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Kapitel 91: Wanderer

Kapitel 91: Wanderer

„Ohh… Lebhaft, nicht wahr?“

Greta sank das Herz, als sie diese vertraute, kratzige Stimme hörte. Sie drehte sich langsam um und sah den jungen Mann, der mit großen Schritten in die Taverne kam. Seine massige Gestalt nahm mehr Platz ein, als nötig gewesen wäre.
Sein raues, unrasiertes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen, das seine kalten Augen nicht erreichte, und sein prahlerischer Gang wurde vom Geräusch schwerer Stiefel begleitet, die auf dem Holzboden klackerten.

„Na, na, wenn das nicht die reizende Greta ist“, sagte der junge Mann mit spöttischer Stimme, als er sich ihr näherte.
Er hieß Radgar und war seit seiner kürzlichen Beförderung in die Garnison des Barons vielen in Rackenshore ein Dorn im Auge.

Hinter ihm folgte eine Gruppe ähnlich rau aussehender Männer, die alle denselben selbstgefälligen Ausdruck im Gesicht hatten. Es waren seine Kumpane, Mitstreiter, die ihre neue Position mit beunruhigendem Eifer ausnutzten.
Die anderen Gäste der Taverne rückten unruhig hin und her, ihre zuvor lebhaften Gespräche verstummten zu einem unbehaglichen Murmeln, als Radgar und seine Entourage sich bemerkbar machten.

Greta zwang sich, ruhig zu bleiben, obwohl ihr Magen vor Unbehagen brodelte. „Guten Abend, Radgar“, begrüßte sie ihn höflich, wenn auch weit weniger herzlich als die anderen Gäste.
Radgars Grinsen wurde breiter, als er näher kam und ihren persönlichen Raum invadierte. „Oh, sei doch nicht so kalt, Greta. Wir sind hier, um zu feiern, genau wie alle anderen auch. Warum bringst du uns nicht eine Runde von deinem besten Bier? Und vielleicht noch eine kleine Extraspezialität, nur für mich?“ Sein Blick wanderte über sie, sodass es ihr kalt den Rücken herunterlief.
Sie wusste genau, was er mit „etwas extra“ meinte, und sie musste sich mit aller Kraft zurückhalten, um nicht angewidert zurückzuweichen. Aber sie konnte es sich nicht leisten, ihn zu provozieren – nicht, wenn er die Gunst des Barons und die Macht hatte, ihr und ihrer Familie das Leben schwer zu machen.
Schließlich waren wegen des Krieges, der gerade um die Valerius-Ebene tobte, die meisten Soldaten der Garnison an die Front geschickt worden. Deshalb mussten neue Leute rekrutiert werden, und deshalb waren auch Leute wie Radgar für diesen Posten ausgewählt worden.

Aber es gab nichts, was man dagegen tun konnte. Angesichts der angespannten Finanzlage der Stadt und des Mangels an Arbeitskräften war die Lage sowohl für den Baron als auch für die Bürger wirklich schwierig.
Angesichts der Banditen, die immer öfter auftauchten, wurden die Soldaten immer wichtiger.

Deshalb konnte niemand etwas dagegen sagen – zumindest nicht das einfache Volk.

„Ich bringe euch eure Getränke“, sagte sie ruhig und drehte sich um, um zurück zur Bar zu gehen. Dabei hörte sie das Kichern und die derben Kommentare von Radgars Begleitern, deren Stimmen wie ein unangenehmer Geruch durch die Taverne hallten.
Während Greta die Getränke zubereitete, spürte sie die Blicke der anderen Gäste auf sich, deren Mitgefühl sich mit Hilflosigkeit vermischte. Radgar hatte allen klar gemacht, dass er unantastbar war und dass jeder, der es wagte, sich ihm zu widersetzen, dafür bezahlen würde. Selbst Baron Wyndhall, der bei den Leuten allgemein angesehen war, schien die Misshandlungen seines neuen Soldaten entweder nicht zu bemerken oder ihnen gleichgültig gegenüberzustehen.
Als sie mit dem Tablett mit Bier zum Tisch zurückkam, griff Radgar nach ihrem Handgelenk und zog sie näher zu sich heran, als nötig gewesen wäre. „Warum bleibst du nicht noch ein bisschen, Greta? Wir könnten etwas Gesellschaft gebrauchen“, sagte er, sein Atem heiß und übel riechend auf ihrer Haut.

