Eine Stunde bevor die mit Laternen beleuchtete Schönheit aus der dunklen Sandbucht in See stach, kam ein von einem Maultier gezogener Wagen im Lager der Gruppe an. An den Hufen des Tieres waren Glöckchen befestigt, die klimperten und alle in der Umgebung auf die Ankunft seines Herrn aufmerksam machten.
„Kara …“, stieß Raven hervor, als er die dunkle Gestalt der Priesterin im Mondlicht erkennen konnte.
Die Dunkelelfe drehte sich langsam zu ihm um, der oben auf dem Schiff stand, lächelte verschmitzt und winkte ihm mit den Fingern zu. Sie hielt ihr Maultier an und winkte ihn näher heran, damit sie reden konnten.
„Wer ist das eigentlich?“, fragte Regalia, die mit verschränkten Armen neben Raven stand.
Raven starrte Kara weiterhin an und flüsterte eine Antwort.
„Hoffentlich keine weitere Passagierin“, sagte er und warf Regalia einen Seitenblick zu, um ihr zu verstehen zu geben, dass er nicht wollte, dass sie mitkam, aber obwohl die Wolfsfrau das bereits wusste, starrte sie ihn mit einem eindringlichen Blick an, der deutlich sagte …
„Darüber haben wir schon gesprochen.“ Da Regalia in dieser Angelegenheit keinen Millimeter nachgab, wandte Raven seine Aufmerksamkeit wieder Kara zu. Er breitete seine dunklen Flügel aus, flog schnell zu der Elfe hinüber und währenddessen wurden auch die anderen langsam auf ihre Anwesenheit aufmerksam.
„Was ist los?“, fragte Raven, sobald er bei ihr angekommen war.
Etwas überrascht von der unerwarteten Schärfe seines Tons runzelte Kara kurz die Stirn, bevor sie sich langsam entspannte. Sie rutschte von der Seite des Wagens und setzte sich auf den dunklen Sand, der daraufhin in einem hellen Blauton erstrahlte. So neugierig Raven auch war, wie sie das gemacht hatte, konzentrierte er sich zunächst auf das Wichtigste.
„Ich bin hier, um nach dir und deiner Gruppe zu sehen, deine Göttin verlangt es“, antwortete sie mit einem ebenso spöttischen Lächeln wie zuvor.
„Welche Göttin? Aphrodite ist tot und du bist keine Priesterin von Athenia“, entgegnete Raven.
Kara fächelte sich mit einer Hand Luft zu, rollte mit den Augen, spottete und kicherte, bevor sie Raven schließlich in die Augen sah.
„Nur weil sie tot ist, heißt das nicht, dass meine Aufgabe beendet ist. Ich muss dich auf deinem Weg begleiten, damit du den Körper ihrer Tochter vor der Verderbnis retten kannst“, sagte Kara. Die Erwähnung von Nerva sagte Raven und seinen Begleitern nichts, da sie nicht im Geringsten über die wahre Natur der Welt, in der sie lebten, informiert waren.
„Noch einmal, warum bist du hier? Und sag diesmal etwas Verständliches“, verlangte Raven und starrte Kara in ihre dunklen Augen.
Die Priesterin starrte zurück, etwas verärgert über die Art, wie sie bisher behandelt worden war.
„Ich bin hier, um dir etwas zu sagen, da du offenbar keine Ahnung davon hast!“, schrie Kara ihn an, legte die Hände in die Hüften, rückte näher an Ravens Gesicht heran und stellte sich sogar auf die Zehenspitzen und rümpfte die Nase, um einschüchternder zu wirken.
„Deine Göttin ist im Land anderer Götter nicht willkommen. Elenaris war eine Ausnahme, und da ihr Auserwählter nur wenige Tage vor deiner Ankunft gestorben war, war niemand da, um dich herauszufordern!“
Raven trat einen Schritt zurück von der bellenden Priesterin und hörte im Hintergrund Schritte, die sich durch das Wasser näherten. Mel, Aria, Regalia und die anderen, alle außer den Monster-Mädchen, die sich im Edelstein befanden, eilten zu Raven, ohne zu wissen, worüber die beiden schrien.
