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Kapitel 98: Harlan (3)

Kapitel 98: Harlan (3)

Harlans Stimme wurde sanfter, aber sein Blick blieb streng. „Zum Schwertkampf gehört mehr als nur zu wissen, wie man tötet. Ein echter Schwertkämpfer versteht das Gleichgewicht zwischen Kraft und Anmut, zwischen der Klinge und der Hand, die sie führt. Du hast das Können, Junge, aber dir fehlt das Verständnis.

Du lässt die Bestie in dir das Schwert kontrollieren, anstatt die Bestie zu beherrschen und das Schwert zu einer Verlängerung deiner selbst werden zu lassen.“
„Die Bestie in mir beherrschen?“

Als ich das hörte, dachte ich plötzlich an die Vergangenheit. Es waren nur Bruchstücke, flüchtige Bilder aus einer Zeit, in der alles einfacher und doch viel komplizierter war.

Als ich zum ersten Mal eine Waffe in die Hand nahm und mein Meister mir den Umgang damit beibrachte, sagte er mir dasselbe.

„Du lächelst, wenn du kämpfst.“
Er hatte mich mit seinen scharfen, durchdringenden Augen beobachtet, und ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem er mich darauf angesprochen hat.

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Es war ein klarer Nachmittag, die Sonne warf lange Schatten über den Trainingsplatz. Ich stand vor ihm, ein hölzernes Übungsschwert in den Händen, mein junges Herz pochte vor Aufregung und etwas anderem – etwas Dunklerem.
Der Meister kam auf mich zu, sein Gesichtsausdruck war unlesbar, aber sein Blick war so ernst, dass ich mich ein wenig aufrichtete und den Griff fester umfasste.

„Junge“, sagte er mit ruhiger, aber fester Stimme. „Es gibt etwas, das du über den Weg, den du eingeschlagen hast, verstehen musst. Das Schwert ist mehr als nur eine Waffe. Es ist ein Spiegelbild der Seele, die es führt.“
Ich runzelte die Stirn, da ich seine Worte damals nicht ganz verstand. Für mich war das Schwert etwas, das ich benutzen wollte. Etwas, das eine Verlängerung meiner selbst war.

Aber der Meister hatte hinter meine naive Vorstellungskraft geblickt.

Er hatte das Biest in mir gesehen, den rohen, ungezähmten Hunger, der mich dazu trieb, die Klinge mit solcher Leidenschaft zu ergreifen.
„In dir steckt eine Bestie“, hatte er fortgefahren, ohne seinen Blick von mir abzuwenden. „Sie ist anders als die in anderen. Deine ist anders … Du suchst nicht einfach nur Stärke. Stärke allein wird dich nicht zufriedenstellen.“

Seine Worte trafen mich tief, eine Wahrheit, die ich nicht ganz anerkannt hatte. Ich hatte immer gedacht, dass mein Wunsch, stärker zu werden, derselbe sei wie der aller anderen – ein natürlicher Drang, mich selbst zu schützen.
Aber der Meister hatte recht. Da war etwas Tieferes, etwas Verzehrenderes.

„Du willst mehr als nur Stärke“, sagte der Meister, und seine Stimme hatte ein Gewicht, das mein Herz höher schlagen ließ. „Du willst mit Klingen kämpfen. Du willst dich lieber mit deiner Klinge unterhalten als mit Worten. Jeder Schwung, jeder Stoß – es ist, als würdest du durch dein Schwert sprechen und alles offenbaren, was du tief in dir vergraben hast.“
Seine Worte fühlten sich an, als würde er die Schichten meiner Seele zurückziehen und die nackte Wahrheit offenbaren, die ich selbst vor mir selbst zu verbergen versucht hatte. Die Klinge war für mich nicht nur ein Werkzeug, sie war eine Stimme, ein Mittel, um die Emotionen und Gedanken auszudrücken, die ich nicht in Worte fassen konnte. Der Nervenkitzel des Kampfes, die Verbindung zwischen zwei Kriegern, die mit allem, was sie hatten, aufeinanderprallten – da fühlte ich mich wirklich lebendig.
„Aber das ist gefährlich“, hatte der Meister gesagt, und sein Tonfall war ernst geworden. „Wenn du durch deine Klinge sprichst, öffnest du dich, legst du deine Seele bloß. Und in diesem Nervenkitzel, in diesem Moment der Verbindung, verlierst du dich selbst. Die Bestie in dir übernimmt die Kontrolle und treibt dich dazu, härter, schneller und rücksichtsloser zu kämpfen.
Es geht nicht nur um Sieg oder Niederlage – es geht um den Rausch, das Gefühl, in diesem Moment voll und ganz am Leben zu sein.“

Bevor er weiter mit mir reden konnte, verließ er diese Welt und ließ mich zurück, um darüber nachzudenken, was er damit gemeint hatte.

Und ich hatte immer noch nicht die richtige Balance gefunden.

