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Kapitel 92: Spannung

Kapitel 92: Spannung

„Hey, du da!“, rief Radgar, und seine Stimme hallte durch den Raum. „Du hast ganz schön Nerven, einfach so hier reinzukommen.“

Der Reisende reagierte nicht. Er streckte nur die Hand aus, um die Katze hinter den Ohren zu kraulen, seine Bewegungen waren langsam und bedächtig, als hätte er Radgar überhaupt nicht gehört.
Radgars Augen verengten sich, und die Männer an seinem Tisch warfen sich unruhige Blicke zu. Greta spürte, wie die Spannung wieder stieg und der Raum am Rande einer gefährlichen Situation stand.

Aber der Reisende blieb unbeeindruckt, sein Schweigen und seine Regungslosigkeit waren irgendwie beunruhigender als alle Worte, die er hätte sagen können. Die Katze schnurrte leise, die Augen halb geschlossen, während sie die Aufmerksamkeit genoss, völlig unbeeindruckt von dem sich zusammenbrauenden Sturm um sie herum.
Gretas Herz pochte in ihrer Brust, als sie die Szene beobachtete. Sie kannte Radgar gut genug, um zu wissen, dass er diese vermeintliche Beleidigung nicht unwidersprochen hinnehmen würde. Doch irgendetwas an dem Reisenden ließ sie vermuten, dass er trotz seiner rauen Erscheinung niemand war, mit dem man leichtfertig scherzen sollte.

Radgar machte einen Schritt nach vorne, seine Haltung aggressiv. „Ich rede mit dir, Reisender. Zeig etwas Respekt, oder …“
Der Reisende hob endlich den Kopf, seine Kapuze fiel gerade so weit zurück, dass man seine durchdringenden, pechschwarzen Augen sehen konnte, die eine Tiefe zu haben schienen, die weit über sein Alter hinausging.

Er sagte nichts, aber sein Blick genügte, um Radgar in seinen Spuren innehalten zu lassen. Dann senkte der Neuankömmling langsam seine Kapuze und enthüllte sein Gesicht, das eine Welle der Überraschung durch den Raum gehen ließ.
Er war tatsächlich jung, wie viele vermutet hatten, aber seine Gesichtszüge waren auffällig. Seine Haut war blass, fast leuchtend im schwachen Licht der Taverne, mit einer markanten Kinnlinie und hohen Wangenknochen, die ihm ein vornehmes Aussehen verliehen.

Sein Gesicht war glatt, ohne die Rauheit eines erfahrenen Kriegers, aber etwas an seinem Ausdruck – ruhig, gelassen und leicht kühl – deutete auf ein Leben hin, das alles andere als gewöhnlich war.
Was jedoch alle auffiel, war nicht nur die Jugend des Reisenden oder seine markanten Gesichtszüge, sondern die lange Narbe, die die rechte Seite seines Gesichts entstellte und von der Stirn bis über die Wange verlief.

Sie durchzog die makellose weiße Haut wie eine gezackte Erinnerung an Gewalt und verlieh ihm trotz seines ansonsten gutaussehenden Gesichts etwas Bedrohliches.
Am beunruhigendsten waren jedoch seine Augen – pechschwarz, wie zwei leere Abgründe, die das Licht um ihn herum zu verschlucken schienen. Diese Augen, voller beunruhigender Tiefe, hielten Radgars Blick fest und ließen ihn wie angewurzelt stehen. Die Stille, die auf das Erscheinen des Reisenden folgte, war dicht und bedrückend, als hätte sich die Luft im Raum verfestigt.
Radgar blinzelte und ein kurzer Ausdruck von Zweifel huschte über sein Gesicht. „Er ist nur ein Kind“, dachte er und versuchte, die plötzliche Angst zu verdrängen, die ihn erfasst hatte. „Ein verdammtes Kind mit einer Narbe.“

Aber der Zweifel blieb und nagte an seiner Tapferkeit. Wie konnte dieser junge Mann, kaum mehr als ein Junge, mit seinen rauen Kleidern und seiner Reisegepäck, ihn so einschüchtern?
Radgar ballte die Fäuste, um das ungute Gefühl zu verdrängen, und redete sich ein, dass das kalte Auftreten und die Narbe des Jungen nichts zu befürchten gaben.

Der Reisende schien sich der Aufmerksamkeit nicht bewusst zu sein, wandte seinen Blick von Radgar ab und sah zu Greta, die immer noch in der Nähe stand, angespannt und unsicher.
Als er endlich sprach, klang seine Stimme ruhig und fest und hatte überraschend viel Autorität. „Ich hätte gern was zu essen, bitte. Etwas Warmes.“

Die Bitte war einfach und höflich, aber es war die völlige Missachtung von Radgars Anwesenheit, die ihn traf. Radgar presste die Kiefer aufeinander, sein Gesicht wurde rot, als er merkte, dass er ignoriert wurde.
Die Gäste in der Taverne hielten den Atem an, weil sie spürten, dass es gleich zu einer Konfrontation kommen würde.

