Als Alix und Grixx tiefer in das mit Netzen übersäte Gebiet vordringen, hallt ein leises Geräusch durch den dichten Wald – ein Klicken und Rascheln, das mit jeder Sekunde lauter wird.
„Da kommt was“, sagt Alix ruhig und schaut mit seinen blutroten Augen in die Richtung, aus der das Geräusch kommt.
Kurz darauf taucht eine Gruppe spinnenähnlicher Monster aus den Schatten auf, deren glänzende Exoskelette das schwache grüne Leuchten des Miasmas reflektieren. Ihre vielen Augen funkeln bösartig, während sie näher kriechen und in einer Symphonie der Aggression zischen und klicken.
Alix bleibt regungslos stehen, sein Gesichtsausdruck ist ausdruckslos. Er deutet leicht in Richtung Grixx. „Kümmere dich um sie.“
„Ja, Eure Majestät“, sagt Grixx mit einem scharfen Nicken und zieht sein massives, gekrümmtes Schwert. Obwohl die Feinde deutlich schwächer sind als er, sind seine Bewegungen bedächtig und übertrieben, als würde er eine Show abziehen.
Mit einem mächtigen Schwung spaltet Grixx‘ Klinge fast die Hälfte der Gruppe mit einem einzigen Hieb.
Die Wucht seines Angriffs lässt einen Windstoß durch den Miasma wehen, der die leblosen Spinnenmonster zu Boden schleudert. Er dreht die Klinge in seinen Klauen, nimmt eine dramatische Pose ein und erledigt den Rest der Gruppe mit ebenso extravaganten Bewegungen.
Als das letzte Monster fällt, dreht sich Grixx zu Alix um, die Brust vor Stolz geschwellt.
„Alle Feinde neutralisiert, Eure Majestät.“
Alix‘ Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Belustigung und Verärgerung.
„Hey, übertreib’s nicht“, sagt er mit scharfem Tonfall, der jedoch von einem leichten Grinsen unterlegt ist. „Wir wollen doch nicht, dass Thurn vor Angst flieht, bevor wir ihn überhaupt erreichen.“
Grixx richtet sich auf, und ein Anflug von Verlegenheit huscht über sein reptilienartiges Gesicht. „Verstanden, Eure Majestät. Ich werde … nächstes Mal effizienter sein.“
Hoch oben im Blätterdach eines riesigen, uralten Baumes ruht ein kolossaler männlicher Arachne an den Stamm gelehnt, seine langen Beine faul ausgestreckt. Thurns dunkler Panzer schimmert schwach im gefilterten Licht des Miasmas. Seine acht blutroten Augen sind geschlossen, aber die Vibrationen, die durch die mit Waldnarben verbundenen Stränge nach oben wandern, alarmieren ihn.
Er rührt sich, seine Mandibeln klappern leise, als er die Augen öffnet und jeden Faden in seinem Revier absucht.
„Das ist eine Überraschung“, murmelt Thurn mit tiefer, hallender Stimme, in der ein leichter Unterton von Verärgerung mitschwingt. „Der Eindringling hat diesmal meine erste Verteidigungslinie so leicht überwunden. Wer könnte das sein?“
Er streckt seine langen, spindeldürren Beine und knackt dabei mit den Gelenken, während er nachdenkt. „Hat einer der Monsterkönige beschlossen, mich anzugreifen? Unwahrscheinlich. Der Plan steht kurz vor der Umsetzung – das würden sie jetzt nicht riskieren.“
Thurn kneift die Augen zusammen, und seine gereizte Miene weicht Neugier. Er klickt mit den Mandibeln und deutet auf eine kleinere Arachne, die in der Nähe herumkrabbelt.
„Du“, befiehlt Thurn in befehlendem Ton. „Geh und sieh nach, wer in meinem Revier Unruhe stiftet. Melde dich sofort zurück. Greife sie nicht an.“
Die kleinere Arachne senkt den Kopf, ihre vielen Augen spiegeln Angst und Respekt wider. „Ja, Lord Thurn. Ich werde mit Neuigkeiten zurückkehren.“
„Beeil dich“, sagt Thurn mit immer kälterer Stimme.
Der kleinere Arachne huscht mit geübter Leichtigkeit den Baum hinunter und verschwindet in dem dichten Netz darunter. Thurn lehnt sich wieder gegen den Stamm.
