„Oh, oh!“, fügte Whisker hinzu, und alle konnten im Hintergrund das Knirschen von Popcorn hören.
„Fast vergessen! Ich habe diese Audioaufnahme so eingestellt, dass sie kurz vor eurem Eintreten abgespielt wird. Kleine Vorwarnung: Wenn ihr den Raum betretet, macht euch auf etwas gefasst. Sobald ihr drin seid, gibt es kein Zurück mehr. Entweder ihr schafft es … oder ihr sterbt. Es gibt keinen Mittelweg! Denkt also gut darüber nach, bevor ihr euch entscheidet, hineinzugehen. Wie auch immer, viel Glück und gern geschehen!“
Die Aufnahme endete abrupt und hinterließ eine ohrenbetäubende Stille im Saal.
Atticus blinzelte schnell, viel zu geschockt, um etwas zu sagen. Selbst Ozeroth schwieg, beide versuchten zu verarbeiten, was gerade passiert war.
Meinte er das gerade ernst?
Schließlich brach Ozeroth das Schweigen. „Verdammt. Was für ein Verrückter.“
Atticus hatte nicht die Absicht, ihm zu widersprechen. Verrückt war das einzige Wort, das Whisker beschreiben konnte.
Der Mann schien jedoch amüsiert zu sein. Er summte nachdenklich, seine Stimme hallte durch den Raum.
„Hmm. Also war es dieses Biest, das dich hierher geschickt hat. Interessant.“
Atticus‘ Augen wurden scharf. „Er kennt Whisker?“
Der Mann nickte leicht, als könne er seine Gedanken lesen. „Ich muss zugeben, ich war von seiner einzigartigen Kraft überrascht. Aber es scheint, dass seine Stärke nicht das Einzige ist, was ihn auszeichnet.“
„Er war schon einmal hier“, wurde Atticus klar.
Als dieser Gedanke sich festsetzte, schwirrten seine Gedanken. Wenn Whisker schon einmal hier gewesen war, warum hatte er ihm dann nicht einfach von der Geschichte erzählt? Warum zwang er ihn, all das durchzumachen?
Atticus umklammerte sein Katana fester und sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich.
„Wenn ich hier rauskomme, werde ich dieses Biest in Stücke reißen.“
Er wollte nichts lieber, als diesen Gedanken in die Tat umzusetzen.
Plötzlich wurde die Luft schwerer und Atticus fröstelte bis auf die Knochen. Eine bedrückende Last lastete auf seinem Körper.
Sein Blick heftete sich auf den Mann, dessen Aura sich veränderte, dichter und erstickender wurde und von einer Intensität erfüllt war, die den Raum erzittern ließ.
Atticus‘ Herz pochte und sein Atem ging schneller, während er beobachtete, wie sich der Körper der Gestalt veränderte.
Schuppen, so dunkel wie Obsidian, bedeckten seine Haut und strahlten Macht aus. Purpurrote Augen, die von der Tödlichkeit der Vampyros glühten, starrten ihn an.
Spuren jeder Rasse zeigten sich in der Gestalt des Mannes: die scharfen, kantigen Züge der Evolari, die brennende Glut des Drachenfeuers, das gespenstische Leuchten eines Requiem.
Er gehörte nicht mehr zu einer einzigen Rasse. Er war alle.
Atticus nahm eine kämpferische Haltung ein und hielt sein Katana fest in der Hand. Sein kalter, berechnender Blick blieb auf die Gestalt gerichtet.
Er spürte es in seinen Knochen. Es ging um Leben und Tod.
„Bond.“
Atticus kniff die Augen zusammen. Jetzt war nicht die Zeit für Dramatik. Er bedeutete Ozeroth mit einer Geste, schnell zu sprechen.
Die Stimme des Geistes war leise und voller Scham.
„Du hast keine Optionen mehr. Und es tut mir leid, aber ich kann dir nicht helfen.“
Atticus erstarrte und fragte sich, was der Geist ihm sagen wollte.
„Unsere Macht in dieser unteren Welt ist begrenzt“, fuhr Ozeroth mit grimmiger Stimme fort. „In der Geisterwelt wäre das anders. Aber hier? Das ist nicht mein Reich. Was letztes Mal passiert ist, kann leider nicht noch einmal passieren.“
Atticus‘ Gedanken rasten. Er dachte an den Kampf mit Blackgate in der Vergangenheit, als Ozeroths überwältigende Energie ihn durchströmt und seine Kraft vorübergehend auf ein unglaubliches Niveau gesteigert hatte.