Greta zögerte einen Moment, bevor sie nickte, dankbar für die Ablenkung von Radgars unerwünschter Aufmerksamkeit. „Natürlich“, antwortete sie mit leiser, aber fester Stimme. Sie ging schnell in Richtung Küche, um die Bestellung des Reisenden zu erfüllen und etwas Abstand zwischen sich und Radgar zu bringen.
Doch als sie sich umdrehte, rastete Radgar aus. Die Demütigung, von diesem Fremden vor den Augen der ganzen Gaststätte abgewiesen zu werden, war zu viel für ihn. Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu, seine Haltung noch aggressiver als zuvor. „Hey! Ich rede mit dir, du kleines Miststück!“, spuckte er mit lauter, wütender Stimme.
Der Reisende reagierte nicht sofort, sondern konzentrierte sich weiterhin auf Greta, die sich zurückzog. Als er seine Aufmerksamkeit wieder Radgar zuwandte, war sein Blick kalt und gleichgültig, als wäre der Ausbruch des größeren Mannes nichts weiter als eine Belästigung.
Radgars Wut flammte noch heftiger auf, angefacht durch die Verachtung, die er in den Augen des Reisenden sah. Er war es gewohnt, gefürchtet, respektiert – oder zumindest gehorcht – zu werden, besonders jetzt, wo er die Unterstützung des Barons hatte. Die ruhige Trotzhaltung dieses Jungen hatte er nicht erwartet und brachte sein Blut in Wallung.
„Du denkst, du kannst einfach hier reinspazieren, mich ignorieren und damit davonkommen?“, knurrte Radgar und griff nach dem Schwert an seiner Seite. „Ich werde dir etwas Respekt beibringen.“
Der junge Mann verzog die Lippen zu einem spöttischen Grinsen, das Radgar eindeutig verhöhnen sollte. Seine pechschwarzen Augen funkelten vor Belustigung und Herausforderung, als er sich leicht in seinem Stuhl zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.

„Wirklich? Und wie genau willst du mir diesen Respekt beibringen?“, fragte er in einem herablassenden Tonfall.

Die Stichelei traf ins Schwarze. Radgars Augen blitzten vor Wut, und vor lauter Zorn verengte sich sein Blick auf das grinsende Gesicht vor ihm.
Das Blut rauschte in seinen Ohren und übertönte das Gemurmel der Umstehenden, während er den Griff um sein Schwert fester umklammerte. Die ruhige Trotzhaltung des jungen Mannes, seine Dreistigkeit, ihn vor allen Leuten zu verspotten, war mehr, als Radgar ertragen konnte.

„Für wen hältst du dich eigentlich, du kleiner Scheißer?“, spuckte Radgar mit leiser, gefährlicher Stimme. „Du bist wohl neu hier, dann werde ich dich mal aufklären.“
Radgars Worte waren voller Gift, aber sie hatten auch ein Gewicht, das eine Welle der Unruhe durch die Menge schickte.

Es gab einen Grund, warum Radgar in Rackenshore über seine Position in der Garnison und die Unterstützung des Barons hinaus Angst einflößte. Radgar war nicht irgendein Soldat – er war ein Erwachter, ein Mann, der eine Machtstufe erreicht hatte, die über die der normalen Menschen hinausging.
Um überhaupt für die Garnison in Frage zu kommen, musste man mindestens ein 1-Stern-Erwachter sein, jemand, der die latente Energie in sich selbst erschlossen hatte und dadurch seine Kraft, Geschwindigkeit und Fähigkeiten weit über die normalen menschlichen Grenzen hinaus gesteigert hatte.
Radgar hatte das Glück, das Talent zum Erwachen zu besitzen, eine Tatsache, die er wie eine Waffe einsetzte, um seine Dominanz über die Leute von Rackenshore zu behaupten.

Der Raum schien um sie herum zu schrumpfen, die Spannung stieg, als Radgars Wut wuchs. Die anderen Gäste warfen sich nervöse Blicke zu, da sie genau wussten, wozu Radgar fähig war. Sein Temperament war berüchtigt, und jeder wusste, dass es kein Zurück mehr gab, wenn es einmal entfesselt war.
Der junge Reisende jedoch zuckte nicht mit der Wimper. Wenn überhaupt, wurde sein Grinsen noch breiter, als fände er die ganze Situation amüsant. Er beugte sich leicht vor, seine Stimme war ruhig, aber mit einer Schärfe, die die Spannung durchbrach. „Oh, ich weiß sehr wohl, was du bist. Ein 1-Stern-Erwachter, richtig?“ Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, ohne sein Grinsen zu verlieren.
„Aber sag mir, glaubst du wirklich, dass dich das stark macht?“

Die Frage hing in der Luft, ihre Bedeutung war klar. Radgar war in der Tat stärker als der Durchschnittsbürger von Rackenshore – stärker als alle Gäste in der Taverne und sogar stärker als die meisten Soldaten der Garnison. Aber die Art, wie der junge Mann sprach, mit solcher Selbstsicherheit und Verachtung, ließ vermuten, dass er Radgars Erwachen überhaupt nicht beeindruckend fand.
Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte Ragna, ob dieser Bastard vielleicht ein Kind eines Adligen oder so etwas war. Aber kein Kind eines Adligen würde eine solche Narbe im Gesicht haben.

Radgars Wut explodierte. „Du kleiner Bastard!“, brüllte er, zog sein Schwert vollständig und ging mit mörderischer Absicht auf den Reisenden zu.
Die Gäste schnappten nach Luft, einige schreckten in ihren Sitzen zurück, andere griffen instinktiv nach ihren eigenen Waffen, doch niemand wagte es, einzugreifen.

Der junge Mann blieb sitzen und ließ Radgar nicht aus den Augen, während der größere Mann mit gezücktem Schwert über ihm stand. Aber statt Angst zeigte sein Gesichtsausdruck nichts als ein Grinsen. Dasselbe Grinsen wie zuvor.
„Du denkst, du kannst mich einfach verspotten und dann davonlaufen?“, knurrte Radgar, seine Stimme zitterte vor kaum unterdrückter Wut. „Ich werde dir zeigen, was mit denen passiert, die mich nicht respektieren!“

Radgars Schwert glänzte im schwachen Licht der Taverne, als er es hob, bereit, es mit aller Kraft auf den Reisenden niedersausen zu lassen.

SWOOSH!

Die Klinge fiel herab, als sie den jungen Mann erreichte.
SPURZ!

Und dann spritzte Blut auf den Boden.

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Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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