Greta biss die Zähne zusammen und zwang sich, ruhig zu bleiben. „Ich muss noch andere Gäste bedienen, Radgar. Bitte lass mich los.“
Radgars Griff wurde fester, seine Finger gruben sich schmerzhaft in Gretas Handgelenk, während sein Gesichtsausdruck sich verdüsterte. Die fröhliche Fassade, die er noch vor wenigen Augenblicken aufgesetzt hatte, bröckelte und gab den Blick auf die brodelnde Wut darunter frei. „Ich habe gesagt, du sollst dich hinsetzen“, knurrte er mit leiser, bedrohlicher Stimme, die Greta einen Schauer über den Rücken jagte.

Gretas Herz raste, ihr Atem stockte, als sie die ganze Dominanz Radgars spürte.
„Warum?“, fragte sie sich.

Aus diesem Grund musste sie so etwas ertragen.

Ihr Körper versteifte sich und sie versuchte instinktiv, sich loszureißen, aber sein Griff war wie aus Eisen, unnachgiebig und kalt. Ein Schauer durchlief sie, als sich Angst tief in ihrer Brust festsetzte, ihre Lungen zusammenzog und ihr das Atmen erschwerte.
Sie sah sich im Raum um, hoffte – betete –, dass jemand dazwischengehen würde, dass jemand den Mut hätte, sich Radgar entgegenzustellen.

Aber alles, was sie sah, waren gesenkte Blicke und abgewandte Augen. Die Gäste, die noch vor wenigen Augenblicken so lebhaft gewesen waren, schienen nun in sich zusammenzusinken, nicht bereit, Radgars Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Dann traf ihr Blick den ihres Vaters auf der anderen Seite des Raumes. Er stand hinter der Bar, die Hände fest um einen Bierkrug geballt, die Knöchel vor Anspannung weiß. Seine Augen waren voller Trauer und Hilflosigkeit, ein Spiegelbild der Gefühle, die Greta empfand.

Er sah aus, als würde er nichts lieber tun, als ihr zu Hilfe zu kommen, aber das Wissen um Radgars Fähigkeiten – um die Macht, die er hatte – hielt ihn an seinem Platz fest.
Die Last der Traurigkeit und Ohnmacht ihres Vaters lastete schwer auf Greta und verstärkte ihre erdrückende Verzweiflung. Sie war gefangen, gefangen zwischen ihrer eigenen Angst und der Realität ihrer Situation.

Es gab niemanden, der ihr helfen konnte, niemanden, der sich Radgar entgegenstellen würde, nicht einmal der Mann, den sie am meisten auf der Welt liebte.

Als hätte er die Veränderung in ihren Gefühlen gespürt, veränderte sich Radgars Gesichtsausdruck erneut. Die Wut in seinen Augen verschwand und wurde durch das beunruhigende, zu strahlende Grinsen ersetzt, das er oft zeigte. Er stieß ein lautes, gezwungenes Lachen aus, das Greta auf die Nerven ging.
„Ach, sei doch nicht so, Greta! Wir haben doch nur ein bisschen Spaß, oder?“ sagte er mit plötzlich leichter, fröhlicher Stimme, als hätte er sie gerade nicht bedroht.

Er lockerte seinen Griff um ihr Handgelenk, ließ es aber nicht ganz los, während sein Daumen langsame, besitzergreifende Kreise auf ihrer Haut zeichnete.

