RUHE!
In der Taverne war es plötzlich total still, und die Luft war voll von dem scharfen Geruch von Blut. Alle Augen waren auf die Szene gerichtet, und die Spannung, die sich aufgebaut hatte, platzte bei dem Anblick des blutroten Flecks auf dem Holzboden.
Das Geräusch des Schwertes, das durch die Luft schnitt, und der darauf folgende Blutspritzer schienen in den Köpfen aller Anwesenden nachzuhallen und setzten einen brutalen Schlusspunkt unter die Gewalt, die so plötzlich ausgebrochen war.
Radgar stand wie erstarrt da, sein Schwert noch immer erhoben, sein Atem ging in harten, unregelmäßigen Stößen. Seine Augen waren weit aufgerissen, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Wut und Ungläubigkeit. Für einen Moment schien er nicht begreifen zu können, was gerade passiert war.
Der junge Mann saß immer noch auf seinem Stuhl und hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sein Grinsen war ungebrochen, und seine pechschwarzen Augen waren weiterhin auf Radgar gerichtet.
Aber das Blut – das konnte jetzt jeder sehen – war nicht seines. Es war Radgars Blut, das den Boden befleckte und stetig aus einer tiefen Wunde an seinem Unterarm tropfte, wo die unsichtbare Klinge des Reisenden mit präziser, tödlicher Effizienz Fleisch und Muskeln durchtrennt hatte.
Die Gäste, die sich auf ihren Stühlen zurückgezogen hatten, starrten nun mit einer Mischung aus Entsetzen und morbider Faszination auf die Szene.
Zwar hatte es in der Taverne schon früher Schlägereien gegeben, und es war viel gedroht und gebrüllt worden, aber noch nie hatten sie an diesem Ort so offen Blut vergossen gesehen – vor allem nicht das Blut eines so gefürchteten Mannes wie Radgar.
Der Schock hallte durch den Raum und verwandelte die einst lebhafte Taverne in einen Ort, an dem nur noch leise geflüstert und ängstliche Blicke ausgetauscht wurden. Niemand wagte sich zu bewegen oder laut zu sprechen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Radgar, der noch von der plötzlichen Wunde benommen war, taumelte zurück und umklammerte seinen Arm. Sein Schwert fiel zu Boden, vergessen in seinem Schmerz und seiner Verwirrung.
Sein Gesichtsausdruck zeigte völlige Fassungslosigkeit – Fassungslosigkeit darüber, dass dieser junge Mann, den er als bloßen Reisenden abgetan hatte, ihn nicht nur verspottet, sondern ihm auch noch so leicht das Blut vergossen hatte.
Der junge Mann stand langsam von seinem Stuhl auf, seine Bewegungen ruhig und bedächtig. Als er seine volle Größe erreicht hatte, sprang die kleine Katze, die auf dem Tisch gesessen hatte, zurück auf seine Schulter, als wäre auch sie von der gerade stattgefundenen Gewalt unbeeindruckt.
Der Reisende ließ Radgar nicht aus den Augen, sein Gesichtsausdruck war unlesbar, während er den Mann betrachtete, der versucht hatte, ihn niederzustrecken.
„Du … du Bastard …“, zischte Radgar mit zusammengebissenen Zähnen, seine Stimme zitterte vor Schmerz und Wut. Aber das Feuer, das ihn noch vor wenigen Augenblicken angetrieben hatte, war erloschen und wurde von einer wachsenden Angst ersetzt, die er nicht länger verbergen konnte.
Der Reisende sprach endlich, seine Stimme so kalt und schneidend wie die Klinge, die Radgar verwundet hatte. „Ich habe es dir gesagt“, sagte er leise, die Worte kaum mehr als ein Flüstern, doch sie hatten das Gewicht eines Todesurteils. „Du hast einen Fehler gemacht.“
In der Taverne herrschte Totenstille, die Spannung war so dick, dass man kaum atmen konnte. Greta, die gerade rechtzeitig aus der Küche zurückgekommen war, um die Folgen zu sehen, stand wie angewurzelt da, die Augen vor Schock weit aufgerissen.
Der Anblick des Blutes auf dem Boden und die Erkenntnis, dass der junge Mann es vergossen hatte, ohne auch nur aufzustehen, erfüllten sie mit einer Mischung aus Angst und Ehrfurcht.
Die Männer, die Radgar in die Taverne gefolgt waren, standen nun dicht gedrängt beieinander, ihre Gesichter blass vor Angst und Wut.
Der Anblick ihres Anführers Radgar, der so mühelos niedergestreckt worden war, hatte sie bis ins Mark erschüttert, aber da war noch etwas anderes, das an ihnen nagte – eine Empörung, die direkt unter der Oberfläche brodelte.
Sie hatten Monate, ja sogar Jahre damit verbracht, sich in Rackenshore einen Ruf aufzubauen, und hatten von der Angst und dem Respekt gelebt, die ihnen ihre neu gewonnene Macht verschafft hatte.
