Die Wachen hielten nicht an und schauten auch nicht lange zu den ankommenden Gästen hin. Viele von ihnen hatten sie schon öfter gesehen und wussten, dass es sich um wichtige Leute aus dem ganzen Reich handelte.
Die Leute schauten sich um und spürten die angespannte Stimmung.
„Sieht so aus, als hätte der Kronprinz die Sicherheitsvorkehrungen wieder verschärft“, meinte der Daoist Chu.
„Das kann man ihm nicht verübeln. So wie die Dinge stehen, würde es mich nicht wundern, wenn selbst das bald nicht mehr ausreicht“, antwortete Ziran erschöpft.
„Amithabha, der Kronprinz ist weise, Vorsicht walten zu lassen“, sagte Mönch Hushu, der von der Seite herantrat.
„Oh, du bist schon hier?“, fragte Daoist Chu überrascht.
„Ich bin schon seit einer Woche hier“, antwortete Mönch Hushu. „Komm, lass uns reingehen. Er wartet schon auf uns.“ Er ging voran.
„Ja.“ Daoist Chu nickte und die drei betraten endlich die Haupthalle des Palastes.
~KNARRR~
Sobald sich die Tür öffnete, schauten die Leute darin her.
„Willkommen zurück“, begrüßte Kronprinz Feng Shun seine Begleiter. „Ihr seht müde aus.“
Der Mann wirkte etwas erschöpft und reifer, er hatte sich deutlich verändert.
„Es ist schön, wieder hier zu sein“, sagte Daoist Chu, als er seinen Freund sah.
„In der Tat … Ich hätte nicht gedacht, dass ich nur durch die Suche nach Aufzeichnungen so erschöpft sein würde“, sagte Ziran und rieb sich die Stirn.
„Ihr könnt euch später ausruhen. Was habt ihr denn gefunden?“, fragte Kronprinzessin Shang, die auf einem Stuhl schräg gegenüber dem Prinzen saß.
„Habt ihr was gefunden?“, fragte der Kronprinz mit einem Hauch von Hoffnung im Gesicht.
„Qiao Des Informationen waren richtig“, sagte Daoist Chu sehr zufrieden. „Wir haben das hier gefunden.“ Der Mann holte ein altes Buch hervor und reichte es dem Kronprinzen.
„Es war ziemlich schwer zu finden. Es wurde ganz sicher absichtlich versteckt, und nur wer die richtigen Hinweise hatte, konnte es finden“, fügte Ziran hinzu. „Ohne Kenntnisse der schamanischen Schrift der Dämonenstämme wäre es unmöglich gewesen, daran zu kommen.“
„Zum Glück haben wir dich noch“, sagte Kronprinz Feng Shun dankbar.
„Ja … Ohne Daoist Lin Mu müssen wir unser Bestes geben“, sagte Ziran mit einem Hauch von Traurigkeit.
„Wie geht es ihm jetzt?“, fragte Daoist Chu interessiert.
~SEUFZ~
„Wie immer“, seufzte Kronprinz Feng Shun enttäuscht. „Die Blutkuppel ist immer noch da und es hat sich nichts daran verändert.“
„Das Einzige, was ich in den letzten Tagen gesehen habe, war, wie ein Haufen Tierkadaver hineingezogen wurde“, fügte Mönch Hushu hinzu.
„Ich kann nicht glauben, dass es schon fünfundzwanzig Jahre sind …“, murmelte Daoist Chu. „Es kommt mir so lange vor.“
Als Unsterbliche waren fünfundzwanzig Jahre für ihn und die anderen eine sehr kurze Zeit. Aber die jüngsten Ereignisse hatten sie so erschöpft und strapaziert, dass ihnen die Zeit unglaublich langsam verging.
„Es lässt sich nicht ändern. Wir sind in eine Zwangslage geraten und müssen das durchstehen“, sagte Kronprinz Feng Shun und versuchte, mutig zu wirken.
