Der Duft von Weihrauch hängt in der Luft und vermischt sich mit dem süßen Aroma von Wein. Seidenvorhänge flattern sanft im schwachen Schein der Laternen und tauchen die riesige Privatgemächer des Königs in goldenes Licht.
König Rewalt liegt auf einem Berg von Samtkissen, seine Tunika halb geöffnet, und der Schweiß auf seiner Brust verrät, wie sehr ihn die letzten Ereignisse belastet haben. Seine Finger gleiten träge über die Kurven der Frau, die auf seinem Schoß sitzt – eine seiner Lieblingskonkubinen, eine schwarzhaarige Schönheit.
Sie lehnt sich an ihn, ihre Lippen streifen seinen Hals, ihre Stimme ist ein leises Schnurren. „Lass mich deine Last von deinen Schultern nehmen, mein König … Nur für eine Weile.“
Seine Hand umklammert ihre Hüfte. „Du weißt immer genau, wann ich dich brauche“, murmelt er mit tiefer, erschöpfter Stimme. „Diese verdammten Monster … endlose Berichte, Streitigkeiten im Rat. Selbst der Wein schmeckt nicht mehr so wie früher.“
Sie kichert, beugt ihren Rücken und legt ihre Hände hinter seinen Nacken. „Dann lass mich deine Flucht sein.“
Ihre Bewegungen sind langsam und neckisch, ihre Augen auf ihn gerichtet, während sie sich sanft wiegt. Geräusche der Lust und geflüsterte Versprechen erfüllen den Raum, gedämpft nur durch den Seidenbaldachin über dem Bett.
Rewalt stöhnt, die Anspannung sinkt aus seinen Schultern, während er sich tiefer in den Moment versenkt. Für einen Moment fühlt sich das Gewicht seiner Krone nicht ganz so erdrückend an.
Dann – ein Klopfen.
Scharf. Dringlich.
Der König runzelt die Stirn.
Noch einmal.
„Eure Majestät! Ein dringender Bericht – es kann keinen Moment länger warten!“, ertönt eine Stimme von der anderen Seite der schweren Eichentür.
Rewalt knurrt leise. „Jetzt?“
Die Konkubine erstarrt auf seinem Schoß und wirft ihm einen besorgten Blick zu. „Soll ich sie wegschicken?“
Er atmet tief aus, seine Laune verschlechtert sich zusehends. „Nein. Wenn hier jemand klopft, ist es etwas Ernstes.“
Er richtet seine Robe und bedeutet ihr, beiseite zu treten. Sie tut es, hüllt sich leise in einen Seidenschal und verschwindet hinter einem Vorhang.
„Herein“, befiehlt Rewalt.
Die Türen schwingen auf. Ein junger königlicher Bote stürmt herein, außer Atem, Schmutz und Asche kleben noch an seinem Umhang.
Der Junge kniet sofort nieder. „Verzeiht mir, Eure Majestät, aber ich wurde angewiesen, dies unverzüglich zu Euch zu bringen.“
Rewalt steigt von seinem Podest herunter, zieht seinen Umhang enger um sich und in seinen Augen braut sich bereits ein Sturm zusammen. „Sprich, Junge. Was gibt es?“
Der Bote schluckt schwer. „Ordeya ist gefallen, Majestät. Königin Seraphina … ist tot.“
Für einen Moment scheint der Raum still zu stehen – nur das entfernte Knistern des Kamins wagt es, die Stille zu durchbrechen.
„… Was hast du gesagt?“, fragt er mit leiser Stimme, fast flüsternd.
Der Bote senkt den Kopf noch tiefer und zittert unter der Last der Nachricht. „Marschall Medren wurde in der Schlacht getötet. Die Königin hat ihre letzte Waffe aktiviert … aber sie wurde neutralisiert. Die Monster haben die Hauptstadt eingenommen. Ordeya ist … gefallen, Eure Majestät.“
Rewalts Lippen öffnen sich leicht, als wolle er etwas sagen – aber es kommen keine Worte. Er starrt an dem Jungen vorbei, den Blick unkonzentriert, die Brust hebt und senkt sich langsam und flach.
Rewalt sinkt langsam in einen Stuhl am Feuer, sein Gesicht ist blass, als die Hitze des Augenblicks aus ihm weicht. Er beugt sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, die Finger an die Lippen gelegt. Die Stille wird dichter.
„… In nur einem Tag …“, murmelt er. „Und Ordeya … alles ist verloren.“
Die Konkubine tritt hinter dem Vorhang hervor, den Schal fest an ihre Brust gedrückt. „Mein König?“, flüstert sie und zögert, näher zu kommen.