Und jetzt, innerhalb weniger Augenblicke, zerfiel dieser Ruf vor ihren Augen.
Radgar, obwohl verwundet und sichtlich Schmerzen leidend, konnte die Demütigung nicht hinnehmen. Sein Blick huschte zwischen dem jungen Mann, der vor ihm saß, und seinen eigenen Männern hin und her, und die Wut, die ihn noch vor wenigen Augenblicken angetrieben hatte, begann wieder zu lodern.
Er hasste das, hasste die Tatsache, dass er so leicht besiegt worden war, hasste den Gedanken, dass die Leute in dieser Taverne – Leute, die einst vor ihm gekauert hatten – nun seinen Untergang mit ansahen.
Er biss die Zähne zusammen und versuchte, den Schmerz und die Angst zu überwinden, die ihn zu überwältigen drohten.
„So kann es nicht enden“, dachte er, während sein Stolz nach Vergeltung schrie. Sein Blick traf den seiner Männer, und in diesem kurzen Austausch entstand ein stilles Einverständnis zwischen ihnen.
Jeder von ihnen nickte, ihre Mienen verhärteten sich, als sie sich darauf vorbereiteten, ihre zerbrochene Ehre wiederherzustellen.
Doch bevor sie auch nur einen Schritt machen konnten, hob der junge Mann den Kopf und fixierte sie mit ruhigem, kaltem Blick. Seine Stimme war leise, aber sie trug eine eisige Gewissheit in sich, die das Blut in ihren Adern gefrieren ließ. „Was ihr gerade denkt … ist keine gute Idee.“
Die Männer erstarrten, ihre Tapferkeit schwand, als die Worte des jungen Mannes die Spannung wie ein Messer durchschnitten. Sie warfen sich unruhige Blicke zu, ihre frühere Zuversicht schwankte unter dem Gewicht seines Blickes.
Doch dann gelang es einem von ihnen, einem stämmigen Mann mit einem vernarbten Gesicht, ein Grinsen zu zeigen, wobei sein Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen, in seinem gezwungenen Gesichtsausdruck deutlich zu erkennen war.
„Und warum das, hm?“, spottete der Mann, seine Stimme klang in der Stille des Raumes hohl. „Glaubst du etwa, wir lassen dich einfach so gehen, nach dem, was du Radgar angetan hast?“
Der junge Mann zuckte nicht mit der Wimper, bewegte sich nicht. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, seine Augen waren ruhig und unerschütterlich. „Weil, wenn ich mein Schwert einmal gezogen habe“, sagte er leise, seine Worte schärfer als jede Klinge, „wird es nicht in die Scheide zurückkehren, ohne zu schneiden.“
Die Bedeutung seiner Worte war klar – tödlich klar.
„Deshalb schlage ich vor, dass ihr zurücktretet … Sonst werde ich dieses Mal keine Gnade zeigen.“
In dem Moment, als die Worte des jungen Mannes in der Luft hingen, spürten die Männer es – einen kalten, erstickenden Druck, der sich auf sie zu senken schien, sich um ihre Brust legte und ihnen den Atem raubte.
Es war nicht nur Angst, es war etwas viel Ursprünglicheres, etwas, das an den tiefsten Stellen ihres Instinkts kratzte.
„Was ist das …?“, dachte einer der Männer, während sein Herz in seiner Brust pochte und eine Welle purer Angst ihn überflutete.
Es war nicht nur die ruhige Haltung des jungen Mannes oder seine drohenden Worte – es war etwas viel Dunkleres, etwas Rohes und Ungezügelte, das den Raum wie ein dichter, erstickender Nebel erfüllte.
Die Absicht, die sie spürten, war nicht irgendeine gewöhnliche Mordlust – es war Blutdurst, pur und ungefiltert.
Es war die Art von Blutdurst, die nur ein erfahrener Mörder ausstrahlen konnte, einer, der unzählige Leben genommen hatte. Die Luft war davon erfüllt, schwer und bedrückend, als stünden sie in der Gegenwart einer Bestie, eines Raubtiers, das keine Skrupel hatte, sie zu zerreißen.
Ihr Instinkt schrie sie an, zu rennen, vor dieser Macht zu fliehen, die so viel größer war als alles, was sie je erlebt hatten. Der junge Mann vor ihnen war kein einfacher Reisender – er war ein Schlächter, jemand, der im Blut anderer gebadet hatte, jemand, der wusste, wie man tötet, und der nicht zögern würde, es zu tun.
„Junger Mann.“
Die bedrückende Atmosphäre in der Taverne wurde plötzlich von einer tiefen, hallenden Stimme unterbrochen, die vom Eingang kam.
Alle Augen richteten sich auf die Quelle der Stimme. In der Tür stand ein alter Mann, dessen Gestalt trotz seines Alters breit und imposant war. Sein Bauch war groß, ein Beweis für ein erfülltes Leben, aber die Kraft in seiner Haltung und die Autorität, die er ausstrahlte, waren unverkennbar.
