Der Stamm der Dornenrausch-Dämonen und der Stamm der Widderhorn-Dämonen waren beide ziemlich gewalttätig, aber einer war noch schlimmer als der andere.
Der Stamm der Dornenrausch-Dämonen war einfach nur unvernünftig und ging oft auf Mordtour. Dass sie gerne Menschen töteten und aßen, weil sie sie für eine Delikatesse hielten, machte die Sache nicht besser und machte sie zu Erzfeinden.
Der Stamm der Widderhorn-Dämonen war um einiges besser als sie.
Sie waren zwar auch gewalttätig, aber nicht unvernünftig. Sie jagten Menschen nicht absichtlich und blieben einfach in ihrem Land.
Zumindest war das bei den meisten Stämmen im Universum so.
Xukong wusste nicht, ob das auch für die Welt des Rostigen Himmels galt, aber angesichts des Inhalts der Stele schien es ihm ziemlich wahrscheinlich.
„Wenn die Menschen und die Dämonen einen Vertrag geschlossen haben, dann ist das sicherlich schon lange her. Vielleicht gab es zu dieser Zeit noch nicht so viele Unsterbliche in der Welt des Rostigen Himmels“, vermutete Lin Mu, nachdem er alles gehört hatte.
„Das scheint mir wahrscheinlich“, stimmte Xukong zu.
Lin Mu beendete die Diskussion an dieser Stelle und überlegte, wie er das dem Verwalter sagen sollte. Schließlich konnte er dem Verwalter nicht alles erzählen. Es würde keinen Sinn machen, wenn Lin Mu all das wüsste, und es würde den Verwalter stattdessen misstrauisch machen.
Er verbrachte einige Minuten damit, eine plausible Erklärung zusammenzustellen, während er weiterhin auf die Stele starrte. Der Verwalter störte Lin Mu nicht, er dachte einfach, dass er arbeitete.
„Ich hab’s“, sagte Lin Mu schließlich.
„Wirklich?“, fragte der Verwalter nüchtern.
Er war nicht sonderlich begeistert, da schon mehrere Leute so getan hatten, als wüssten sie etwas über die Stele. Wenn Lin Mu also keine substanziellen Informationen hatte, würde er es nicht bestätigen.
„Ja … Diese Stele ist in der schamanischen Schrift der Dämonenstämme geschrieben“, sagte Lin Mu, woraufhin der Verwalter seine Miene veränderte. „Sie erzählt von einem Vertrag zwischen den Menschen und den Dämonen“, verriet er.
Schließlich verlor der Verwalter seine Gelassenheit und ein Ausdruck der Überraschung zeigte sich auf seinem Gesicht.
„Unmöglich … Ein Vertrag zwischen Menschen und Dämonen? Sie wurden ausgerottet und kein Mensch würde sich auf ihre Seite stellen“, sagte der Verwalter.
„Natürlich. Das ist jetzt der Fall“, stimmte Lin Mu zu. „Aus dem Text kann ich erkennen, dass diese Stele sehr, sehr alt ist. Möglicherweise stammt sie aus einer Zeit, als es noch keine der heutigen Mächte gab“, fügte er hinzu.
Der Verwalter hörte schweigend den Rest der Erklärung an, während der Schock in ihm wuchs. Und nachdem Lin Mu fertig gesprochen hatte, blieb der Mann noch einige Minuten lang still.
„Ich … muss das melden“, sagte der Verwalter.
„Heißt das, dass ich mich für das Tyrann-Stiermark qualifizieren kann?“, fragte Lin Mu.
„Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich muss das erst meinem Herrn melden“, antwortete der Verwalter, bevor er einen Kommunikations-Jade-Streifen herausholte.
Lin Mu sah, dass der Mann jemanden kontaktierte, und ließ ihn gewähren. Allerdings war er neugierig, wer dieser Herr sein mochte.
„Angesichts des Wertes der Stele selbst sollte es jemand sein, den das nicht beeindruckt. Es gibt nicht viele Unsterbliche, die von der Vorstellung einer unsterblichen Waffe oder einem Werkzeug der Spitzenklasse nicht in Versuchung geführt würden.
Hmm … es sollten zumindest Minister oder andere hohe Beamte sein“, überlegte Lin Mu.
Lin Mu beobachtete den Diener zehn Minuten lang, wie er mit der Jadetafel kommunizierte. Am Ende veränderte sich der Gesichtsausdruck des Mannes und er sah verblüfft aus.
„Was ist los?“, fragte Lin Mu, als er sah, dass der Mann ihn nun direkt ansah.
„Sie werden gebeten zu warten“, antwortete der Diener.
„Warten? Auf wen?“, fragte Lin Mu und runzelte die Stirn.
„Das wirst du bald erfahren“, antwortete der Diener, ohne jedoch zu sagen, warum.
Vielleicht hatte er Angst oder war angewiesen worden, nichts zu sagen. Lin Mu machte sich nichts daraus und freute sich nun darauf, diesen sogenannten Herrn kennenzulernen.
~SHUA~
Nur zwei Minuten später spürte Lin Mu, wie die Barriere um die Außenempfangshalle flackerte. Eine Energiefluktuation durchlief sie und ließ Lin Mu wissen, dass jemand Neues erschienen war.
„Sie haben die Barriere passiert, ohne aufgehalten zu werden?“ Lin Mu hob eine Augenbraue.
~KNARREN~
Doch bevor er nachsehen konnte, öffnete sich die Tür der Halle und ein Mann trat ein.
Er trug eine königliche Robe und strahlte eine edle Würde aus. Sein Kinn war scharf geschnitten, seine Augenbrauen waren gerade wie Schwerter. Sein Gesicht war glatt rasiert, sein langes Haar fiel ihm über den Rücken und wurde von einer goldenen Krone in Form eines Vogels zusammengehalten.
Aber das war noch nicht alles, denn der Mann strahlte auch eine dominante Aura aus. Außerdem waren die unsterblichen Qi-Schwankungen, die von ihm ausgingen, sehr stark, was Lin Mu alarmierte.
„Er … er ist auf der sechsten Stufe der Unsterblichen!“, war Lin Mu sich sicher.
Die Energiefluktuationen, die von dem Mann ausgingen, waren vergleichbar mit denen von General Niu Juo, nur dass sie nicht ganz so viel Lebenskraft hatten wie die des Halbogre-Mannes.
In Kombination mit den Roben, die der Mann trug, wurde Lin Mu klar, dass er diesen „Herrn“ unterschätzt hatte.
„Scheiße …“, fluchte Lin Mu innerlich.
Zum Glück behielt er ein neutrales Gesicht, als der edle Mann endlich sprach.
„Du bist also derjenige, der herausgefunden hat, was auf der Stele steht, hm … Interessant“, sagte der Mann mit einem Lächeln. „Aber bevor wir darauf eingehen, sollten wir uns erst einmal vorstellen.“
Er ging lässig auf die andere Seite des Tisches und setzte sich.
„Ich bin Feng Shun“, sagte der Mann. „Der Kronprinz des Dao-Wind-Reiches“, gab er zu verstehen.
„Und es kommt noch schlimmer …“, fluchte Lin Mu innerlich, vergaß aber nicht zu antworten. „Ich bin der Daoist Mu Lin. Es ist mir eine Ehre, den berühmten Kronprinzen kennenzulernen.“ Dann legte er die Hände aneinander.
„Ach, lass die Formalitäten weg. Kommen wir zum Wesentlichen, okay?“, sagte Feng Shun mit einem breiten Lächeln. „Sag mir … Wie hast du die schamanische Schrift der Dämonenstämme gelernt?“, fragte er.