///////

Als die Erinnerung verblasste, war ich wieder in Harlans Schmiede, und die Worte meines Meisters hallten noch in meinen Ohren.

Harlan hatte recht. Ich kämpfte wild und ungeschliffen, getrieben von einem Hunger, der nicht ganz meiner eigene war. Ich musste einen Weg finden, um diesen Urinstinkt und die Präzision, die meine Waffe verlangte, in Einklang zu bringen.
„Die Bestie in mir beherrschen …“, murmelte ich leise, und meine Entschlossenheit wuchs. Es war eine Reise, die ich vor langer Zeit begonnen hatte, aber noch nicht wirklich verstanden hatte.

Harlan, der mich immer noch aufmerksam beobachtete, schien die Veränderung in meinem Verhalten zu bemerken. „Du hast das Können“, wiederholte er mit leiserer Stimme.
„Aber Können ohne Kontrolle ist wie ein Schwert ohne Griff – es schneidet dich genauso leicht wie deinen Feind. Vergiss das nicht.“

Vitaliaras Stimme hallte in meinem Kopf wider, ihr Tonfall ruhig, aber mit Besorgnis unterlegt. [Ich habe bisher nichts gesagt, weil es nicht schädlich war, aber du weißt, dass du dich veränderst, wenn du das Schwert in der Hand hältst, Lucavion. Da ist etwas anders an dir, etwas, das sogar ich spüren kann.]
Ich runzelte leicht die Stirn, denn ihre Worte trafen genau den Punkt, der mir seit Harlans harscher Kritik durch den Kopf gegangen war. „Du hast es auch bemerkt?“, fragte ich leise und warf einen Blick auf den Degen in meiner Hand.
„Natürlich habe ich das“, antwortete sie mit sanfter Stimme. „Du wirst … schärfer, konzentrierter, aber auch distanzierter. Es ist, als würdest du etwas anderes übernehmen lassen, etwas, das nicht ganz du bist. Das macht mir Sorgen.“

Ich atmete langsam aus, das Gewicht ihrer Beobachtung lastete schwer auf mir. „Was soll ich tun?“, fragte ich und wandte meinen Blick wieder Harlan zu.
„Damit du mir eine Waffe schmiedest? Eine, die mir hilft, dieses … Biest in mir zu beherrschen.“

Harlan sah mich lange an, seine Augen musterten mich mit einer Tiefe, die mich entblößt fühlen ließ, als könne er jeden Makel, jeden Zweifel in mir sehen. Dann fiel sein Blick auf den Degen in meiner Hand, und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich leicht.
„Die Klinge, die du da hältst“, sagte Harlan mit rauer, aber fester Stimme, „hat ihre besten Tage hinter sich. Du hast sie weit über ihre Grenzen hinausgetrieben. Wenn du willst, dass ich dir eine Waffe schmiede, musst du mir beweisen, dass du dich beherrschen kannst – dass du diese Bestie beherrschen kannst.“

Ich nickte und umklammerte den Griff meines Estocs fester. „Wie?“
Harlan verzog die Lippen zu einem kleinen, fast unmerklichen Lächeln. „Es gibt eine Bande von Banditen, die in dieser Gegend Unruhe stiften. Sie nutzen den Krieg und die Unordnung aus und terrorisieren die umliegenden Dörfer. Schalte sie aus. Aber hier ist der Haken: Du musst es mit der Klinge tun, die du gerade in der Hand hältst.
Wenn sie danach noch intakt ist, bekommst du deine neue Waffe.“

Aber während er das sagte, fielen mir seine letzten Worte auf. „Wenn ich es schaffe, bekomme ich meine neue Waffe?“

Harlans Lächeln wurde breiter, und in seinen Augen blitzte etwas fast Verspieltes auf. „Wenn du es schaffst, bekommst du deine Waffe. Aber ich will die Bezahlung im Voraus.“

„Bezahlung im Voraus?“, wiederholte ich verwirrt.
Harlans Augen funkelten vor wissender Belustigung, als er die Verwirrung in meinem Gesicht sah. „Genau. Gib alles, was du hast. Die Materialien.“

Ich zögerte einen Moment, bevor ich fragte: „Woher weißt du das?“
Harlan lachte leise, und seine raue Stimme klang ein bisschen warm. „Ich habe schon viel zu viele Leute wie dich gesehen, Junge. Dieser Glanz in deinen Augen, die Aufregung, die du zu verbergen versuchst … Das ist derselbe Ausdruck, den alle Schwertkämpfer haben, wenn sie etwas Wertvolles gefunden haben. Es ist sonnenklar. Du wärst nicht so scharf auf eine neue Waffe, wenn du nicht das Material hättest, um sie herzustellen.“
Ein Seufzer entfuhr mir, als mir klar wurde, wie durchschaubar ich für ihn sein musste. Ich kam mir vor wie ein Kind vor diesem alten Mann, der weit mehr gesehen und erlebt hatte, als ich mir vorstellen konnte.

