Im „Rusty Fang“ herrschte totales Chaos.
Das Geräusch von klirrendem Stahl, auf den Boden fallenden Körpern und schreienden Männern erfüllte die einst so lebhafte Bar. Tische waren umgeworfen, zerbrochene Bierkrüge ergossen sich über den Boden und der dicke, beißende Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft.
Und mitten in diesem Chaos stand
der schwarzhaarige Kerl, unversehrt.
Sein Gesichtsausdruck war ruhig, fast gelangweilt, als hätte der Kampf kaum seine Aufmerksamkeit erfordert. Um ihn herum wälzten sich die Söldner, die ihn so eifrig herausgefordert hatten, nun vor Schmerzen auf dem Boden und heulten vor Qual.
Einige umklammerten ihre abgetrennten Gliedmaßen – Beine, Hände, sogar aufgerissene Brustkörbe –, während andere einfach nur zitterten, zu geschockt, um zu begreifen, was in diesen wenigen Sekunden geschehen war.
Caius starrte mit starrem Körper auf das Gemetzel. Er hatte nicht einmal die Hälfte dieser Angriffe gesehen.
Dann –
Eine Stimme dröhnte über das Chaos hinweg.
„Was zum Teufel ist hier los?“
Die Luft in der Bar veränderte sich.
Caius spürte es sofort – das schiere Gewicht dieser Stimme.
Und einfach so – alles blieb stehen.
Sogar die verwundeten Söldner – diejenigen, die sich noch bewegen konnten – erstarrten und ihre Wimmerlaute verstummten in ihren Kehlen.
Schritte hallten, fest und ohne Eile.
Und dann tauchte er auf.
Kael Draven.
Groß. Breitgeschultrig. Sein langer, dunkler Mantel trug das Gewicht eines Mannes, der ein Imperium aus dem Blut anderer aufgebaut hatte.
Eine dicke Narbe verlief entlang seines Kinns und verschwand unter seinem Kragen. Allein seine Anwesenheit verlangte Aufmerksamkeit und Respekt.
Sein scharfer Blick schweifte über die Szene und nahm die Verwüstung in sich auf – die gebrochenen Männer, die zerstörte Bar, den Geruch von schwarzem Rauch, der noch von einigen Leichen aufstieg.
Sein Gesichtsausdruck verzerrte sich zu einer Maske kalter Wut. „Was zum Teufel ist hier passiert?“
Und dann –
Der schwarzhaarige Mann drehte sich zu ihm um.
Seine dunklen Augen blitzten vage neugierig, als hätte er gerade etwas Interessantes entdeckt.
Dann – seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen, wissenden Lächeln.
„Hmm …“ Er neigte leicht den Kopf, sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht. „Bist du Kael Draven?“
Die ganze Bar hielt den Atem an.
Caius spürte es – die unsichtbare Spannung zwischen ihnen verdichtete sich, wie in dem Moment, bevor ein Messer gezogen wird.
Dravens Augen verengten sich. Sein Kiefer spannte sich an.
Caius schluckte schwer.
Das würde sehr, sehr unangenehm werden.
Kael Dravens Blick huschte durch den Raum, sein scharfer Blick nahm jedes Detail in sich auf – die umgestürzten Tische, das Blut, das sich auf dem Holzboden sammelte, die schmerzerfüllten Stöhnen seiner Männer, die sich an ihre Wunden klammerten.
Dann blieb sein Blick auf dem schwarzhaarigen Fremden in der Mitte des Raumes haften.
Ruhig. Unbeeindruckt. Grinsend, als wäre das alles nur ein harmloser Spaß für ihn.
Draven atmete langsam aus. Ärger. Das konnte er schon jetzt spüren.
Trotzdem hatte er nicht vor, sich von diesem Mistkerl das Tempo der Unterhaltung diktieren zu lassen.
„Na und, wenn schon?“, sagte Draven kühl, sein Gesichtsausdruck unlesbar.
Der schwarzhaarige Mann neigte leicht den Kopf, fast nachdenklich.
