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Kapitel 631: Treffen

Kapitel 631: Treffen

„Beides“, sagte er. „Und keines von beiden. Du bist hier, weil das Imperium dich beobachtet.“

Eine kurze Pause.

Dann leiser: „Und weil du es dir verdient hast.“

Sie antwortete nicht.

Nicht sofort.
Erst als die Kutsche um eine Kurve bog und der äußere Ring der Akademie zum Vorschein kam – ein Platz voller Kandidaten und Kutschen, sowohl extravagante als auch schlichte –, sah sie sie: die Adligen in wallenden Seidengewändern, die mit geübter Anmut schritten; die Bürgerlichen in geflickten Mänteln und mit entschlossenen Blicken, umgeben von mana-getuned Gepäck und Stille.

Ihr Blick blieb auf Letzteren haften.

Bürgerliche.
Sie hatte auf ihren Reisen viele von ihnen gesehen – einige verzweifelt, andere trotzig, viele vergessen von den Systemen, die Türme wie die um sie herum errichtet hatten. Aber das waren keine Bettler oder in Lumpen gehüllte Überlebende eines Konflikts. Das waren Magier. Kämpfer. Nach der Art, wie sich einige von ihnen bewegten, sogar Gelehrte. Schlicht gekleidet, ja – aber nicht im Geist. Ihre Augen brannten.
Sie beugte sich leicht vor, gerade so weit, dass sie den steigenden Puls in der Luft spüren konnte – das Gewicht der Ambitionen, das wie Nebel über dem kristallklaren Platz hing.

Ein scharfer Atemstoß entwich ihr.

„Sind sie wegen der Prüfung hier?“, fragte sie mehr sich selbst als ihrem Begleiter.

Er warf ihr einen Blick zu und nickte langsam. „Ja. Die Kandidatenprüfungen.
Dieses Jahr wurden die Tore für Nicht-Adlige geöffnet – auf Anordnung des Arcanis-Rates. Das erste Mal in der Geschichte.“

Valeria runzelte die Stirn. „Prüfungen?“

„Eine Art Turnier“, erklärte er. „Aber aufwendiger. Nicht nur Duelle. Simulationen. Arkane Herausforderungen. Sogar Szenarien aus echten Feldzügen.“

Das lenkte ihren Blick vollständig vom Fenster ab.

Sie hatte in echten Feldzügen gekämpft.
Sie hatte Barone entthront.

Und sie hatte noch nie von so etwas gehört.

Ihr Tonfall wurde etwas schärfer. „Warum?“

„Um die wachsenden Unruhen zu beschwichtigen“, antwortete der Mann ohne zu zögern. „Und um Gleichheit vorzutäuschen. Wenn die Adligen die Würdigen aus der Masse auswählen, sind es immer noch die Adligen, die entscheiden. Mach dir nichts vor – das ist immer noch eine Bühne. Nur eine größere.“
Valerias Lippen pressten sich zusammen, ihr Blick schweifte erneut über den Platz. Sie entdeckte drei ausländische Studenten in der Nähe des östlichen Eingangs – einer mit Haut, die mit Manadrähten verziert war, die anderen beiden trugen Klingen im lorianischen Stil.

Ihre Gedanken drehten sich, zuerst langsam, dann immer schneller.

So viele Veränderungen. So viel, was sie nicht gesehen hatte.

Sie war weg gewesen.
Ein ganzes Jahr lang war sie unter dem Banner ihres Hauses marschiert. Und unter dem seinen. Sie hatte einen Befehl nach dem anderen ausgeführt, auf Geheiß eines Marquis, der das Spiel der Macht besser verstand als die meisten anderen. Ihre Klinge hatte Gerechtigkeit in zerstörten Festungen und zerfallenen Hallen walten lassen. Sie hatte die Wahrheit aus Lügen herausgearbeitet, Pflicht aus Privilegien.

Und in dieser Zeit hatte sich die Akademie zu etwas Neuem gewandelt.

Sie lehnte sich in der gepolsterten Bank zurück und presste die Kiefer aufeinander.

Das einfache Volk im Aufstand?
Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie das hinterfragen sollte. Was wussten sie schon von den Lasten, die der Adel zu tragen hatte? Von den Erwartungen. Vom Erbe. Davon, mit dem Gewicht eines Namens zu leben, der nicht dir gehörte, sondern deinem Blut?

