Nexa Nuvia Nerva – die Tochter eines großen Gottes, der zusammen mit ihm ums Leben kam. Selbst nach ihrem Tod brachten ihre Körper Leben in die Welt: Die Tochter nährte den Boden, und der Vater trennte den Tag von der Nacht. Ihr Traum wurde zur Hoffnung, und ihr Albtraum zu den Schrecken der Welt. Die Götter trennten die beiden, hielten ihre Finger fest umklammert und zügelten dieses rasende Pferd.
„Und dann wurde Nexa Nuvia Nerva – die Welt oder besser gesagt die Tochter des sogenannten Schöpfers – ins Chaos gestürzt.“ Das Gute, das Böse, das Göttliche und das Teuflische lieferten sich jahrhundertelang einen blutigen Krieg, bis die Götter die Oberhand gewannen und die Dämonen zu einem todlosen Rückzug gezwungen wurden.
„Dann krönten sie mich, die Tochter der Aphrodite – Athenia, eine Göttin, die über ein kleines Stück Land wachen sollte. Plötzlich hatte ich Autorität und Macht, nur weil niemand sonst sich mit dem Chaos befassen wollte, das sie selbst verursacht hatten.“ Die Göttin ruhte auf ihrem Thron, verhüllt wie eine tote Göttin, und klammerte sich fest an die Armlehnen.
Gefangen in einem ewigen Gefängnis der Dunkelheit verfluchte sie ihr eigenes Schicksal. Während die anderen Götter damit beschäftigt waren, ihren Idealen nachzujagen, war sie in eine Zelle gesperrt worden, die ihr eigener Vater gebaut hatte. Dennoch empfand sie keine Verachtung – zumindest nicht für ihren Vater, denn ebenso wie ihre Mutter, die Göttin der sexuellen Lust, war auch ihr Vater den Mächten des Bösen erlegen.
„Nexa … Nuvia … Nerva … Nexa … Nuvia … Nerva.“ Sie wiederholte diesen Namen immer wieder und hoffte, dass die Göttin sich aus dem Boden erheben und ihr die Mühe ersparen würde, sich auf Seelen zu verlassen, die bereits genug gelitten hatten. „Nightsilver, ich werde …“
Ein plötzlicher Lichtblitz unterbrach ihre Gedanken. Als sie sich umdrehte, sah sie eine Kreatur aus einer Wolke in Form eines schwebenden Affen. Sein Schwanz kreiste über seinem Kopf wie eine Krone und war aufgeplustert wie reife Baumwolle. Er hielt eine Schriftrolle zwischen den Fingern, lächelte strahlend und verbeugte sich vor der Göttin.
„Was ist los?“, fragte Athenia den Boten.
Der Kobold nickte ihr zu und öffnete die Schriftrolle weit. Seine Augen huschten ein paar Sekunden lang über den Inhalt, dann räusperte er sich und verkündete schließlich, was geschrieben stand.
„Göttin Aphrodite! Der Rat der himmlischen Wesen hat festgestellt, dass du direkt gegen seine Gesetze verstoßen hast!“
„Ein Rat?“ Niemand hatte ihr davon erzählt, warum auch? Sie war nur der Sündenbock, den die Erfahreneren ausnutzen konnten.
„Du hast einen toten Menschen wiederbelebt und ihm ohne Erlaubnis göttliche Gaben verliehen!“ Der Affe hustete in seine geballte Faust, kniff die Augen zusammen und sah zu Athenia auf. „Das sind nicht meine Worte, sondern die der Götter …“
„Komm endlich zur Sache“, sagte Athena, fächelte ihm mit der Hand Luft zu, legte die Finger auf ihr Kinn und beugte sich neugierig vor.
„Du musst dem Mann seine Macht und sein Leben nehmen! Denn solche Frechheiten würden die Sterblichen nur ermutigen, sich die Gunst ihrer Götter zu sichern und selbst Gott werden zu wollen!“ Der Bote faltete die Schriftrolle zusammen, nickte mit dem Kopf und wartete mit auf Athenia gerichtetem Blick auf eine Antwort.
