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Kapitel 628: Die Erzmagierin und ihre Samen (2)

Kapitel 628: Die Erzmagierin und ihre Samen (2)

In dem Moment, als Selphine das Siegel auf Evelines Brief brach, ging eine leise Mana-Welle raus, fast nicht zu spüren – wie die Stille vor einem Sommergewitter.

Aurelian beugte sich instinktiv näher heran und hob die Augenbrauen. „Das ist kein normales Pergament“, murmelte er.

„Nein“, stimmte Selphine zu, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Sie hat es verzaubert.“

Und das nicht gerade schwach.
Das Pergament schimmerte schwach im Mondlicht, als sie es entfaltete, und die Tinte leuchtete bereits in wechselnden Strichen aus Azurblau und Gold. Runen pulsierten am Rand, wie Noten, die auf ihre Anwesenheit reagierten – lauschten, warteten.

Lyria, die immer noch an der Tür stand, machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. „Soll ich einen Schreibermagier rufen?“

„Nicht nötig“, antwortete Selphine. „Das ist privat.“
Aurelian neigte den Kopf und blinzelte auf den Text. „Sind das … Rätsel?“

„Verschlüsselte Muster“, sagte Selphine. „Ich habe diese Technik schon einmal bei ihr gesehen. Der Brief lässt sich nur öffnen, wenn wir ihn mit der richtigen Reihenfolge aktivieren.“
„Also … ein Spiel“, grinste Aurelian. „Ganz wie Eveline.“

Aber die Heiterkeit verflog, als die Manastrahlen schärfer und dichter wurden. Die Verzauberungen waren komplex – wie Fäden in einem Wandteppich verwoben. Jeder falsche Versuch würde wahrscheinlich dazu führen, dass der Brief wieder verschlossen würde … oder Schlimmeres.

Selphine griff nach der Teekanne.

Nicht um einzuschenken.

Um umzuleiten.
Der silberne Boden der Kanne schimmerte von ihrer Mana und wurde zu einem Brennpunkt. Aurelian blinzelte, als die Verzauberungen auf dem Brief reagierten und sich die Linien der Glyphen zu klaren Formen verdrehten.

„Genau. Sie will Resonanz“, murmelte Selphine. „Wir müssen unsere Signaturen aufeinander abstimmen.“

Aurelian setzte sich aufrecht hin und räusperte sich. „Ich schätze, meine übliche ‚charmante Schurkenaura‘ wird nicht ausreichen.“
„Nicht, wenn du deinen Charme nicht in reines Mana umwandeln kannst.“

„Fordere mich nicht heraus.“

Selphine holte tief Luft, hob die Hand und leitete langsam einen Strom ihrer Magie in den Brief. Er tanzte über das Papier, suchte, prüfte. Die Runen verschoben sich, einige leuchteten heller, andere verblassten – bis drei Symbole übrig blieben, die wie gepresste Sternbilder über der Seite schwebten.

Aurelian starrte sie an.
„Eine Feder. Eine Sonne. Und … ist das eine Schnecke?“

Selphine seufzte. „Das ist ein Hinweis. Erinnerst du dich an die Lektion, die sie uns über Tempokontrolle anhand von Tiermetaphern gegeben hat?“

Aurelian schnippte mit den Fingern. „Ja! Feder für Leichtigkeit, Sonne für Verstärkung, Schnecke für Tempo.“

„Sie testet unser Gedächtnis.“

„Und lacht wahrscheinlich, wo immer sie ist“, fügte er hinzu.
Selphine richtete ihren Manastrom auf die Sequenz aus – Licht, dann Verstärkung, dann langsames Ausströmen. In dem Moment, als die letzte Resonanz erklang, lösten sich die Glyphen auf der Seite wie Fäden auf und verwandelten sich in lesbare Schriftzeichen.

Der Brief war vollständig zu sehen.