„Du solltest deine Männer besser erziehen“, meinte er und richtete den Ärmel, als wäre er nicht von verwundeten Söldnern umgeben. „Sie sind ziemlich wild.“
Es herrschte einen Moment lang Stille.
Dann –
„DU BIST DER WILDE, DU MISTKERL!“
Der kollektive Aufschrei der verwundeten Männer erfüllte die Luft, ihre Stimmen waren eine Mischung aus Qual und Empörung. Einige klammerten sich an ihre abgetrennten Gliedmaßen, andere kämpften darum, sich überhaupt aufzurichten, und warfen dem Mann, der sie so zugerichtet hatte, giftige Blicke zu.
Dravens Lippen zuckten leicht. Nicht vor Belustigung, sondern aus Verärgerung. Er wandte seinen Blick langsam seinen Männern zu, dann wieder dem schwarzhaarigen Bastard.
Und dann – zu Caius.
Caius sah fertig aus.
Draven hob eine Augenbraue. „Hast du was mit dem Chaos zu tun, Caius?“
Caius seufzte durch die Nase. „Nicht freiwillig.“
Draven atmete aus. War klar.
Aber seine Aufmerksamkeit richtete sich schnell wieder auf den Fremden.
Irgendetwas passte hier nicht zusammen. Wenn dieser Typ ein Zeichen setzen wollte, wenn er hier war, um eine Botschaft zu überbringen – warum waren dann seine Männer nicht tot?
Dravens Blick wurde schärfer. Er duckte sich leicht und untersuchte den nächstgelegenen verwundeten Söldner. Sein Mann stöhnte vor Schmerz und hielt sich sein blutendes Bein. Die Wunde war sauber. Tief, ja, aber nicht tödlich.
Das gleiche Bild bot sich bei allen anderen Söldnern auf dem Boden. Arme, Beine, Schultern, sogar ein paar Rippen – aufgeschlitzt, gebrochen, zerschmettert. Aber keiner war tot.
Draven trommelte mit den Fingern auf sein Knie, als er wieder aufstand, und seine Gedanken rasten.
„Er hat gegen all diese Männer gekämpft, ohne einen einzigen zu töten?“
Das war nicht nur Zurückhaltung – das war Meisterschaft. Präzision. Jeder Schnitt war wohlüberlegt, jeder Schlag darauf ausgerichtet, den Gegner außer Gefecht zu setzen, ohne die letzte, unumkehrbare Grenze zu überschreiten.
Dieser Mann hätte jeden einzelnen von ihnen mühelos abschlachten können.
Und doch hatte er es nicht getan.
Dravens Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber seine Haltung wurde etwas vorsichtiger, zurückhaltender.
Dieser Mistkerl war nicht hier, um einen Kampf anzufangen.
Draven konnte sich schon vorstellen, wie das alles angefangen hatte.
Seine Männer hatten den Kerl wahrscheinlich zuerst provoziert, ihn gemustert und getestet, wie sie es mit jedem Außenstehenden taten, der mit selbstbewusstem Auftreten hereinkam.
Ein paar Drinks, ein paar Beleidigungen hin und her – und schon waren die Waffen gezückt.
So lief das nun mal in diesem Teil von Varenthia.
Es ging nicht um Recht oder Unrecht.
Es ging darum, wer am Ende noch stand.
Und nach den Leichen auf dem Boden zu urteilen, war diese Frage bereits beantwortet.
Draven atmete durch die Nase aus und rieb sich die Kinnlade.
„Tsk. Wenn ich jeden Arsch treffen würde, der hierherkommt und behauptet, er müsse mich sehen, hätte ich nie einen Moment Ruhe.“
Es war nicht ungewöhnlich, dass Leute ihn aufsuchten. Informationshändler, Schmuggler, Söldner auf der Suche nach Arbeit – die halbe Stadt kannte seinen Namen, und eine ganze Reihe von ihnen wollten entweder Geschäfte machen oder Blut vergießen.
Aber das hier?
