiner Stirn klebten, zu seinen Pupillen, die sich so weit geweitet hatten, dass nur noch ein dünner brauner Ring um die schwarzen Augenhöhlen zu sehen war.
Bevor er antworten konnte – bevor er es überhaupt versuchen konnte – dröhnte die Stimme des Systems in seinem Kopf und schickte einen heftigen Ruck durch seinen Körper.

*SYSTEMWARNUNG: GROSSER ZUFUSS VON UNIDENTIFIZIERTER ENERGIE ERFASST.*

Die Worte erschienen in seinem Kopf wie ein Hammer, der auf Metall schlägt, scharf und erschütternd. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit sprach das System.
Sofort folgte eine zweite Meldung:

*SYSTEMHINWEIS: AUFGRUND DES UNERWARTETEN ANSTIEGS DER ENERGIEQUELLE WURDE DIE UPGRADE-ANFORDERUNG FÜR GP VORÜBERGEHEND AUSGESETZT.*
Kain hatte kaum Zeit, die Worte zu verarbeiten, bevor seine Sicht plötzlich verschwamm. Seine Knie gaben nach. Die Höhle neigte sich.

Irgendwo rief Serenas Stimme seinen Namen, aber sie klang weit weg – so weit weg. Sein Körper gehörte ihm nicht mehr, sein Geist glitt davon in etwas Unermessliches, etwas Endloses.

Der Hunger pulsierte ein letztes Mal, dann wurde alles schwarz.
*SYSTEM-UPGRADE-RICHTUNG GEÄNDERT.*

*WARNUNG: INTERNE FREMDE QUELLE ERFASST. SYSTEM-UPGRADE…*

Und dann war da nichts mehr.

Dieser Bestienbändiger ist ein bisschen komisch.

Dieser Bestienbändiger ist ein bisschen komisch.

Score 10
Status: Ongoing Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Nachdem er als Student gestorben ist, wacht Kain in einer magischen Welt auf, in der Leute sich mit spirituellen Wesen verbünden, um mit ihnen zu kämpfen. Er will unbedingt ganz nach oben kommen und verlässt sich dabei auf ein System und treue Freunde. Alles scheint seinen Ambitionen zu entsprechen – außer dass die spirituellen Wesen, die er anheuern kann, irgendwie ... seltsam sind. "Dieser Beast-Tamer ist ein bisschen seltsam" ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer und Fantasy. Geschrieben vom Autor KeepingSilent. Lies den Roman "This Beast-Tamer is a Little Strange" kostenlos online.

Comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Options

not work with dark mode
Reset