Sechs Monate mögen für einen normalen Menschen lang sein, aber wenn man bedenkt, dass Lin Mu in dieser Zeit Erinnerungen im Wert von zwei Millionen Jahren aufgenommen hatte, erschien das eher unbedeutend.
Der Preis war es auf jeden Fall wert, denn Lin Mu hatte wertvolle Infos bekommen, die in vielerlei Hinsicht unbezahlbar waren.
Deshalb hat er als Erstes nach dem Aufwachen seine Freunde kontaktiert.
~SHUA~
Als er aber den Kommunikations-Jade-Streifen überprüft hat, hat Lin Mu gemerkt, dass über hundert Nachrichten auf ihn warteten. Sie waren von fast allen seinen Freunden und auch von ein paar Leuten, mit denen er kaum Kontakt hatte.
„Ich schätze, sie haben sich Sorgen gemacht, weil ich so lange nicht geantwortet habe“, dachte Lin Mu. „Sie haben sogar jemanden geschickt, um nach mir zu sehen.“ Er sah eine Nachricht vom Kronprinzen, in der stand, dass sie seine Unterkunft betreten würden, um nach ihm zu sehen.
Die Nachricht danach war allerdings eine Entschuldigung, in der auch stand, dass sie aufgrund einer Barriere daran gehindert worden waren, den Hof zu betreten.
„Ah, die Heilige hat sich um sie gekümmert“, dachte Lin Mu und brauchte nicht lange, um herauszufinden, wer dahintersteckte. „Ich schätze, ich schulde ihnen eine ausführliche Erklärung“, überlegte Lin Mu.
Nachdem er das erledigt hatte, antwortete er schnell auf die wichtigsten Nachrichten und notierte sich die anderen. Unter ihnen waren ein paar überraschende Nachrichten, darunter auch einige von Bekannten, die er seit Jahren nicht gesehen hatte.
„Shu Shaoxing?“ Lin Mu erinnerte sich an den Mann, der der größte Graskultivierer der Welt werden wollte. „Er ist hier in der Hauptstadt, hm … er möchte mich sehen, bevor er die Welt verlässt.“ Er hatte dem Mann zwar seine Kontaktdaten gegeben, aber nie erwartet, ihn hier zu sehen.
Lin Mu hatte den Mann im Huiqing-Reich kennengelernt, und er hatte ihm zweifellos geholfen.
„Es kann wohl nicht schaden, ihn zu treffen“, dachte Lin Mu bei sich.
Er überprüfte, wann die Nachricht angekommen war, und stellte fest, dass es noch nicht so lange her war.
„Erst vor einer Woche. Dann sollte er noch in der Stadt sein … Aber woher weiß er, dass ich auch hier bin?“, fragte er sich.
Was auch immer es sein mochte, Lin Mu nahm an, dass er es später erfahren würde, wenn er den Mann traf. Im Moment hatte er Wichtigeres zu tun.
Als Nächstes schrieb er alle wichtigen Informationen auf, die er über Yao Changing und ihre Geschäfte mit der Vereinigung der Grünen-Blatt-Händler erfahren hatte. Dann schickte er sie an Kronprinz Feng Shun, zusammen mit einigen Hintergrundinformationen.
Natürlich konnte er nicht sagen, dass er die Infos aus ihren Erinnerungen hatte, aber er hatte eine gute Ausrede dafür. Lin Mu hatte immer noch die Leiche von Yao Changying, also sagte er einfach, er hätte die Infos aus einigen Dokumenten gefunden, die sie bei sich hatte.
Warum er sechs Monate gebraucht hatte, um das zu melden, würde niemand hinterfragen. Für sie war er einfach müde und brauchte Ruhe.
Lin Mu hatte schon mehr als genug getan, daher konnten sie nichts mehr von ihm verlangen.
Selbst sein Bericht ging weit über das hinaus, was von ihm erwartet wurde.
Der Bericht, den Lin Mu geschickt hatte, war sehr lang, daher rechnete er nicht damit, sofort eine Antwort zu erhalten. Er hatte noch andere Dinge zu erledigen, also stand er vom Bett auf und machte sich auf den Weg.
Als Lin Mu die Schlafzimmertür öffnete, sah er den wunderschönen Garten draußen.
Die Schönheit des Gartens wurde durch eine rothaarige Frau unterstrichen, die auf einem Stuhl aus festgewordenen Wolken lag.
„Wer … Moment mal, die Heilige?“ Lin Mu sah ihr Haar zum ersten Mal und war total überrascht.
Normalerweise bedeckte ein Schleier ihr Gesicht und ihr Haar war unter der langen Robe versteckt, die sie als Kapuze trug.
Als er nun ihr flammend rotes Haar sah, war Lin Mu wie hypnotisiert.
Während er sie weiter beobachtete, stand die Heilige von der Liege auf und sah ihn neugierig an.
„Das hat aber lange gedauert. Ich dachte, wir würden uns sofort unterhalten, sobald du zurück bist“, sagte die Heilige mit einem Anflug von Unmut in der Stimme.
„Es tut mir leid“, entschuldigte sich Lin Mu. „Ich wurde aufgehalten“, fügte er hinzu.
„Du und dein Schlaf“, seufzte die Heilige leicht. „Aber nach allem, was du durchgemacht hast, war das wohl zu erwarten. Hat der Brunnen des Schlummers noch immer Einfluss auf dich?“, fragte sie besorgt.
„Nein“, schüttelte Lin Mu den Kopf, da er merkte, dass sie ihn missverstanden hatte.
Aber er hielt es nicht für nötig, sie zu korrigieren, also ließ er das Missverständnis stehen.
„Hmm … Dein Körper scheint jetzt in Ordnung zu sein“, stellte sie fest und ihr Blick wurde weicher.
„Deiner scheint auch in Ordnung zu sein“, murmelte Lin Mu unbewusst, während sein Blick auf ihrem Haar verweilte.
Die Heilige hob eine Augenbraue und ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. „Er kann also Interesse zeigen …“, überlegte sie innerlich und fühlte sich unerwartet erfreut. Mit einer Handbewegung zog sie Lin Mu mit einer unsichtbaren Kraft zu sich heran.
„Häh?“, fragte Lin Mu überrascht und war schockiert von der plötzlichen Aktion. „Habe ich etwas falsch gemacht? Ist sie wütend?“, fragte er sich.
~THUD~
Er landete fest auf einem Stuhl, der sich um seinen Körper gebildet hatte und ihn zwang, sich zu setzen.
„Wir müssen über ein paar Dinge reden“, sagte die Heilige, und ihre Stimme machte Lin Mu noch nervöser als zuvor.
Er schaute in die verschleierten Augen der Heiligen und konnte nicht erkennen, was sie dachte.
Ohne dass er es wusste, hätten unzählige andere alles für eine solche Audienz gegeben. Doch hier stand er nun, völlig ahnungslos, welche Bedeutung dieser Moment hatte. Die beiden Personen starrten sich in die Augen, während eine von Angst erfüllte Stille die Luft erfüllte.