Rewalt hebt langsam den Kopf, seine Augen sind von einer seltenen Angst erfüllt. „Weißt du, welche Macht Seraphina besaß?“ Seine Stimme ist jetzt rau und von Furcht gefärbt.
„Ordeya hatte einen Trumpf, den sogar ich fürchtete. Eine göttliche Waffe, die vom ersten König hinterlassen wurde – Sorrow’s End. Und sie wurde zerstört. Überwältigt.“
Er schlägt mit der Faust auf die Armlehne. Das Knacken hallt durch den Raum. „Was in Gottes Namen ist das für ein Monster?“
Der Bote wagt einen leisen Atemzug. „Der Bericht behauptet, er habe einen Schild beschworen. Etwas, das die Explosion absorbiert hat.“
Er murmelt, mehr zu sich selbst als zu den anderen: „Soll ich eine Nachricht über das Meer schicken … die anderen Kontinente um Hilfe bitten?“
Die Konkubine kniet neben ihm, ihre Augen voller Sorge. „Würden sie antworten, Eure Majestät?“
Ein bitteres Lächeln huscht über Rewalts Lippen. „Sie sehen uns nur als ein hartnäckiges altes Bergkönigreich. Sie würden über unsere Bitte lachen – wenn sie überhaupt antworten würden.“
Es herrscht Stille.
Dann steht Rewalt auf, seine Robe fällt leicht auseinander und er ragt über dem Feuerlicht auf.
„Ich werde nicht betteln.“ Seine Stimme ist jetzt kalt wie Stahl. „Aber ich werde auch nicht warten, bis ich der Nächste bin. Schick einen Raben zur östlichen Wache. Ich will, dass alle Späher die Grenze beobachten.“
Er wendet sich an den Boten. „Bring mir den Kopf der Hofmagier. Sofort.“
Der Junge verbeugt sich und rennt aus dem Raum.
—-
In Blackfall City – dem einst stolzen Herzen von Ordeya – steht der prächtige Palast jetzt unter einer neuen Flagge. Seidenbanner mit dem Wappen von Alix‘ Königreich hängen von hohen Säulen. In der Thronhalle ist es still, bis auf das Knarren von Rüstungen und gelegentliches flaches Atmen.
Alix sitzt auf dem hohen Thron, der aus Obsidian geschnitzt ist und von purpurrotem Licht durchzogen ist, das wie ein Herzschlag pulsiert. Er lehnt sich leicht zur Seite, eine Hand ruht auf der Armlehne, die andere liegt lässig über seinem Bein. Seine Augen sind halb geschlossen, aber wachsam.
Vor ihm knien in einer Reihe die überlebenden Adligen von Ordeya – Herzöge, Barone, Seraphinas alternde Onkel. Die einst stolze Blutlinie ist nun gebeugt und zittert. Einige trauen sich nicht einmal, den Kopf zu heben. Angst durchzieht sie wie dichter, erstickender Rauch.
Alix spricht. Seine Stimme ist leise, aber sie durchschneidet die Stille wie ein Messer.
„Erhebt euch.“
Die Adligen zögern. Dann heben sie langsam und zitternd nacheinander ihre Köpfe und stehen auf, ihre Blicke richten sich auf den Thron. Keiner wagt es, als Erster zu sprechen.
Alix mustert sie noch einen Moment lang schweigend und lässt die Last seiner Worte auf sie wirken.
„Ihr nennt euch das Blut von Ordeya“, sagt er mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme. „Und doch seid ihr hier. Ihr kniet vor dem Mann, der eure Mauern zerstört hat.“
Einige zucken zusammen. Ein älterer Adliger, vielleicht Seraphinas Onkel, presst die Kiefer aufeinander, sein Stolz kämpft mit seiner Angst.
Alix‘ Blick fällt auf ihn. „Sprich.“
Der Mann räuspert sich und versucht, sich zu beruhigen. „Wir haben nicht gegen Euch gekämpft, Eure Majestät. Wir sind in der Hauptstadt geblieben, um das Volk zu beschützen … nachdem Königin Seraphina das Artefakt aktiviert hatte …“
„… und gescheitert ist“, beendet Alix mit ruhiger Stimme.
Stille. Die Adligen senken wieder den Blick.
„Aber ich bin nicht hier, um Leben zu verschwenden“, fährt Alix fort. „Ich bin hier, um etwas Stärkeres aufzubauen. Und ihr“, sein Blick schweift über sie, „ihr werdet mir jetzt dienen. Oder ihr werdet niemandem dienen.“
Ein jüngerer Adliger, vielleicht zu naiv oder zu verzweifelt, wagt eine Frage. „Und … was willst du von uns, Eure Majestät?“
Alix lächelt schwach. Nicht grausam – aber kalt und entschlossen.