Und Evelines Stimme erklang nicht als geschriebene Worte, sondern als leises, melodisches Flüstern – ein Echo ihrer Anwesenheit, wie eine Erinnerung, die in Klang übersetzt worden war.
„An meine liebsten Sturmkinder –

Selphine mit dem scharfen Blick und Aurelian mit dem Lachen, das zu viel verbirgt.“

Aurelian blinzelte. „Das ist seltsam zutreffend.“

Evelines geflüsterte Tinte summte leise weiter und kräuselte sich an den Rändern der Seite wie Rauch, der kurz vor dem Verfliegen stand.
„Wenn dieser Brief euch erreicht, dann haben die Glühwürmchen wieder begonnen, sich zu regen. Ich hoffe, ihr erinnert euch an sie. Ihr habt immer heller geleuchtet, wenn ihr unmöglichen Lichtern nachgejagt seid.“

Aurelian seufzte tief und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Oh nein“, stöhnte er. „Sie macht es wieder.“

Selphines Lippen zuckten. „Das macht sie immer.“
„Das heißt aber nicht, dass sie es tun sollte“, murmelte Aurelian. „Unmöglichen Lichtern hinterherjagen? Die Sterne bewahren uns davor.“

„Sie hält sich für eine Bardin, die in der Robe eines Erzmagiers gefangen ist“, sagte Selphine und schüttelte den Kopf, während sie die nächsten Zeilen überflog.
„Der Himmel spricht, und ich höre zu. Die Wurzeln flüstern, und ich folge ihnen. Die Gezeiten ziehen sich zurück, wenn alte Seelen sich begegnen, und ich muss an zwei Kinder denken, die die Zeit in Asche und Lachen verwandelten.“

Aurelian warf ihr einen Seitenblick zu. „Das ergibt doch keinen Sinn.“
„Sie hat einmal ‚Scepter‘ mit ‚Specter‘ gereimt, weißt du noch?“

„Götter“, flüsterte Aurelian und tat so, als würde er erschauern. „Das hat mich nachts wach gehalten.“

Trotzdem lasen sie weiter. Denn unter Evelines extravaganten Metaphern und lyrischen Fehlgriffen verbarg sich immer die Wahrheit. Immer eine Botschaft.

Und bald kam sie zum Vorschein.

„Ich hab euch beide vermisst. Mehr, als meine wirren Gedanken ausdrücken können. Aber ich kann noch nicht in die Hauptstadt zurückkehren – noch nicht. Mein Weg führt mich vorerst woanders hin.“

Selphines Blick wurde weich, ihre Finger strichen über die Worte.

„Sie beobachtet uns“, flüsterte sie. „Sie behält uns immer noch im Auge.“
Aurelian lächelte wehmütig. „Typisch Eveline. Immer verschwindet sie ohne Vorwarnung … aber wirklich weg ist sie nie.“

Sie lasen weiter.

„Aber ich habe von euren Fortschritten gehört – von euren gewandten Zungen und euren scharfen Klingen. Ich weiß, dass ihr beide euren Platz an der Akademie eingenommen habt. Gut. Dieser Ort muss aufgemischt werden.“

Selphine kicherte. „Das würde sie sagen.“
„Sie hat uns als ‚Sturmkinder‘ bezeichnet“, fügte Aurelian grinsend hinzu.

Dann änderte sich der Ton des Briefes – subtil, aber unverkennbar.

„Ihr werdet nicht mehr lange allein sein. Ich habe jemanden geschickt. Ein Mädchen. Sie wird bald eintreffen, um die Akademie zu besuchen – natürlich unter einem anderen Namen. Eine kleine Tarnung, um die Dinge … einfach zu halten.“
Aurelian beugte sich vor, neugierig geworden. „Jemand, den sie ausgebildet hat?“

Selphine kniff die Augen zusammen. „Eine Schülerin.“

Der Brief ging weiter, und Evelines unverkennbarer Tonfall wurde nun etwas wärmer – weniger geheimnisvoll, persönlicher. Wie die letzten Töne einer alten Melodie, an die man sich gerne erinnert.
„Sie wird unter dem Deckmantel einer frisch geadelten Erbin aus der Baronie Caerlin anreisen und kurz nach Mondwende in der Hauptstadt eintreffen. Ich habe dafür gesorgt, dass sie im Laurelshade Pavilion unterkommt – ruhig, unauffällig und gerade weit genug vom Trubel der Akademie entfernt, dass sie ein wenig durchatmen kann.“
Selphine runzelte die Stirn. „Laurelshade … Das ist nur ein paar Stadtteile von hier entfernt.“

