„Hör auf mit deinen kindischen Spielchen, Sturmgott“, sagte die Lustgöttin mit eiskalter Stimme. Ihre Augen leuchteten unheimlich und fixierten den Sturmgott.
Zum ersten Mal in seinem langen Leben hatte der Sturmgott Mühe, jemandem in die Augen zu sehen. Seine sonst so selbstbewusste Haltung geriet ins Wanken, seine Schultern versteiften sich unter ihrem durchdringenden Blick.
Kent, der das Gesicht des Sturmgottes gesehen hatte, konnte seine Überraschung nicht verbergen. Er hatte den mächtigen Sturmgott noch nie so … verletzlich gesehen. Die Göttin der Lust hatte ihm mit nur einem Blick seine übliche Prahlerei genommen.
Mit einem Grinsen neigte die Lustgöttin leicht den Kopf, ihre Lippen verzogen sich zu einem kalten Lächeln. „Der Kriegsgott hat mir sein Wort gegeben. Er hat versprochen, mir meinen Körper und meine Position zurückzugeben, sobald ich den Geistigen Welt betrete.“ Sie trat einen Schritt näher, und der Sturmgott spannte sich sichtlich an. „Er hat auch ein ganz bestimmtes Versprechen abgegeben, dass derjenige, der meinen Fluch bricht, zum Gott der Lust aufsteigen wird.“
Ihre Worte hingen schwer in der Luft, voller Vorwürfe. Sie ließ die Stille wirken und hielt ihren Blick fest auf das Gesicht des Sturmgottes gerichtet. „Hat er sein Wort vergessen? Oder muss ich ihn daran erinnern?“ Ihr Tonfall war scharf, eine Herausforderung, verpackt in eine Frage, aber ihr Gesichtsausdruck war grimmig und unnachgiebig.
Der Sturmgott wurde blass, während er nach Worten rang. Er wusste, worauf sie anspielte, kannte das Gewicht des Versprechens des Kriegsgottes. Er war dabei gewesen, als der Eid geschworen wurde, ein heiliger Schwur, der nicht gebrochen werden durfte. Und doch stand er nun hier, gefangen zwischen zwei Göttern, während Kents Schicksal auf dem Spiel stand.
„Meine … Meine Herrin …“, stammelte der Sturmgott.
„Welche Herrin? Was soll das bedeuten?“ Die Stimme der Lustgöttin wurde lauter, ihre Wut kaum noch zu bändigen. „Glaubst du etwa, der Kriegsgott kann ohne meine Hilfe in das Reich der Alten Götter aufsteigen?“ Sie wandte sich ab, ihre Aura flammte auf und zwang das Spiegelbild des Sturmgottes einen Schritt zurück.
„Geh und sag ihm, dass die Göttin der Lust noch quicklebendig ist. Ich war schon da, bevor er überhaupt zum Gott wurde.“ Sie befahl mit donnernder Stimme.
„Wenn er Kents Hilfe will, muss er dafür angemessen bezahlen. Das ist keine Verhandlung, sondern ein Befehl.“ Sie warf einen kurzen Blick auf den jungen Mann.
Kent konnte den immensen Druck ihrer Präsenz spüren, als ihr Blick für einen kurzen Moment auf ihm ruhte. Er stand still da und spürte die tief verwurzelte Spannung zwischen diesen alten Gottheiten. Es ging nicht nur um das Versprechen des Kriegsgottes, es ging um Macht, Vermächtnis und Kontrolle.
Das Gesicht des Sturmgottes verzog sich vor Frustration, seine Schultern sackten niedergeschlagen herab. Er stieß einen langen, schweren Seufzer aus, bevor er den Kopf leicht neigte.
„Ich entschuldige mich“, sagte er mit aufrichtiger Reue in der Stimme. „Das war ein Fehler – einer, den ich korrigieren werde. Ich werde deine Botschaft an den Kriegsgott überbringen. Sein Versprechen wird nicht vergessen werden.“ Er warf einen Blick auf die Göttin der Lust, in seinen Augen spiegelte sich die Ernsthaftigkeit der Lage wider.
