Gerade als sie mit den kleinen, schwachen Wölfen fertig war, merkte Ruo’er, dass sie keine Qi mehr hatte. Ihre Reserven waren komplett aufgebraucht. Sie sah sich um und bemerkte, dass die Leichen der Wölfe mit der Zeit zu verrotten begannen.
Sie wusste, dass das an der Technik ihres Clans lag, die sie benutzt hatte. Diese Technik zog die Kraft ihrer Blutlinie in Anspruch. Sie hatte diese Technik erst kürzlich gelernt und sich darauf konzentriert, sie zu perfektionieren.
*Woosh!*
Gerade als sie in Gedanken versunken war, riss sie ein lautes Geräusch, etwas, das sich bewegte, aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und sah einen riesigen Wolf in der Luft, der in ihre Richtung sprang.
Als sie die scharfen Zähne des riesigen Tieres sah, das sich auf sie stürzte, geriet Ruo’er nicht in Panik. Stattdessen zeigte sich ein Ausdruck der Erleichterung in ihren Augen, bevor sie sie resigniert schloss: „Bruder Tian, vielleicht kann ich jetzt bei dir sein …“
Erinnerungen an die Zeit, die sie mit Long Tian verbracht hatte, blitzten vor ihren Augen auf, als sie bereitwillig den Tod empfing.
*Klirrrr!*
„Wie erbärmlich!“ Das unvermeidliche Ende, auf das sie gewartet hatte, kam nicht, sondern sie hörte eine kalte Stimme, die ihren Körper vor Angst zittern ließ. Sie öffnete die Augen und sah jemanden, den sie in diesem Moment am wenigsten sehen wollte, aber im nächsten Moment weiteten sich ihre Augen.
Noah stand vor ihr und sah sie direkt an. Sie konnte den Ausdruck des Ekels in seinen Augen sehen, der ihr galt.
Obwohl sie das Geräusch von Metall auf Metall gehört hatte, hätte sie nie gedacht, dass es von Noahs Schulter kam, die sich mitten in den Kiefern der Bestie befand.
Noah hatte seine Drachenform angenommen, und die Bestie versuchte, seine Schuppen zu durchbeißen, konnte ihnen aber nicht einmal einen Kratzer zufügen.
*Platsch!*
Plötzlich schoss ein Schwanz aus Noahs Rücken hervor, durchbohrte den Schädel des Wolfes und tötete ihn mit einem Schlag.
*Thud!*
Ruo’ers Augen folgten dem leblosen Körper des riesigen Wolfes, der wie eine Ameise getötet auf den Boden fiel.
„Du bist hierhergekommen, um zu sterben?“ Als sie den kalten Blick in seinen Augen sah, wich Ruo’er nicht zurück, sondern sah ihm mit zusammengebissenen Zähnen in die Augen. Ihre Beine waren kurz davor, nachzugeben; sie zitterten wie ein Blatt im Sturm.
„Was geht dich das an?“, sagte Ruo’er kalt und sah Noah an, als wäre er der Mensch, den sie am meisten hasste.
„Ich kann verstehen, dass Bruder Tian nichts mit dir zu tun hat, aber du …“
*Woosh!*
Obwohl sie den Hass und den Mangel an Qi spürte, zwang Ruo’er ihren ganzen Körper, mit ihrer Klinge nach Noah zu schlagen.
*Clang!*
Das Ergebnis war das gleiche, als wäre sie in Bestform gewesen. Die Klinge prallte von Noah ab und sie taumelte wegen des Rückstoßes zurück.
*Klirrrr!* *Klirrrr!* *Klirrrr!* *Klirrrr!*
„Du … hast seinen Körper benutzt, um deinen eigenen Körper zu erschaffen … Und jetzt hältst du mir eine Predigt?“, schrie sie aus voller Kehle, während Noah einfach nur schweigend dastand und sie mit ihrem Schwert auf ihn einschlug. „Du hast Bruder Tian vielleicht nicht getötet, aber du hast ihm seine Mutter weggenommen. Warum sonst hätte sie dir seinen Körper so einfach überlassen?
Sie ist nicht einmal würdig, Mutter genannt zu werden –“
Bevor sie sich versah, verlor sie sich in ihrer Wut und sagte alles, was ihr in den Sinn kam. Ihre Angriffe wurden immer stärker, je mehr sie sich an den Druck gewöhnt hatte. Doch plötzlich erstarrte sie, als sie spürte, wie ihr Instinkt sie anschrie.
*Woosh!*
Sie sah sich um und bemerkte, dass der Wind wie verrückt zu wehen begann und sich Wolken über ihrem Kopf zusammenzogen.
*Knack!*
Donner grollte über ihren Köpfen, und sie spürte, wie ihr Blut in ihren Adern zu kochen begann. Sie konnte nicht anders, als einen Schauer über ihren Rücken laufen zu spüren.
Zuerst dachte Ruo’er, dass Noah das war, weil er sie so kalt ansah, aber im nächsten Moment wurde sie eines Besseren belehrt.
*Woosh!*
*Smack!*
„Hör auf, Elysia!“ Noahs rechter Flügel schützte sie, als eine riesige Baumwurzel wie eine Peitsche auf das dunkelhäutige Mädchen zuschoss. Die Wurzel traf Noahs Flügel und hinterließ eine Prellung auf der schwarzen, lederartigen Haut.
Als Ruo’er sah, wie viel Kraft in diesem Schlag steckte, fiel sie auf die Knie und starrte mit verlorenem Blick auf Noahs Flügel. Sie erinnerte sich, wie Noah jemanden gerufen hatte und eine wunderschöne Frau aus dem Nichts aufgetaucht war.
Zu einem anderen Zeitpunkt wäre sie von der Schönheit der Frau fasziniert gewesen, aber als sie den Blick in den Augen der Frau sah, spürte sie ihren Körper nicht mehr.
„Warum hast du mich daran gehindert, sie zu töten, Noah? Sie will sterben, lass mich ihren Wunsch erfüllen. Ich werde ihre Seele in die Vergessenheit verbannen.“ Elysia leuchtete in einem ätherischen Licht, als sie Ruo’er ansah, als würde sie eine Tote betrachten.
„Du weißt, dass sie nur Unsinn redet, weil sie wütend ist“, versuchte Noah Elysia zur Vernunft zu bringen, ohne den Blick von dem Mädchen auf dem Boden abzuwenden.
„Das sagst du, aber du machst ein Gesicht wie …“ Elysia sah Noah mit schmerzverzerrtem Gesicht an und rief ihn an. Ruo’er folgte ihrem Blick und sah Noah ins Gesicht, woraufhin sich ein Ausdruck des Entsetzens auf ihrem Gesicht abzeichnete.
Noahs Gesicht war nicht mehr so ruhig und sanft wie zuvor, stattdessen hatten sich seine Augen in seine Drachenform verwandelt und seine Zähne waren an den Rändern etwas scharf geworden. In diesem Moment fürchtete sie Noah mehr als jeden anderen.
Sie konnte förmlich spüren, wie seine Augen sie anschrien, dass er sie und ihre Familie genauso zerreißen wollte, wie es der Wolf gerade vorhatte.
Als er ihre Worte hörte, blieb Noah still und atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
„Du hast eine Grenze überschritten, die du nicht hättest überschreiten dürfen, auch nicht in deiner Wut.“ Elysia sah das Mädchen an und sagte mit kalter Stimme, während sie mit den Händen winkte. Kleine Wurzeln begannen sich um Ruo’er zu winden, umschlangen jeden Teil ihres erstarrten Körpers und zogen sie in die Luft.