Kara bemerkte die näherkommende Gruppe ebenfalls, setzte sich wieder hin und ließ sie sich um Raven versammeln, bevor sie mit ihrer Tirade fortfuhr.
„Ihr seid nicht die einzigen Helden dieser Welt, es gibt noch viele andere Gruppen, viele andere, die von den anderen Göttern auserwählt wurden und genau wie ihr sind!“ So offensichtlich es auch sein mochte, die ganze Gruppe war überrascht. Mit großen Augen starrten sie die Priesterin an, unsicher, wie sie die Neuigkeit aufnehmen sollten, die sie ihnen gerade mitgeteilt hatte. Kara zeigte auf ihren Anführer Raven und trat wieder näher an ihn heran.
„Jeder Gott will Anhänger für sich gewinnen, und wenn seine Auserwählten diejenigen sind, die diese Welt vor dem Dämonenlord retten, dann ratet mal, zu wem sich die Menschen wenden werden?“
Kara musste gar nichts sagen, die Gruppe wusste genau, was sie meinte. Wenn sie die Welt retten würden, würde Athenia die Herzen der Menschen regieren, aber wenn es nicht sie waren, sondern die Auserwählten eines anderen Gottes, würde derselbe Glaube jemand anderem gehören.
„Athenia hat uns davor gewarnt, dass die Anhänger anderer Götter uns herausfordern würden …“, murmelte Erika und drückte vor Angst ihre Hand fest auf ihre Brust.
„Scheiße, hätte sie sich nicht klarer ausdrücken können?“, beschwerte sich Aria, bevor sie von Erika wütend an der Schulter gestoßen wurde. „Was zum Teufel?“
„Beruhigt euch beide!“, mischte sich Raven ein, bevor der Streit eskalierte, legte seinen Daumen unter sein Kinn und ging schnell auf die Implikationen ein, die diese neue Enthüllung mit sich brachte. „Das bedeutet, dass wir überall, wo wir hingehen, nicht nur mit Schrecken fertig werden müssen, sondern auch mit der anderen Gruppe von Helden?“
Er hob den Kopf, um Kara anzusehen, und wurde mit einem verschmitzten Grinsen begrüßt.
„Natürlich, und wenn ich mich nicht irre, rekrutiert eure Göttin andere Götter.
Ich bezweifle, dass es einfach sein wird, sie davon zu überzeugen, sich ihr anzuschließen, nachdem sie ihre auserwählten Krieger besiegt hat.“ Kara hatte Recht, und das wussten sie alle, aber nachdem sie so viel Zeit verschwendet hatten und schon so weit gekommen waren, konnten sie nicht länger warten, und so legte das Schiff eine Stunde nach der Ankunft der Priesterin ab, mit nur einer einzigen Änderung: einer weiteren Passagierin und ihrem Tier.
Mit den Monster-Mädchen, Maria, Moxy, sogar Regalia, Linkle und der Priesterin schien die Gruppe alarmierend schnell zu wachsen. Zum Glück würde die zweitägige Reise ihre Last erleichtern, da Kara nur bis zu dieser Insel mitfahren wollte. Trotzdem ließ die Besorgnis an Bord nicht nach.
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Eine weitere Gruppe, angeführt von einem Helden, wartete wahrscheinlich in dieser Hafenstadt auf sie. Würden sie auf die Vernunft hören oder einfach nur kämpfen wollen? Das blieb abzuwarten, aber noch bevor es so weit war, hatte der Kapitän des Schiffes einen anderen Grund zur Sorge.
„Scheiße, hoffentlich ist sie nicht da …“ Zum ersten Mal in ihrem Leben betete Reina zu der Göttin. Sie hatte keine Angst vor der Person, die sie auf dieser Insel treffen könnte, sondern schämte sich eher für die Geschichte, die sie der Gruppe des Helden erzählen würde.
Hinweis: Für alle, die meinen, dass der Teil „Diebstahl“ im Titel nicht mehr passt: Keine Sorge, es kommen noch mehr Helden! XD
