Freya lächelte ein bisschen breiter, und trotz ihres schwachen Körpers strahlte ihr Geist immer noch aus ihren Augen. „Du warst schon immer der starke, schweigsame Typ … aber das ist ein bisschen viel, findest du nicht?“
Magnus‘ Herz zog sich zusammen. Es war typisch für Freya, selbst in ihrer jetzigen Lage noch Witze zu machen und ihn zu necken. Dass sie sich in diesem Moment ganz normal verhielt, machte alles noch schwieriger.
Er machte einen zögernden Schritt nach vorne, sein Gesichtsausdruck drohte zu zerbrechen, als er sah, wie sie sich mühsam aufrichtete.
Freya neigte den Kopf, ihr Lächeln verschwand und ihr Blick wurde weich.
„Ich werde nicht mehr lange hier sein … willst du wirklich einfach nur da stehen? Oder kommst du zu mir?“
Magnus‘ Augen weiteten sich, und bevor er sich versah, trugen ihn seine Beine vorwärts. Er überbrückte die Distanz zwischen ihnen in einem Herzschlag und kniete sich neben sie, seine große Hand umfasste sanft ihre zarte Hand.
Sie fühlte sich kalt an, was ihm noch mehr Angst einjagte.
Freya lächelte ihn neckisch an und drückte seine Hand. „Weißt du, manchmal bist du so steif wie eine Statue … Ich habe immer gedacht, dass ich diejenige sein würde, die dich am Ende bricht“, flüsterte sie leise, ihre Stimme voller Humor, obwohl sie so schwach wie ein Zweig war.
Magnus senkte den Kopf, seine Hand zitterte, als er ihre fester umfasste, aber er achtete darauf, nicht zu viel Druck auszuüben.
Er konnte sich nicht länger zurückhalten, und seine Stimme brach unter den Emotionen, die er so lange unterdrückt hatte.
„Ich … habe dich enttäuscht.“
Freya runzelte leicht die Stirn, ihre Stimme war leise, aber bestimmt. „Wie?“, fragte sie sanft und strich mit dem Daumen über seine Knöchel.
„Ich war nicht da“, flüsterte Magnus mit brüchiger Stimme. „Ich hätte da sein müssen. Ich hätte dich beschützen müssen. Das ist meine Pflicht, und ich habe versagt.“
Freya lachte leise und müde, ihre Finger umklammerten seine Hand fester, während sie schwach den Kopf schüttelte.
„Magnus … du warst da. Du hast gekämpft, um unsere Familie zu beschützen. Du hast gegen jemanden gekämpft, der alles zerstören wollte, was wir aufgebaut haben … Du hast mich beschützt, uns beschützt.“
Magnus‘ Blick traf Freyas, und er sah, wie ihre einst strahlenden Augen deutlich trüb wurden. Er presste die Kiefer aufeinander, um sich zusammenzureißen.
Er durfte jetzt nicht zusammenbrechen, nicht vor ihr. Nicht, wenn sie ihn stark brauchte. Aber die Last, die auf ihm lastete – der Gedanke, sie zu verlieren – war unerträglich.
Freya sah ihn noch sanfter an, als sie ihm in die Augen blickte. „Du warst immer ein Beschützer, Magnus … aber selbst du kannst nicht alles verhindern. Du kannst nicht überall gleichzeitig sein. Mach dir keine Vorwürfe.“
Magnus senkte den Kopf und ballte die andere Hand so fest, dass seine Knöchel weiß wurden. „Aber ich hätte mehr tun müssen. Ich hätte dich retten müssen.“
Freya lächelte wieder, wenn auch sanfter und etwas bitterer. „Du hast mehr für mich getan, als irgendjemand sonst jemals könnte. Du hast mir alles gegeben, Magnus. Ich brauche keine Rettung … nicht davor.“
Ihre Stimme zitterte, aber sie hielt seinen Blick fest. „Was ich jetzt brauche, ist, dass du hier bist. Bei mir.“
Magnus‘ Herz zog sich zusammen. Er hatte unzähligen Feinden gegenübergestanden, Schlachten geschlagen, die die Welt erschütterten, aber nichts davon war vergleichbar mit dem Kampf, den er jetzt führte – dem Kampf, mit anzusehen, wie die einzige Person, die ihm immer Halt gegeben hatte, von ihm wich.
Es war schmerzhaft. Schmerzvoller als alles, was er jemals in seinem ganzen Leben gefühlt hatte.