„Und der Mond ist vor drei Nächten gewechselt“, fügte Aurelian hinzu und blickte zum Fenster, wo die Sterne über dem Schein der Stadt funkelten. „Das bedeutet …“

„Sie ist bereits angekommen.“ Selphine sah auf das Datum unter Evelines geschwungener Unterschrift. Bestätigt.

Sieben Tage zuvor abgestempelt.
„Eveline hat das genau geplant“, sagte Selphine mit leiser Stimme, als ihr die Bedeutung klar wurde. „In dem Moment, als der Brief uns erreichte …“

„… betrat das Mädchen Arcania“, beendete Aurelian ihren Satz. Er pfiff leise. „Subtil wie immer.“

Beide verharrten einen Moment lang regungslos und ließen diese Erkenntnis auf sich wirken.
„Sie hat das nicht mit uns gemacht“, sagte Selphine schließlich. Ihre Stimme klang nicht bitter, nur neugierig. Nachdenklich. „Wir waren Lehrlinge. Keine Jünger.“

„Stimmt“, sinnierte Aurelian und streckte sich leicht. „Das macht dieses Mädchen zu etwas Besonderem, nicht wahr?“

„Sie hat sie ausgewählt.“

„Und jetzt müssen wir sie treffen.“
Ihre Blicke trafen sich, und für einen seltenen Moment lagen ihre Gesichter völlig ruhig. Denn Eveline gab den Titel „Schülerin“ nicht leichtfertig. Wenn diese Elowyn Caerlin ihn verdient hatte, musste sie etwas Besonderes sein – egal, wie „bescheiden“ ihre Baronie auf dem Papier auch erscheinen mochte.

Aurelian lehnte sich auf dem Diwan zurück, verschränkte wieder die Arme hinter dem Kopf und grinste. „Glaubst du, sie ist wie Eveline?“
Selphine neigte den Kopf und überlegte. „Du meinst chaotisch, poetisch und fünf Sekunden davon entfernt, die Kronleuchter zu verzaubern?“

„Ja.“

„Ich hoffe nicht“, sagte sie trocken.

Aurelian lachte leise. „Verständlich. Aber trotzdem … sie ist die Schülerin der Erzmagierin des Frosts. Glaubst du, das Mädchen benutzt auch Frost?“
Selphine tippte mit den Fingern leicht auf den gefalteten Brief und war in Gedanken versunken. „Wahrscheinlich. Zumindest teilweise. Eveline würde niemanden ohne Affinität auswählen.“

Eine Pause.

Dann, leiser: „Aber es geht nicht nur um Affinität, oder?“

„Nein“, murmelte Aurelian. „Das war es nie.“
Er setzte sich wieder aufrecht hin, seine Augen glänzten nun vor Vorfreude. „Ich bin neugierig, Sel. Ich möchte dieses Mädchen wirklich kennenlernen. Was für eine Person hat Eveline nach all den Jahren ins Auge gefallen?“

Selphine nickte langsam, ihre Haltung wechselte von edler Steifheit zu etwas … Engagierterem.

„Ich auch.“
Beide drehten sich fast gleichzeitig zu den sanft wehenden Vorhängen um, die den Blick auf die mondbeschienene Stadt freigaben – auf die Straßen dahinter, wo ein Mädchen namens Elowyn Caerlin, geboren aus Frost und Geheimnissen, gerade in die Geschichte eingetreten war, die Eveline einst begonnen hatte.

Und morgen?

Morgen würden sie sich auf die Suche nach ihr machen.

———-A/N———–

Ich habe noch eine Prüfung und mir ist gerade schlecht.

Ich bin vielleicht erledigt.

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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