Die Göttin der Lust blieb still, ihr durchdringender Blick ruhte unverwandt auf dem Gott des Sturms. Der Gott des Sturms holte tief Luft, bevor er seinen Blick auf Kent richtete. „Denk gut über den Krieg nach, Kent. Dies ist kein einfacher Konflikt. Er ist größer als jeder von uns. Vergiss nicht, dass ich auf deiner Seite stehe“, sagte er mit leiserer Stimme.
Bevor Kent antworten konnte, flimmerte die Luft um sie herum und die Gestalt des Gottes des Sturms begann zu verblassen.
Als er verschwand, blieb Kent allein mit der Göttin der Lust zurück.
Sie lachte leise und spöttisch, während die Luft wieder ihre gewohnte Stille annahm. „Die Götter“, murmelte sie und schüttelte amüsiert den Kopf.
„So von sich eingenommen und doch so leicht in ihre Schranken zu weisen.“ Nun richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf Kent, und ihr Gesichtsausdruck wurde ein wenig weicher.
„Ich werde dir das klar machen, Kent“, sagte sie, trat näher und suchte seinen Blick. „Der Kriegsgott mag Pläne für dich haben, aber vergiss nicht: Die Götter sind genauso fehlbar wie Sterbliche. Sie brechen Versprechen, sie manipulieren und sie handeln aus Eigennutz.“
Ihre Worte hallten nach und drangen tief in Kents Gedanken ein. Er nickte langsam und verstand die Bedeutung ihrer Warnung.
Dieser Krieg würde nicht nur eine Prüfung der Stärke sein, sondern auch eine Prüfung der Loyalität, des Vertrauens und des Überlebens in einer Welt, in der selbst Göttern nicht zu trauen war.
„Denk daran, Kent: Wenn die Götter dich im Stich lassen, gibt es immer andere, die dir helfen werden. Du musst nur darum bitten“, sagte sie mit leiser Stimme, als würde sie ihm ein Geheimnis anvertrauen.
Kent nickte und versank in seinen eigenen Gedanken.
Eine bedrückende Stille breitete sich zwischen ihnen aus, nur das flackernde Licht der Vulkane warf tanzende Schatten auf den Boden.
Die Göttin der Lust stand regungslos da und starrte Kent an. Ihre einst strahlende Aura war von der Bitterkeit ihres Leidens getrübt, und Kent konnte die Last ihres Schmerzes spüren.
„Meine Dame“, brach Kent schließlich das Schweigen, seine Stimme ruhig, aber voller Mitgefühl. „Du bist heute so wild“, fügte er hinzu und versuchte, den Sturm der Gefühle in ihren Augen zu deuten. Doch in dem Moment, als seine Worte sie erreichten, sah er etwas Unerwartetes – ihre vor Wut brennenden Augen füllten sich mit Tränen. Kent sah eine seltene Traurigkeit in ihren Augen.
„Was soll ich denn sonst tun?“, fragte sie mit brüchiger Stimme, die beim Sprechen zitterte. „Ich bin nicht nur wütend, ich bin am Boden zerstört. Sie haben mir alles genommen – meine Göttlichkeit, mein Zuhause. Sie haben mich verbannt, als wäre ich ein Stück Dreck. Sie haben mir nicht einmal einen Funken Gnade gezeigt“, murmelte sie mit vor Schmerz bebender Stimme, während ihr Blick in die Ferne schweifte, als würde sie sich an die qualvollen Erinnerungen an ihren Sturz erinnern.
„Ich habe um meinen Platz unter den Göttern gekämpft. Ich habe geblutet und alles geopfert, um die Göttin der Lust zu werden. Und mit einem Schlag haben sie mir alles genommen, als wäre ich nichts weiter als eine Schachfigur auf ihrem himmlischen Spielfeld.“
Sie hielt inne, ihr Atem ging unregelmäßig.