Aber das war nur während ihres Bindungsprozesses möglich gewesen. Die überschüssige Energie war dafür gebraucht worden. Es war ein einmaliges Ereignis, das sich nicht wiederholen ließ.
Ozeroths Stimme klang ernst. „Du bist jetzt auf dich allein gestellt. Und es gibt nur einen Weg, der dich weiterbringt.“
Atticus‘ Herz pochte in seiner Brust. Er wusste, worauf Ozeroth anspielte.
Die vierte Kunst. Der einzige Weg, um weiterzukommen, war, das Reich der Katana zu betreten und sie freizuschalten. Nur so konnte er die Kraft erlangen, die er brauchte.
Aber die Risiken waren enorm.
„Es ist gefährlich. Ich könnte sterben. Die Chancen stehen …“
Ozeroth unterbrach seine Gedanken mit der harten Wahrheit. „Du wirst hier mit Sicherheit sterben, wenn du es nicht versuchst. Nutze deine Chance, Bond.“
Atticus atmete langsam aus und zwang sich, ruhig zu bleiben. Ozeroths Worte waren hart und unverblümt, aber sie waren einfach die Wahrheit. Es war entweder der sichere Tod oder eine Chance zu überleben.
Die Entscheidung war klar.
Die Gestalt machte einen Schritt nach vorne, ihre Präsenz erschütterte den Raum um sie herum.
„Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir aufhören zu spielen.“ Seine Stimme dröhnte tief und donnernd und hallte wie der Trommelschlag des Untergangs durch die Luft. „Ich schlage vor, du gibst alles. Ich werde jetzt ernst machen.“
Der Boden unter ihm barst, als er näher kam, und jeder seiner Schritte sandte Schockwellen aus. Die Sterne über ihnen flackerten und verblassten unter dem Gewicht seiner Aura.
Atticus umklammerte sein Katana fester. Aber anstatt anzugreifen, schloss er die Augen.
Die Gestalt hielt inne und hob eine Augenbraue. „Hmm. Was hast du vor?“
Im Handumdrehen verschwand die Gestalt und tauchte vor Atticus wieder auf. Ihre Faust, umhüllt von brennender Energie, schoss mit unerbittlicher Geschwindigkeit auf Atticus‘ Kopf zu.
Gerade als sie ihn treffen wollte, murmelte Atticus ruhig:
„Raumdomäne.“
BOOM!
Ein dunkles Licht brach aus Atticus hervor und durchdrang die endlose Leere über ihm. Die Schockwelle war so heftig, dass die Faust des Mannes für einen kurzen Moment in der Luft stehen blieb, während die Wucht durch den Saal hallte und die Grundfesten des Raumes erschütterte.
Der Blick des Mannes flackerte überrascht, bevor sein Gesichtsausdruck wieder gleichgültig wurde. „Nutzlos“, murmelte er und drängte vorwärts.
Die Faust bewegte sich erneut und spaltete die Luft, als sie auf Atticus herabfiel.
Dann –
Die Welt stand still.
Der Raum erstarrte und die Zeit schien stillzustehen. Die Faust der Gestalt hing in der Luft, nur wenige Zentimeter von Atticus‘ Kopf entfernt, während alles um sie herum in Stille versank.
Atticus‘ Bewusstsein wurde weggerissen und driftete in die Leere.
Ozeroths Stimme erklang in seinem Kopf, ruhig und doch voller seltsamer Wärme.
„Hör zu, Bond. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich dich auf dieser Reise nicht begleiten werde. Deshalb muss ich dir Folgendes sagen …“
Atticus schwieg und lauschte mit ruhigem Geist den Worten des Geistes. Als Ozeroth zu Ende gesprochen hatte, wurde seine Stimme leiser, während er fortfuhr.
„Du bist stärker, als du denkst. Deshalb habe ich dich ausgewählt. Vergiss das niemals, egal was passiert. Zeig ihnen, warum du mein Bond bist.“
Die Stimme wurde leiser, Ozeroths Präsenz schwand.
„Viel Glück, Bond. Du wirst es brauchen.“
Dann wurde alles dunkel.