„Interessant“, murmelt er vor sich hin, während sich seine Lippen zu einem leichten Grinsen verziehen. „Mal sehen, wer mutig genug ist, sich in mein Revier zu wagen.“
—
Alix und Grixx dringen tiefer in Thurns Territorium vor, wo das dichte Netz, das die Bäume und den Boden bedeckt, immer bedrückender wird. Die klebrigen Fäden glitzern schwach im Dunst und reflektieren ein unheimliches grünes Licht.
Alix hebt die Hand und wirft einen schwachen Feuerball. Die kleine Flammenkugel schießt nach vorne, entzündet ein Gewirr aus Netzen und macht einen schmalen Weg frei.
„Das Revier von diesem Typen ist echt nervig“, murmelt Alix und schießt einen weiteren Feuerball auf ein besonders dichtes Netz, das zwischen zwei riesigen Bäumen gespannt ist. Die Flamme verbrennt es und hinterlässt nur noch schwelende Asche.
Grixx beobachtet seinen König mit entschlossenem Blick. „Eure Majestät“, sagt er und tritt vor, „soll ich Ihnen den Weg freimachen?“
Alix hält in seiner Bewegung inne und dreht sich zu Grixx um. Der Echsenmensch sieht ernst aus, sein riesiges Schwert ruht auf seiner Schulter, bereit zum Schlag. Alix seufzt und reibt sich die Schläfe.
„Ich hab’s dir schon gesagt“, sagt Alix mit einer Mischung aus Verärgerung und Belustigung. „Das ist das Letzte, was wir wollen – Thurn verscheuchen, bevor wir ihn überhaupt zu Gesicht bekommen.“
Grixx richtet sich auf, sichtlich enttäuscht, nickt aber. „Verstanden, Eure Majestät.“ Er tritt zurück und senkt seine Waffe.
Alix schüttelt den Kopf und räumt mit kleinen Feuerbällen und Gedanken weiter die Spinnweben weg. „Ehrlich, ein Level 500 könnte diesen ganzen Bereich mit einer einzigen Fertigkeit der Stufe 5 auslöschen. Aber nein, wir müssen es auf die harte Tour machen.“
Alix wirft einen Blick zurück zu Grixx, der offenbar darauf brennt, seine ganze Kraft einzusetzen.
Es gibt einen Grund, warum Level 500 in dieser Welt ein Meilenstein ist – der Sprung in der Stärke ist gewaltig. Alix denkt an die Mechanik des Spiels zurück, an die Regeln, die seinen Aufstieg zur Macht bestimmt haben. Level 500 ist nicht nur eine Zahl, es ist eine Verwandlung. Auf diesem Level wird Fliegen zur Selbstverständlichkeit und Tier-5-Fähigkeiten, seltene und vernichtende Fertigkeiten, werden zugänglich.
Im Spiel haben die meisten NPCs der Stufe 500 bestenfalls ein oder zwei Fähigkeiten der Stufe 5. Fähigkeiten der Stufe 5 kann man nicht einfach im NPC-Shop kaufen – sie sind Schätze, die man in Dungeons findet, und das auch nur, wenn man Glück hat. Aber Alix‘ königliche Wachen sind eine Ausnahme. Jeder von ihnen verfügt über drei bis vier Fähigkeiten der Stufe 5, ein Beweis für die Macht seines Königreichs.
„Eure Majestät“, sagt Grixx nach einem Moment und unterbricht Alix‘ Gedanken, „wenn wir auf Thurn treffen, soll ich mich zurückhalten oder soll ich seine Stärke testen?“
Alix lächelt leicht, seine blutroten Augen glänzen im schwachen Licht des Miasmas. „Teste ihn“, sagt er mit ruhiger, aber befehlender Stimme. „Aber töte ihn nicht. Wir brauchen ihn lebendig.“
Grixx nickt kurz und umklammert sein Schwert fester.
„Verstanden, Eure Majestät.“
Gerade als sie weiter durch das dichter werdende Gewebe gehen, bleibt Grixx plötzlich stehen. Seine Nasenflügel flattern und seine goldenen Augen verengen sich.
„Ich spüre eine heimliche Kreatur in der Nähe, Eure Majestät.“
Alix‘ Blick huscht zu den Schatten um ihn herum und seine Sinne schärfen sich.
„Ich weiß. Geh und fang sie.“