„Ja.“ Der Daoist Chu nickte und der Kronprinz fing an, das alte Buch zu lesen, das er gerade bekommen hatte.
Ziran schaute zu der einzigen anderen Person im Saal, die noch nichts gesagt hatte.
Es war ein Mann in einer Rüstung, die schon einiges mitgemacht hatte. Er trug einen Vollvisierhelm, aber vorne war ein großer Riss, durch den man ein bisschen von seinem Gesicht sehen konnte.
„Ältester Hu“, sagte Ziran und sah den schweigsamen Mann an. „Wie geht es Lady Kang?“
„Ihr geht es gut“, antwortete der Älteste. „Sie arbeitet hart daran, eine Lösung für die Transportblockade zu finden“, fügte er hinzu.
„Verstehe. Das ist gut“, antwortete Ziran. „Hoffentlich finden wir etwas und müssen nicht jahrelang warten, bis Hilfe kommt“, sagte er, woraufhin die anderen ebenfalls nickten.
~huu~
Die Kronprinzessin holte tief Luft, als sie das hörte, und ein trauriger Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.
„Alle geben ihr Bestes. Lady Kang, Min Ju, Qiao De und sogar der kleine Shrubby“, sagte Kronprinz Feng Shun, der in der Mitte stand.
„Und trotzdem muss ich mich hier verstecken“, sagte Kronprinzessin Shang.
„Das lässt sich nicht ändern. Du wirst draußen gezielt gesucht“, sagte Kronprinz Feng Shun, der gerade eine Pause vom Lesen seines Buches machte.
„Moment mal, was?“, fragte der Daoist Chu verwirrt. „Wann ist das passiert?“
„Vor etwa acht Monaten“, antwortete Kronprinzessin Shang. „Anscheinend wurde ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt. Und es wird in allen dunklen Kreisen verbreitet“, fügte sie hinzu.
„Und sie glauben das?“, fragte Daoist Chu überrascht. „Sie sollten es doch zumindest im Dao-Wind-Reich nicht wagen, etwas zu unternehmen, oder?“ Er war skeptisch.
„Anfangs war alles in Ordnung, aber dann haben mich einige Bürger angegriffen, als ich unterwegs war“, antwortete Kronprinzessin Shang, sehr zu ihrer Überraschung. „Sie schienen verzweifelt zu sein … Ich glaube nicht, dass wir die Lage selbst mit unserer Autorität hier unter Kontrolle bringen können.“
Mönch Hushu, der dies hörte, runzelte unwillkürlich die Stirn.
„Ihr Netz hat sich also schon so weit ausgebreitet … Diese widerwärtigen Kreaturen …“, fluchte der Mönch leise.
„Haben wir irgendetwas unternommen, um das zu verhindern?“, fragte der Daoist Chu. „Wenn sie beeinflusst werden, müsste es doch irgendwelche Anzeichen dafür geben, oder?“
„Ja, die gibt es“, antwortete Kronprinzessin Shang. „Der kleine Shrubby“, verriet sie.
„Was?“, fragte Daoist Chu überrascht.
„Was macht er?“, fragte Ziran und hob die Augenbrauen.
„Er wurde überall in der Hauptstadt gesehen, wie er Leute von der Straße, aus ihren Häusern und aus den Wäldern verschleppt hat. Man nennt ihn jetzt den Purpurnen Phantom“, antwortete Kronprinzessin Shang. „Alle, die er mitgenommen hat, wiesen Spuren des ‚Einflusses‘ auf“, verriet sie.
„Er kann sie also tatsächlich finden?“, fragte Ziran angenehm überrascht.
„Ja, er kann sie riechen“, bestätigte Kronprinzessin Shang.
„Er ist besser als die meisten Soldaten und Ermittler, die wir geschickt haben“, warf Ältester Hu ein. „Er ist schnell, effizient und tödlich.“
„Alle geben ihr Bestes …“
~BOOM~
Doch gerade als die Kronprinzessin ihren Satz beenden wollte, erschütterte ein lauter Knall den Palast.
