Das Amkal-Ritual
Dieses Ritual kann von einem Wolf mit mittlerem oder hohem Rang in einem Wolfsrudel ausgelöst werden. Es kommt zum Einsatz, wenn ein Wolf mit einer neuen Handlung seines Vorgesetzten oder Anführers nicht einverstanden ist.
Durch das Amkal-Ritual kann der Wolf seinen Vorgesetzten zu einem Kampf auf Leben und Tod herausfordern, bis einer von beiden nicht mehr kämpfen kann. Wenn der Herausforderer den Kampf gewinnt, kann er die Entscheidung seines Vorgesetzten ändern oder sogar dessen Position als Anführer übernehmen.
Verliert der Herausforderer jedoch, verliert er für immer die Möglichkeit, das Amkal-Ritual erneut auszulösen, und sein Schicksal liegt in den Händen desjenigen, der den Kampf gewonnen hat.
Es war ein einfaches Ritual. Etwas, das man nicht groß verstehen musste. Es war simpel: Wer gewinnt, wird der neue Anführer, wer verliert, stirbt.
Jetzt blieb die Frage: Sollte ich diesen Mistkerl töten?
„Sir … Sir … Sir!“, rief Raven ununterbrochen und riss mich aus meinen Gedanken.
„Zum neunundsechzigsten Mal, nein!“, sagte ich genervt von seiner beharrlichen Aufforderung, zurückzutreten. „Der Typ versucht absichtlich, mich wütend zu machen und zu überraschen … das ist ihm gelungen, jetzt ist es Zeit für den großen Showdown.“
Raven war sehr verwirrt von meinen Worten, verstand aber, dass ich nicht aufgeben würde. „Lass mich wenigstens an deiner Stelle kämpfen.“
Ich schaute ihn fragend an: „Du glaubst, du kannst besser kämpfen als ich?“
Raven wusste nicht, ob er es mir direkt ins Gesicht sagen sollte: „… vielleicht?“
Ich seufzte: „Jetzt verstehe ich, dass du so wenig Vertrauen in mich hast. Okay, du hast es mir endlich klar gemacht.“ Hoffnung schien sein Gesicht zu erhellen. „Ich werde auf jeden Fall gegen ihn kämpfen!“
„Was?“
„Was hast du denn erwartet? Du glaubst nicht an meine Stärke, also muss ich sie dir beweisen, und das ist die perfekte Gelegenheit dafür.“
„…“ Raven sah mich an, als würde er meine Intelligenz anzweifeln.
Hinter ihm stand seine Stellvertreterin und vielleicht auch seine Liebe, Oleya. Sie beobachteten unsere Unterhaltung und fragten sich, ob wir uns immer so verhielten.
Für sie war es, als würden zwei Freunde miteinander streiten. So hatten sie sich die Beziehung zwischen einem menschlichen Anführer und Haylum nicht vorgestellt.
Raven seufzte resigniert und murmelte leise: „Wie … soll ich diesen beiden Dämonen gegenübertreten?“ In seinen Gedanken schwebten zwei Mädchen in Dienstmädchenkleidern von außergewöhnlicher Schönheit.
Ich stand auf, als einige Wölfe endlich damit fertig waren, meinen fast nackten Körper mit einer Art Öl einzureiben. Jetzt stand ich Raven gegenüber, nur mit meiner Unterwäsche bekleidet, was für dieses dumme Ritual vorgeschrieben war.
„Hör zu, Raven“, sagte ich, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihn mitfühlend an, „wenn mir etwas passiert, denk daran … das war deine Schuld.“
„…!!!“ Raven stand wie erstarrt da, der Schock war ihm anzusehen.
„Jetzt lass uns gegen einen blöden Wolf kämpfen!“ Ich ging los und massierte meinen Körper.
…
Inmitten des dichten Waldes war ein Bereich wie eine Arena für uns freigeräumt worden. Die Wölfe hatten eine Reihe von Bäumen gefällt und den Platz für unseren Kampf vorbereitet, während sie alle im Kreis standen und zuschauten.