Das Gefühl war seltsam vertraut – es erinnerte mich an meine Zeit bei meinem Meister, obwohl es einen feinen Unterschied gab.
Damals, als ich bei meinem Meister war, war ich wirklich noch ein Kind.

Ein schwaches Lächeln huschte über meine Lippen, als ich in den kleinen Beutel an meiner Seite griff. „Dann hat es wohl keinen Sinn, es zu verstecken“, sagte ich und holte eine Handvoll seltener, glänzender Schuppen hervor, die ich gesammelt hatte.
Harlans Blick blieb auf den Schuppen haften, die ich ihm reichte, deren glänzende Oberfläche das schwache Licht der Schmiede reflektierte. Er fuhr mit den Fingern über die raue Oberfläche, sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Bewunderung und Überraschung. „Die Schuppen eines Abyssal Wyrm … Nein, die stammen von einem Lesser One“, sagte er mit einer Spur von Anerkennung in der Stimme. „Du hast dieses Biest selbst gejagt?“

Ich hielt seinem Blick stand und nickte. „Ja, das habe ich.“

Einen Moment lang war es still, während Harlan mich musterte und seine Augen leicht zusammenkniff. Der Druck seines Blickes war spürbar, als wollte er mich durchschauen und verstehen, was für ein Mensch in meinem Alter es wagen würde, sich einer solchen Kreatur zu stellen.
Schließlich stieß er einen leisen, beeindruckten Pfiff aus. „Nur jemand wie du hätte den Mut, sich in deinem Alter mit so einer Bestie anzulegen. Die meisten würden vor einem Kleinen Abyssal Wyrm davonlaufen, statt ihn zu suchen.“

Ein Grinsen huschte über meine Lippen, deren Ecken sich leicht nach oben verzogen. „Ich bin schließlich selbst eine Bestie.“
Harlan lachte leise, ein tiefes, raues Lachen, das durch die Schmiede hallte. „Gut, dass du dich selbst kennst“, sagte er mit einem respektvollen Glanz in den Augen. „Die meisten Menschen verbringen ihr ganzes Leben damit, herauszufinden, wer sie sind. Du hast das schon geschafft.“

Ich zuckte mit den Schultern, während seine Worte auf mich wirkten. „Das musste ich lernen, ob ich wollte oder nicht.“
Harlans Blick wurde etwas weicher, seine raue Art ließ ein wenig nach. „Du bist jung, aber du hast schon viel durchgemacht, nicht wahr? Solche Erfahrungen prägen einen Menschen, im Guten wie im Schlechten.“

Seine Worte trafen mich tief, sie erinnerten mich an die Kämpfe, die ich ausgefochten hatte, an die Leben, die ich genommen hatte, und an die sichtbaren und unsichtbaren Narben, die ich mit mir trug.
„Das hat mich zu dem gemacht, der ich bin“, antwortete ich leise, und die Wahrheit dieser Worte hallte in meinem Herzen wider.
Harlan nickte, als würde er mehr verstehen, als er zeigte. „Nun, Junge, du hast den richtigen Geist und die nötigen Fähigkeiten. Aber denk daran, eine gute Waffe ist nicht nur das, was sie kann. Es geht um die Verbindung zwischen der Klinge und demjenigen, der sie führt. Wenn du dieses Schwert intakt halten kannst, während du die Banditen ausschaltest, hast du dir eine Waffe verdient, die dich dein Leben lang begleiten wird.“

„Und wenn die Klinge nicht ausreicht?“
Irgendwann zweifelte ich daran, dass eine Klinge aus den Schuppen eines Monsters der höchsten Stufe 3 in Zukunft so viel aushalten würde.

„Dann ist es die Schuld der Klinge, nicht deine. Konzentriere dich vorerst nur auf dich selbst, Junge. Vielleicht siehst du die Klinge selbst nicht.“

„Haha … das ist richtig.“

Er warf einen letzten Blick auf die Schuppen, bevor er sie vorsichtig beiseite legte. „Ich werde mit den Vorbereitungen für die Schmiede beginnen.
Konzentrier dich auf die Aufgabe, die vor dir liegt. Aber vergiss nicht: Das ist nicht nur eine Prüfung deiner Stärke. Es ist eine Prüfung deiner Persönlichkeit.“

Ich nickte, und das Gewicht seiner Worte lastete schwer auf meinen Schultern. „Ich verstehe.“

Als ich mich umdrehte, um die Schmiede zu verlassen, fühlte ich mich irgendwie ein wenig erfüllt.

„Lass uns jetzt ausruhen. Es ist schon eine Weile her, seit ich in einer Herberge übernachtet habe.“
Zum Glück hatte ich noch etwas Geld aus dem Imperium in meiner Tasche.

Das würde für eine Weile reichen.

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Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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