Aber –

Sie blinzelte.

Eine Erinnerung tauchte auf.

Dieser Mistkerl.

Derjenige, der sich nicht um adelige Regeln gekümmert hatte. Der den Wachen Münzen zugesteckt und bei jeder Zurechtweisung gegrinst hatte.
Der alles, woran sie glaubte, mit einer hochgezogenen Augenbraue und ein paar sarkastischen Kommentaren in Frage gestellt hatte. Der ging, als ob die Welt ihm nichts schuldig wäre, und kämpfte, als ob er ihr alles zurückzahlen müsste.

Lucavion.

Valeria runzelte die Stirn und krallte ihre Finger leicht in ihren Schoß.

Sie hatte in letzter Zeit nicht viel an ihn gedacht.

Oder – nein.
Doch, hatte sie.

Nur nicht, wenn sie es wollte.

Sein Name war mehr als einmal gefallen – geflüstert in den Lagern, gerufen in den Ecken der Gasthäuser, durch die Geschichten über die Korruption der Cloud Heavens Sect gezogen wie eine Klinge, die unter Seide versteckt ist. „Der Schwertdämon“, nannten sie ihn jetzt. Dumm, arrogant … verheerend effektiv.

Sie erinnerte sich daran, wie er die Illusion dieser Sekte zerstört hatte.
Nicht mit Reden.

Mit Taten. Und Unfug. Und diesem verdammten Lächeln.

Er hätte diese Prüfung bestanden, dachte sie plötzlich und scharf.

Keine Frage. Er hätte ohne Wappen, ohne Banner hinter sich auf dieser Bühne gestanden – und trotzdem alle Blicke auf sich gezogen.

Sie atmete durch die Nase aus und ließ ihren Blick noch einmal über die versammelte Menge der Kandidaten schweifen.

„Das würde dir gefallen, oder?“, dachte sie bitter, obwohl ihre Stimme – selbst innerlich – nicht giftig klang.

„Eine perfekte Ausrede, um Adlige zu ärgern. Um etwas zu beweisen, ohne es jemals auszusprechen.“

Die Kutsche wurde langsamer.

Sie näherten sich dem Eingang zum Nexus.
Valerias Blick blieb an einem Jungen hängen – schlichte Roben, abgewetzte Stiefel, ein dickes Zauberbuch, das er wie einen Schild an seine Brust drückte. Er sah jünger aus als die anderen. Nervös. Aber unerschütterlich.

Sie beobachtete, wie eine andere Kandidatin – ein Mädchen mit zwei Dolchen und einem für diese Jahreszeit zu dünnen Umhang – inne hielt und ihre Hand auf seine Schulter legte. Eine kurze, stille Geste.

Dann gingen sie gemeinsam weiter.
Sie sah, wie die beiden Kandidaten aus dem einfachen Volk in der Menge verschwanden, verschluckt von der schieren Größe des Platzes.

Und für einen Moment – nur einen Moment – erinnerte sie sich.

Das leise Klirren von Münzen in seiner Hand. Das Glitzern von Kerzenlicht auf gestohlenem Silber, als sie sich in eine weitere zwielichtige Herberge duckten. Die Art, wie ihre Schritte sich unausgesprochen in einen Rhythmus fanden. Keine Fahnen. Keine Wachen. Kein Plan, wirklich.
Nur zwei Menschen – der eine still, der andere unerträglich selbstgefällig – wanderten durch die zerklüfteten Gassen von Andelheim, mit nichts als ihrer Hartnäckigkeit und einer kaum verhohlenen gegenseitigen Sorge.

Zuerst hatte sie ihn gehasst.

Und doch …

Es gab Nächte, in denen sie neben ihm herging und seinen Plänen und halb ernst gemeinten Witzen lauschte, als wären sie wichtiger als jede Mission.

Keine Kutschen damals.
Nur Stiefel, die mit Straßenstaub bedeckt waren, und das Flüstern des Stadtwindes, der sich in seinem Mantel verfing.

Valerias Finger drückten leicht gegen den Fensterrahmen.