Während die Erwachsenen verstanden, wie wichtig dieser Kampf sein würde, waren die Kinder weniger intuitiv und jubelten, während sich einige blutrünstige Wölfe zu ihnen gesellten.
„Woohoo!“
„Lasst uns Blut sehen!“
„Schneidet ihnen die Köpfe ab!“
„Schlagt euch gegenseitig zu Tode!“
„Möge der Verlierer seine Männlichkeit verlieren!“
Selbst als sie von ihrer Mutter geschlagen und gefesselt wurden, hörten sie nicht auf zu jubeln.
Ich stand hinter dem roten Kreis, der mit rotem Gewürz als Begrenzung auf die Arena gezeichnet war. Mir gegenüber stand Haylum, der aussah, als wolle er mir den Kopf abbeißen, sich aber bis zum Beginn des Kampfes wie in einem Käfig gefangen fühlte.
Raven stand in der Mitte der Arena und sah zu beiden Seiten, während er fragte: „Seid ihr bereit?“
„JA!“, brüllte Haylum und schlug sich mit der rechten Hand auf die Brust.
„Müssen Sie das wirklich tun?“, fragte Raven mich.
„Ja, und wenn es Ihnen dann besser geht, ist es nicht Ihre Schuld.“
Meine Worte schienen ihn tatsächlich zu trösten, denn er nickte und sagte: „Die Regel lautet wie folgt: Der Kampf geht so lange weiter, bis einer von euch nicht mehr kämpfen kann oder … stirbt.“
„Ja!“, schrien einige Kinder, während ihre Mütter sie mit einem Schlag auf den Kopf zum Schweigen brachten.
„Also dann“, sagte Raven, holte tief Luft und atmete aus, „das Amkal-Ritual beginnt.“
Sobald er diese Worte ausgesprochen hatte, heulten alle Wölfe außer Haylum zum Himmel, während Haylum die Arena betrat. Ohne zu zögern, folgte ich ihm.
„Na, Dickerchen“, lachte Haylum, „fürchtest du den Tod?“
„Ja“, kam meine normale Antwort, „zum Glück ist sie niemand, den ich täglich sehe, also … würde ich sagen, es ist fifty-fifty, ob ich sie fürchte oder liebe.“
„Was?“
„Was in der Tat.“ Ich nickte, als Haylum kapierte, dass ich ihn verarschte.
„HAAAH!“, schrie Haylum wütend, als er mit schnellen Schritten auf mich zukam.
Raven, der die Auseinandersetzung beobachtete, war hin- und hergerissen. Haylum war ein starker Wolf, nein, das allein würde ihm nicht gerecht werden.
Haylum war extrem stark, vielleicht sogar stärker als er selbst. Wo ihm Intelligenz fehlte, nutzte Haylum seine Kraft, um immer eine Lösung zu finden. Raven war sich nicht sicher, ob er gegen einen wütenden Haylum gewinnen könnte.
Wie es aussah, tat sein neuer Anführer genau das Gegenteil.
„Glaubst du, er wird gewinnen?“ Irgendwann kam Oleya zu ihm. Aber er war zu abgelenkt, um sie wahrzunehmen.
„Ich … weiß es nicht.“ Raven wusste es wirklich nicht, er hatte mich noch nie in einem echten Kampf gesehen. Er hatte mich zwar beim Training mit meinem riesigen Schwert gesehen, aber im Moment hatte ich es nicht dabei.
Dann weiteten sich seine Augen: „Nein!“
In Ravens Augen sah er, wie Haylum und ich uns an den Händen packten und versuchten, uns mit roher Kraft voneinander wegzudrücken. Das war erschreckend für ihn, denn Haylums wahre Stärke lag in seiner rohen Kraft.
„…!?“
Überraschenderweise war Raven verwirrt: „Warum bewegen sie sich nicht?“