„Loyalität. Gehorsam.“
Alix‘ Blick verweilt noch einen Moment länger auf den Adligen. Dann sagt er mit ruhiger Endgültigkeit ein einziges Wort:
„Gander.“
Eine Welle der Unruhe geht durch die Adligen, als die bedrückende Stille durch das leise Kratzen von Metallkrallen auf poliertem Stein unterbrochen wird.
Aus den Schatten neben dem Thron taucht eine Gestalt auf – groß, gebeugt, in mehrere Lagen zerfetzter schwarzer und violetter Roben gehüllt, die mit Knochenfragmenten und getrockneten Sehnen zusammengenäht sind. Seine langen Gliedmaßen bewegen sich mit bedächtiger, unnatürlicher Anmut. Das flackernde Licht der Laternen offenbart blasse, papierartige Haut, die sich über einen drahtigen Körper spannt, unter dem die Knochen deutlich hervortreten.
Ganders Kopf ist eine groteske Maske aus zusammengeflicktem Fleisch, das mit schwarzem Faden zusammengenäht ist. Ein rostiger Bronzekranz schwebt knapp über seiner kahlen Kopfhaut, ohne ihn zu berühren, gehalten von einer unsichtbaren Kraft. Anstelle seiner Augen schweben zwei kleine Kugeln aus leuchtend grünem Nebel in leeren Augenhöhlen, flackernd und pulsierend wie gefangene Seelen.
In seiner knorrigen Hand umklammert er einen hohen Stab, dessen Schaft wie verkohltes Holz verdreht ist und an dessen Spitze ein gebleichter menschlicher Schädel thront, dessen Kiefer gelegentlich zuckt, als würde er sich daran erinnern, wie man schreit. Während Gander sich bewegt, sind leise Flüstern aus dem Schädel zu hören, in einer Sprache, die kein lebender Adliger versteht.
[Statusfenster – Gander]
Rasse: Unbekannt
Klasse: Fluchmagier
Stufe: 625
Stufe: 6
Titel: Flüstern des Verfalls
Affinität: Nekrose, Bindungsrituale, Seelenbrand
Die Adligen weichen instinktiv zurück, als Gander in ihr Blickfeld tritt und die Luft um ihn herum kälter und schwerer wird. Sogar die Fackeln werden etwas schwächer.
Alix deutet träge auf die Adligen, ohne sich zu erheben.
„Das ist Gander“, sagt er. „Einer meiner treuesten Untergebenen. Er ist auf Flüche spezialisiert – alte, bindende Flüche. Die Art, die Mauern, Blutlinien und Gebete ignoriert.“
Gander bleibt in der Mitte der Halle stehen. Er richtet seinen augenlosen Blick auf die Adligen, die nun steif wie Statuen dastehen und Schweißperlen an ihren Hälsen herunterlaufen.
Alix fährt fort, seine Stimme sanft wie Seide, die über eine Klinge gezogen wird.
„Jeder von euch wird markiert werden. Zuerst werdet ihr keinen Schmerz spüren – nein. Der Schmerz kommt später. Zunächst werdet ihr nichts fühlen. Vielleicht ein Ziehen, wenn ihr lügt. Ein Schaudern, wenn ihr an Verrat denkt. Aber wenn ihr euch gegen mich stellt …“
Er macht eine Pause und beendet seinen Satz dann kühl.
„Dann werdet ihr sterben. Schnell. Grausam. Vor den Augen aller, die ihr jemals geliebt habt.“
Ein Adliger stößt einen leisen Schrei aus. Ein anderer murmelt leise ein Gebet. Niemand wagt sich zu bewegen.
Gander hebt seinen Stab, und der Schädel an seiner Spitze ächzt, seine Augenhöhlen leuchten bösartig grün.
„Ich binde euch“, intoniert Gander mit einer Stimme, die wie trockene Blätter klingt, die über Stein gezogen werden. „Die Seele an den Eid. Das Fleisch an den Willen. Der Verstand … an die Konsequenz.“
Dunkle Runen flackern unter den Füßen der Adligen auf, pulsieren und klettern in gezackten, ätherischen Spuren an ihren Körpern empor, bevor sie unter der Haut verschwinden. Ein Adliger schreit auf, als der Fluch sich in sein Fleisch brennt – aber Gander macht keine Pause.
Als das letzte Siegel verblasst, senkt Gander seinen Stab. Es kehrt wieder Stille ein.
Alix‘ Stimme ist ruhig.
„Da. Jetzt verstehen wir uns.“