Athenia dachte kurz darüber nach, holte tief Luft und lehnte sich mit einem Lächeln in ihrem Thron zurück.
„Wenn die Götter die Welt durch mich kontrollieren wollen, dann sind sie herzlich in mein Gefängnis eingeladen“, sagte sie. Der Bote war total baff von den Worten der Göttin und wusste, dass er tot war, sobald er ihre Antwort dem Rat weitergab.
„Sag ihnen, ich werde die besten Weine, das großartigste Festmahl und eine Armee von Seelen vorbereiten, um ihre Ankunft zu feiern – aber!“
Athenia schlug ein Bein über das andere und ihr Lächeln wurde breiter.
„Sie müssen zuerst hierherkommen und selbst mit mir in diesem für Götter erbauten Gefängnis sprechen.“ Der Bote brach in kalten Schweiß aus, schluckte und verschwand in einer Wolke aus weißem Pulver.
In dem Moment, als er verschwunden war, verwandelte sich das Lächeln auf Athenias Gesicht augenblicklich in eine hässliche Grimasse. Sie wusste, dass sie alle ihre eigenen Pläne hatten und am liebsten allein vom Glauben der Menschen ihrer Welt zehren würden. Aber leider musste man sich, um über Nexas Fleisch zu herrschen, in dem Gefängnis einschließen, das in ihrem toten Geist errichtet worden war.
„Vater, hast du das kommen sehen? Hast du mich deshalb dazu gedrängt, auf diesem Thron der Lügen, Täuschung und Falschheit zu sitzen? Ich will das nicht, ich habe es nie gewollt – aber wenn ich jetzt meine Pflicht aufgebe, würde es …“
„Ein heiliger Krieg nach dem anderen, ein Kampf unter den Kindern Gottes, anstatt gegen die verborgenen Mächte des Bösen zu kämpfen“, dachte die Göttin, die sich als Einfaltspinsel ausgab, aber die Konsequenzen ihrer Handlungen kannte und wusste, dass sie ihre Pflicht nicht einfach so aufgeben konnte.
Mit einer Handbewegung beschwor sie einen durchsichtigen Film herbei, der die aktuelle Position von Raven und den anderen zeigte.
Sie standen am Stadttor und machten sich bereit zur Abreise, aber es schien, als würde der dunkle Magier den anderen etwas erklären.
„Ich zähle auf dich, enttäusche mich nicht.“ Ihr Vertrauen in ihn wuchs von Tag zu Tag, aber da sie als behütete Abenteurerin aufgewachsen war und noch nie einen Fuß außerhalb von Athenia gesetzt hatte, wusste sie, dass es viel zu viele Herausforderungen für ihn gab, auf die er nicht vorbereitet war.
Da die Zeit jedoch drängte und sich die Spannung am Himmel immer mehr aufbaute, wollte sie, dass die Mächte des Bösen besiegt wurden, damit sie sich auf andere Dinge konzentrieren konnte. „Wenn die Götter nur nicht so geizig wären, hätte ich dich mit meinen Gaben überhäuft, aber schon das eine war für mich ein Schritt über die Grenze.“
Athenia wusste, dass es Zeit war, noch einmal an diesem Seil zu ziehen, aber bevor das passierte, brauchte sie etwas Zeit, damit sich die Lage nach ihrer Nachricht beruhigen konnte. Die Götter würden es nicht wagen, ihr Gefängnis zu betreten, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht versuchen würden, Raven und seine Gruppe zu verletzen oder sogar ihre Anhänger davon zu überzeugen, sie überall zu jagen.
„Ich bete, dass es nicht so weit kommt“, hoffte die Göttin auf das Beste, während sie sich auf das Schlimmste vorbereitete. Sie wischte den Bildschirm beiseite und begann, sich auf alles vorzubereiten, was kommen würde.