„Ich frage mich, wo du gerade bist …“, murmelte sie mit einer Stimme, die so leise war, dass sie kaum über ihre Lippen kam.

Eine Pause.

Dann bewegte sich ihr Begleiter neben ihr.
„Wir erreichen gleich das Viertel, das für adelige Studenten reserviert ist“, sagte er und riss sie sanft aus ihren Gedanken. „Ihre Zimmer sind vorbereitet. Das Wappen der Olarions wurde bereits vorausgeschickt, um Ihre Unterkünfte zu kennzeichnen.“

Valeria sah ihn noch nicht an. Ihr Blick blieb auf das Fenster gerichtet, auf das sich nähernde, hoch aufragende Bauwerk – den Spiral Nexus, der sich langsam und würdevoll drehte, als hätte er alle Zeit der Welt.
„Und danach?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon ahnte.

„Es gibt … gesellschaftliche Verpflichtungen“, antwortete er diplomatisch. „Teerezeptionen. Kleine Zusammenkünfte. Ein paar Spaziergänge in den Außenanlagen, wenn das Wetter es zulässt.“

Jetzt drehte sie sich zu ihm um, ihr Gesichtsausdruck so ausdruckslos wie ihre Stimme. „Partys.“
„Zurückhaltende Vorstellungsrunden“, korrigierte er sie. „Dein Vater hat darum gebeten, dass du dich vorstellst. Die Adligen und Kaufleute hier haben ihre Erben und Sprösslinge geschickt. Das sind die Leute, die neben dir in der Klasse sitzen werden. Vielleicht auch dir gegenüber in einem Duell. Oder über dir, sollten sich Allianzen bilden.“

Valeria lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und presste die Kiefer leicht aufeinander.

„Ich mag solche Treffen nicht.“
„Das tust du selten“, antwortete er ruhig, ohne unfreundlich zu sein. „Aber das ändert nichts an der Notwendigkeit. Du repräsentierst jetzt das Haus Olarion. Nicht als Ritter in Rüstung, sondern als Name. Als Zukunft. Sie werden von dir erwarten, dass du sprichst. Dass du zuhörst. Dass du bezauberst, auch wenn du es hasst.“

„Da würde ich lieber einem Wyvern gegenüberstehen.“

„Das würden die meisten.“
Er wartete einen Moment und fügte dann leise hinzu: „Aber das ist Teil deines Schicksals, oder?“

Das brachte sie zum Schweigen.

Nicht, weil es sie schockierte.

Sondern weil es das nicht tat.

Sie wusste es. Sie hatte es immer gewusst. Adel kam mit einer Rüstung, die man nicht trug – er war in dein Blut eingewoben, nicht in deine Uniform.

*****
Das Morgenlicht in Arcania schien alles zu schärfen – die Kanten der Dächer, das Flüstern der Menschenmenge, die Kälte, die auch nach Sonnenaufgang noch unter dem Kragen zu spüren war. Selphine und Aurelian gingen durch die oberen Straßen, ihre Umhänge flatterten hinter ihnen wie Fahnen alter Häuser, über die niemand mehr sprach.
Der Laurelshade-Pavillon stand versteckt zwischen dem Turm eines alten Bildhauers und einem mit Weinreben bewachsenen Gewächshaus. Sein Charme war subtil und leicht zu übersehen, wenn man nicht genau hinsah. Ganz im Stil von Eveline – verborgene Kraft hinter ruhigen Mauern.

Aurelian hob eine Augenbraue, als sie näher kamen, und musterte das Anwesen mit einer Handbewegung. „Sieht nicht nach viel aus.“
„Eveline hat nie viel gebraucht“, antwortete Selphine.

„Stimmt“, sinnierte er und ließ seinen Blick über die gravierten Holzarbeiten gleiten, über die subtilen Manabarrieren, die wie gewebter Nebel über den Fenstern lagen. „Aber sie hatte immer eine Art, das Wenige explodieren zu lassen, wenn jemand es falsch ansah.“

Selphine klopfte einmal.

Dann noch einmal.

Sie warteten.

Nichts.
Keine Dienerin. Kein neugieriger Blick durch den Vorhang. Nicht einmal das Geräusch von Schritten.

Aurelian runzelte die Stirn. „Seltsam.“

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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