Freya legte ihre Hand auf seine Wange, ihre Berührung war federleicht. „Du bist der Einzige, der mich jemals gesehen hat, Magnus. Der mich wirklich gesehen hat.“ Sie lächelte trotz der Schmerzen, ihre Augen glänzten. „Wir hatten eine schöne Zeit, nicht wahr?“
Magnus schloss die Augen und drückte ihre Hand fester. „Die Beste“, flüsterte er mit heiserer Stimme.
Freya atmete leise aus und ließ ihre Hand langsam von seiner Wange gleiten. „Dann lass mich gehen … und halte mich dabei fest.“ Ihre Stimme war jetzt kaum mehr als ein Flüstern, ihre Kraft schwand mit jeder Sekunde.
Magnus‘ Herz brach, als er sie sanft in seine Arme zog und ihren zerbrechlichen Körper an seine Brust drückte.
Er drückte seine Stirn an ihre, sein Atem ging unruhig, während er sie festhielt. „Ich liebe dich“, flüsterte er mit brüchiger Stimme.
Freya lächelte, schloss die Augen und schmiegte sich an ihn, ihre Hand umklammerte seine fest. „Ich liebe dich auch … mehr als du dir jemals vorstellen kannst“, flüsterte sie leise, hielt inne und fügte dann hinzu: „Und meine Enkelkinder … sag ihnen, dass ich immer über sie wachen werde.
Sag ihnen, dass ich sie von ganzem Herzen liebe.“
„Ich werde es ihnen jeden Tag sagen“, versprach Magnus, seine Stimme brach unter der Last seiner Gefühle.
Freya lächelte, ihr Atem ging flach. „Jetzt versprich mir, Magnus … dass du dich nach meinem Tod nicht einfach zurückziehst. Versprich mir, dass du versuchen wirst, eine engere Beziehung zu Avalon und der Familie aufzubauen. Versprich mir, dass du dein Leben weiterleben wirst.“
Magnus spürte, wie ihre Worte schwer auf seinem Herzen lasteten, und für einen Moment konnte er nichts erwidern. Er hielt sie fester und spürte die Wärme ihres schwindenden Körpers.
Sie hatte immer nur das Beste für ihn gewollt.
Schließlich, nach einer Pause, flüsterte er mit leicht brüchiger Stimme: „Ich verspreche es.“
Freya seufzte leise und zufrieden und lockerte ihren Griff um seine Hand ein wenig. „Gut … das ist alles, was ich hören muss. Du hast immer deine Versprechen gehalten …“
Magnus spürte sofort, wie ihr Griff nachließ und ihr Atem langsamer wurde. Er zog sie fester an sich, als könnte er sie so irgendwie länger festhalten, aber er wusste … er wusste, dass dies das Ende war.
Erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr Freya all die Tage darum gekämpft hatte, durchzuhalten. Sie hatte am Abgrund gestanden, doch sie hatte sich nicht beklagt, hatte ihr Leiden nicht gezeigt.
Stattdessen hatte sie ihn mit Liebe behandelt, selbst als er ihr aus dem Weg gegangen war, aus Angst vor dem Schmerz, den er ihr damit zufügen würde.
Und jetzt … war sie fort.
Als ihr letzter Atemzug ihre Lippen verließ, biss Magnus die Zähne zusammen, hielt sie fester und spürte, wie seine Welt um ihn herum zusammenbrach.
„Es tut mir leid“, flüsterte er mit kaum hörbarer Stimme, während Tränen über sein Gesicht liefen. Er war ein Feigling gewesen, und jetzt erdrückte ihn der Schmerz dieses Versagens.
Draußen wurde es still. In Sektor 3 gingen die Leute ihrem Alltag nach, ohne zu ahnen, welche Tragödie sich gerade ereignet hatte.
Doch schon bald wandten alle ihre Blicke zum Himmel, als sich über ihnen dicke Wolken zusammenzogen.
Zuerst fielen nur ein paar Tropfen, doch schon bald ging ein heftiger Regen über Sektor 3 nieder. Die Leute hielten inne und legten eine Hand auf ihr Herz.
Sie wussten nicht warum, aber jeder einzelne, ob Elementarist oder nicht, spürte die tiefe Traurigkeit in der Luft.
Es war, als würde der gesamte Sektor gemeinsam mit Magnus trauern.
Freya Ravenstein, das stille Herz der Familie Ravenstein, war nicht mehr da.