Das war nicht nur ein weiterer verzweifelter Schläger, der Eindruck schinden wollte.
Dieser hier war hereinspaziert, hatte die Hälfte seiner Männer fertiggemacht und sah immer noch so entspannt aus, dass er nach einem Drink fragte.
Draven schnalzte mit der Zunge.
Draven schnalzte mit der Zunge, seine Verärgerung wuchs.
Was zum Teufel wollte dieser Typ?
Glaubte er wirklich, dass er, nachdem er so eine Szene abgezogen hatte, nachdem er seine Männer wie Straßengangster fertiggemacht hatte, einfach hereinspazieren und sich nehmen konnte, was immer er wollte?
Draven verschränkte die Arme und fixierte den schwarzhaarigen Kerl mit scharfem Blick. „Und was genau willst du?“
Der Mann atmete durch die Nase aus und schüttelte leicht den Kopf, als wäre er derjenige, der sich mit einer Belästigung herumschlagen musste. „Ich bin mit friedlichen Absichten hierhergekommen“, sagte er sanft. Dann deutete er auf die stöhnenden Männer auf dem Boden. „Es waren deine Männer, die ihre Hosen nicht anbehalten konnten.“
Dravens Auge zuckte. Seine Nasenflügel blähten sich leicht.
„Na und?“, sagte er unverblümt, ohne jede Scham.
Der schwarzhaarige Mann seufzte und rieb sich die Schläfe. „Seufz … Die Leute in dieser Stadt sind alle Muskelprotze, oder?“
Draven lachte kurz und humorlos. „Du kommst nach Varenthia und erwartest was genau?“
Aber der Fremde ging nicht darauf ein. Stattdessen sah er gelangweilt aus. Dann sagte er ganz beiläufig – zu beiläufig – die nächsten Worte.
„Corvina. Sagt dir der Name was?“
Draven stockte der Atem.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber seine Pupillen verengten sich.
Er hatte diesen Namen schon lange nicht mehr gehört.
Und die Tatsache, dass dieser Mistkerl einfach so in sein Revier spazierte und ihn so beiläufig aussprach –
Der schwarzhaarige Mann beobachtete Dravens Reaktion aufmerksam. Er erwartete keine sofortige Antwort, aber der scharfe Glanz in Dravens Augen – die kleinste Veränderung in seiner Körperhaltung – reichte ihm.
Er hatte einen Nerv getroffen.
Ein langsames Grinsen huschte über seine Lippen. „Nun“, sagte er nachdenklich und neigte den Kopf. „Das scheint mir bekannt zu sein.“
Draven sagte nichts. Sein Gesichtsausdruck war steinern, aber seine Finger trommelten gegen seinen Arm und verrieten, was in seinem Kopf vorging.
Der schwarzhaarige Mann fuhr mit leiser Stimme fort: „Sie war es, die mir gesagt hat, ich solle dich suchen, als ich in diese Stadt kam.“
Einen Moment lang herrschte Stille.
Dann –
Draven lachte leise.
Zuerst war es nur ein leises Kichern, aber dann wurde es lauter – ein tiefes, raues Lachen, das sowohl Belustigung als auch etwas anderes ausdrückte. Etwas Altes.
Er schüttelte den Kopf und seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Hah … Ich schätze, sie spielt immer noch die Große.“
Caius beobachtete den Austausch mit zusammengekniffenen Augen und hatte zunehmend das Gefühl, sich in etwas verstrickt zu haben, das ihn weit überforderte.
Draven atmete durch die Nase aus, fuhr sich mit einer Hand durch sein dunkles Haar und wandte sich schließlich zur Rückseite der Bar. Er deutete mit einer ruckartigen Bewegung seines Kinns.
„Komm“, sagte er ohne zu zögern. „Lass uns reden.“
Der schwarzhaarige Mann lächelte ihn gelassen an, als hätte er genau dieses Ergebnis erwartet.
Caius hingegen stöhnte innerlich auf.
„Na toll. Noch mehr Wahnsinn.“