„Weißt du, wie es ist, verstoßen zu werden, Kent? Weggeworfen und vergessen? Niemand kam mir zu Hilfe. Kein einziger Gott oder Sterblicher stand mir bei. Und jetzt … Jetzt spielen sie mit Versprechungen und denken, ich wäre ins Nichts verschwunden. Der Kriegsgott glaubt, er kann mit dir spielen, mit mir … Dass er dich mit Versprechungen manipulieren kann, die mir bereits zustehen.“
Kents Herz zog sich zusammen. Er konnte die Qual sehen, die sich tief in ihr Gesicht eingegraben hatte, wie ihre Lippen zitterten, wie ihr Geist trotz ihrer kalten Haltung bebte. Er trat näher und spürte einen tiefen, unbekannten Schmerz in seiner Brust. Trotz all der Macht und Schönheit, die die Göttin der Lust einst besessen hatte, sah er vor sich eine zerbrechliche, schwache Frau, die alles verloren hatte und sich nach Gerechtigkeit und Anerkennung sehnte.
Ohne zu zögern streckte Kent die Hand aus und legte seine Handfläche sanft auf ihre Wange. Ihre Geistgestalt fühlte sich trotz ihrer immateriellen Natur warm auf seiner Haut an. Zuerst versteifte sie sich, überrascht von der Intimität seiner Geste, aber bald wurden ihre Augen weicher, und die kalte Wut wich roher Verletzlichkeit.
„Ich verspreche es dir, meine Dame. Ich werde dich nicht verraten. Nicht jetzt, niemals. Du hast mehr ertragen, als irgendjemand ertragen sollte, und ich werde nicht zulassen, dass sie dich weiter ausnutzen. Ich werde für dich da sein, durch alles hindurch, egal ob es gegen Götter oder Kriege geht. Das ist mein Schwur.“
Die Göttin der Lust blinzelte verblüfft, und zum ersten Mal rollte eine Träne über ihre Wange. Sie hatte solche Worte nicht erwartet, noch hatte sie ein so aufrichtiges Versprechen von einem Sterblichen erwartet. Ihre Lippen öffneten sich, als wollte sie etwas sagen, aber es kamen keine Worte heraus. Stattdessen lehnte sie sich in seine Handfläche, schloss die Augen und genoss diesen zerbrechlichen Moment des Friedens.
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich gesehen, wirklich gesehen.
„Du musst das nicht tun. Du hast die Chance, dein Schicksal selbst zu bestimmen. Jetzt braucht der Kriegsgott deine Hilfe. Auch ohne meine Hilfe kannst du Gott werden. Außerdem ist die Position des Gottes der Lust nicht besonders angesehen. Also versau dir nicht deinen Weg wegen dieser schwachen Frau.“ Ihre Stimme war nur ein Flüstern, leise und verletzlich, und in diesem einen Moment begann die Wut, die ihr Herz erfüllt hatte, zu bröckeln.
Kent grinste nur, als er von größeren Vorteilen hörte. „Es ist mir egal, was der Kriegsgott oder irgendein anderer Gott verspricht … Ich werde an deiner Seite stehen. Ich werde das durchziehen und dafür sorgen, dass dir zurückgegeben wird, was dir genommen wurde.“
Die Göttin der Lust öffnete die Augen und sah ihn mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Dankbarkeit an. „Niemand hat mir jemals so ein Versprechen gegeben … Nicht so.“ Sie trat näher an ihn heran, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. „Ich werde dich daran erinnern, Sterblicher. Und wenn du dieses Versprechen brichst … werde ich dir niemals vergeben.“
Kent lächelte schwach, als er ihre mürrische Drohung sah, und nickte. „Ich werde es nicht brechen. Ich werde für dich kämpfen und für das, was richtig ist.“ Seine Augen glänzten entschlossen, und zum ersten Mal sah die Göttin der Lust in ihm nicht nur einen Sterblichen, sondern jemanden mit dem Herzen eines Gottes.
In dieser gemeinsamen Stille veränderte sich etwas zwischen ihnen – eine Verbindung entstand, die nicht auf Macht, Begierde oder Schicksal beruhte, sondern auf Vertrauen und Zuneigung.
–
*Das zweite Kapitel wird etwas später kommen. Ich arbeite gerade an den nächsten Handlungen. Bitte entschuldigt. Danke für die Geschenke.