„Ekelhaft … Ekelhaft … Ekelhaft …“
Der Wechsel in seinem Verhalten verwirrte sie, der plötzliche Wechsel von Wut zu falscher Fröhlichkeit ließ Gretas Kopf schwirren. Sie wusste es besser, als ihm die Maske abzukaufen, die er jetzt trug – sie war nur eine Tarnung für die Dunkelheit, die darunter lauerte.
Doch gerade als die Übelkeit sie zu überwältigen drohte, flog die Tür der Taverne mit einem lauten Knall auf und alle Köpfe im Raum drehten sich gleichzeitig um. Der plötzliche Lärm durchbrach die bedrückende Atmosphäre und für einen kurzen Moment waren alle Augen auf den Eingang gerichtet.
In der Tür stand ein junger Mann, etwas überdurchschnittlich groß, etwa 180 cm. Seine Kleidung war rau und vom Reisen abgenutzt, wie sie ein müder Reisender nach Tagen auf der Straße tragen würde.

Sein Gesicht lag im Schatten der Kapuze seines Umhangs, und obwohl seine Gesichtszüge schwer zu erkennen waren, war klar, dass er ein Fremder war – jemand, den die Leute von Rackenshore nicht kannten.
Der Raum hielt den Atem an, als der Neuankömmling eintrat, seine Bewegungen langsam und bedächtig.

Er ignorierte die neugierigen und misstrauischen Blicke der Gäste, seine Anwesenheit verstörte die zuvor ausgelassene Stimmung. Es war, als hätte sein Eintreten einen Schatten über den Raum geworfen, der selbst die Unerschrockensten zögern ließ.
„Wer ist das …?“, fragte sich Greta, deren Unbehagen durch den Neuankömmling vorübergehend verdrängt wurde. Das Schweigen des Mannes war fast unheimlich, und seine Art, sich zu bewegen – zielstrebig, ohne Eile – ließ ihn wirken, als hätte er die Kontrolle über den ganzen Raum, ohne ein Wort zu sagen.

Dicht hinter ihm folgte eine kleine Katze, deren glänzendes weißes Fell einen starken Kontrast zu der rauen Kleidung des Reisenden bildete.
Die Katze bewegte sich mit derselben ruhigen Anmut wie ihr Herrchen und schmiegte sich wie ein lebender Schal um seinen Hals, während ihre hellen Augen den Raum mit einer Intelligenz musterten, die ihrer Größe widersprach.
Radgar lockerte seinen Griff um Gretas Handgelenk, als seine Aufmerksamkeit auf den Neuankömmling fiel. Das gezwungene Lächeln verschwand aus seinem Gesicht und machte einem irritierten Stirnrunzeln Platz. „Wer zum Teufel ist das?“, murmelte er leise und beobachtete mit zusammengekniffenen Augen jede Bewegung des Fremden.
Der Reisende beachtete weder Radgar noch irgendjemanden sonst im Raum. Er ging zu einem leeren Tisch an der gegenüberliegenden Wand, seine Schritte waren auf dem Holzboden kaum zu hören. Dort angekommen, zog er einen Stuhl hervor und setzte sich, während die Katze mit müheloser Leichtigkeit auf den Tisch sprang.

Für einen Moment herrschte Stille. Die Spannung im Raum war greifbar, die Gäste waren sich nicht sicher, was sie von dieser mysteriösen Gestalt halten sollten.
Selbst Radgar, der sich sonst so gerne als Boss aufspielte, schien für einen Moment ratlos.

Greta, die immer noch neben Radgar stand, spürte etwas, das sie sich schon lange nicht mehr erlaubt hatte: Hoffnung.

Es war nur ein flüchtiger Gedanke, fast zerbrechlich, aber er war da. Die Ankunft des Fremden hatte Radgars bedrückende Kontrolle über den Raum unterbrochen, wenn auch nur für einen Moment.
„Könnte das … eine Chance sein?“

Der Gedanke war kaum formuliert, da stieß Radgar schon ein spöttisches Schnauben aus, und der Moment des Zögerns war vorbei. Er ließ Gretas Handgelenk los und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Neuankömmling.

„Hey, du da!“, rief Radgar, sodass seine Stimme durch den Raum hallte. „Du hast ganz schön Nerven, hier einfach so reinzuplatzen.“

Aber diese Hoffnung wurde schnell zerschlagen.
Schließlich war der Reisende auch Ragnas Ziel und wurde ebenfalls nicht verschont.

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Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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