Sein Gesicht war zwar von den Falten der Zeit gezeichnet, strahlte aber eine väterliche Wärme und Ruhe aus, die in scharfem Kontrast zu der erdrückenden Spannung im Raum stand.
Der junge Mann, der immer noch an seinem Tisch saß, drehte langsam den Kopf, um den Neuankömmling anzusehen. Die Blutgier, die wie ein dichter Nebel in der Luft gehangen hatte, schien zu schwanken, und ihr bedrückendes Gewicht verlagerte sich leicht, als die ruhige Stimme des alten Mannes die Stille durchbrach.
„Junger Mann“, wiederholte der alte Mann mit sanfter, aber fester Stimme, „es ist besser für dich, diese Blutgier zu kontrollieren. Du erstickst alle hier, nicht nur diese Dummköpfe.“ Er deutete mit einer ausladenden Geste auf die anderen Gäste, von denen einige sichtlich unter dem Gewicht der rohen, ungefilterten Mordlust des jungen Mannes zu kämpfen hatten.
Erst jetzt schien der junge Mann zu bemerken, welche Wirkung er auf die anderen Gäste der Kneipe hatte. Das Grinsen, das um seine Lippen gespielt hatte, verschwand langsam, und sein Blick wurde weicher, als er sich im Raum umsah.
Die Gesichter der Gäste waren blass, ihre Augen vor Angst weit aufgerissen. Einige krallten sich an den Tischkanten fest, ihre Knöchel waren weiß, während andere nach Luft schnappten, als hätte ihnen jemand die Luft aus den Lungen gedrückt.
Einen kurzen Moment lang sagte der junge Mann nichts.
„Seufz…“
Dann atmete er langsam und bewusst tief durch, schloss die Augen und ließ die Blutgier, die er ausgestrahlt hatte, los. Die Wirkung trat sofort ein.
Die bedrückende Schwere verschwand aus dem Raum, die Luft schien klarer zu werden, und die Gäste stießen einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus, als der Druck auf ihren Brustkorb nachließ.
Der alte Mann nickte anerkennend, sein Blick war fest, als er sich dem Tisch des jungen Mannes näherte.
Die Angst im Raum verschwand nicht vollständig, aber sie ließ mit der Anwesenheit des alten Mannes deutlich nach, als wäre seine bloße Anwesenheit ein beruhigendes Mittel gegen den Schrecken, der sie alle gerade noch erfasst hatte.
„Danke“, sagte der alte Mann mit freundlicher Stimme, in der jedoch eine strenge Untertönung mitschwang, als er sich zu Radgar und den anderen umwandte.
„Verlasst sofort diesen Ort, ihr Narren. Seht ihr nicht, wie die Stimmung ist?“
Die Stimme des alten Mannes war zwar ruhig, aber sie hatte eine unverkennbare Autorität, die Radgar und seinen Männern einen Schauer über den Rücken jagte.
Seine Worte waren ein Befehl, keine Bitte, und seine imposante Erscheinung machte deutlich, dass Widerstand zwecklos war.
Radgar, der immer noch seinen verwundeten Arm umklammerte, fühlte eine Welle der Demütigung über sich hinwegrollen. Er war bereits von dem jungen Reisenden besiegt worden, und nun befahl ihm dieser alte Mann herum, als wäre er ein Kind.
Aber der Schmerz in seinem Arm und die bedrückende Atmosphäre, die immer noch im Raum hing, nahmen ihm jeden Rest von Trotz. Die Erinnerung an die Blutgier, die ihn fast zerquetscht hätte, war zu frisch, zu lebendig.
Die anderen, die kurz davor gewesen waren, ihre Waffen zu ziehen, um ihre Ehre zu retten, konnten dem Blick des alten Mannes plötzlich nicht mehr standhalten.
„Tch.“
Mit einem Zungenschnalzen drehte Radgar sich um und eilte zur Tür, seine Schritte ungleichmäßig, während er trotz seiner Niederlage versuchte, einen Anschein von Würde zu wahren. Seine Männer folgten ihm, ihre Gesichter eine Mischung aus Angst und Scham.
Die Tapferkeit, die sie zuvor angetrieben hatte, war verschwunden und durch das verzweifelte Bedürfnis ersetzt worden, so schnell wie möglich aus dieser Situation zu entkommen.
Die Gäste sahen schweigend zu, wie Radgar und seine Kumpanen aus der Kneipe flohen, ihre eiligen Schritte hallten in dem ruhigen Raum wider.
Die Tür schwang hinter ihnen zu, mit einer Endgültigkeit, die ihr Schicksal zu besiegeln schien, und hinterließ die Kneipe wieder in der ruhigen, fast heiligen Stille, die mit der Ankunft des alten Mannes hereingebrochen war.
„Tsk. Die Jugend von heute.“
Der alte Mann sprach und ging dann zur Bar.
„Greta, gib mir ein Bier.“
Und bestellte ein Bier.
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