Aeliana atmete tief ein und drückte ihr Gesicht tiefer in seine Schulter, als könnte sie sich so fest an ihn drücken, dass sie ein fester Teil seiner Zukunft würde.
Denn, um ehrlich zu sein –
sie hatte Angst.
Angst, dass er nicht dasselbe für sie empfand.
Angst, dass er sie wegstoßen würde.
Angst, diesen Mann zu verlieren, der sie Stück für Stück wieder zusammengeflickt hatte.
Aber –
na und?
Jahrelang hatte sie sich versteckt.
Sie hatte ihr Leben hinter einer Maske verbracht, gefangen in ihrem Zimmer, aus Angst vor den Blicken der Menschen, ihren Worten, ihrem Urteil.
Sie hatte sich selbst aufgegeben.
Und dann war er gekommen.
Dieser lächerliche, rücksichtslos, dumm-geniale Mann –
Und er hatte ihr wieder Hoffnung gegeben.
Selbst wenn die Zukunft ungewiss war, selbst wenn sie nicht wusste, wie seine oder ihre Zukunft aussehen würde –
Eines wusste sie.
Sie würde sich in sein Leben einschreiben.
Sie würde dafür sorgen, dass, wenn Lucavion nach vorne blickte, wenn er seinen nächsten Schritt plante, wenn er über die Zukunft nachdachte –
Sie würde da sein.
Direkt an seiner Seite.
Aeliana atmete scharf aus, ihr Griff wurde fester, ihr Geist schärfte sich mit einem einzigen, brennenden Gedanken:
Dieser Mann gehört mir.
Was auch immer er vorhatte. Welche Ambitionen auch immer vor ihm in dieser Akademie, in der Welt da draußen lagen. Wer auch immer auf ihn wartete – ob es diese Frau war, die Tochter seines Meisters, oder irgendeine andere Närrin, die glaubte, sie könnte in sein Leben treten –
sie würden abgewehrt werden.
Niemand sonst durfte in seine Nähe kommen.
Denn dafür würde sie sorgen.
Aeliana grinste und drückte sich enger an ihn.
Lucavion war immer noch steif, sein Körper unter ihrem Griff angespannt, seine Hände umklammerten die Zügel, als wären sie seine einzige Verteidigung. Sein Atem ging unregelmäßig, immer noch zwischen Schock und Unsicherheit gefangen.
Aber sie war sich sicher.
Dieser Mistkerl würde nirgendwo hingehen.
Sie bewegte sich.
Langsam.
Bedächtig.
Ihre Finger glitten unter den Stoff seines Mantels und umfassten den Kragen seines Hemdes.
Lucavion zuckte zusammen. „Aeliana …?“
Sie ignorierte ihn.
Mit einem schnellen Ruck zog sie sein Hemd beiseite und entblößte seine Schulter der kühlen Nachtluft.
Lucavion holte scharf Luft, seine Muskeln spannten sich unter ihrer Berührung an.
Und dann …
Sie biss ihn.
Fest. Besitzanspruchnierend. Unbestreitbar.
Lucavion zuckte zusammen, sein ganzer Körper reagierte, bevor sein Verstand nachkommen konnte.
„Hhng …“
Aeliana grinste gegen seine Haut.
Perfekt.
Aber …
Es war nicht genug.
Sie hob den Kopf, ihre goldenen Augen glänzten im Mondlicht.
„Deine Antwort ist irrelevant“, flüsterte sie.
Lucavion drehte seinen Kopf leicht zur Seite, seine pechschwarzen Augen weit aufgerissen – fassungslos.
Und da –
sah sie es.
Ihr eigenes Spiegelbild in seinem dunklen Blick.
Sie umfasste sein Gesicht, ihre Finger drückten gegen seinen Kiefer und hielten ihn fest.
„Was –“
Lucavion brachte kaum ein Wort heraus, bevor –
sie ihn küsste.
Fest. Unnachgiebig. Endgültig.
Aelianas Lippen pressten sich fest und unerschütterlich auf seine.
Ihr erster Kuss.
Etwas, das sie noch nie zuvor getan hatte – etwas, das sie sich selbst nie hätte vorstellen können.
Wie hätte sie auch?
Während andere Mädchen sich verliebten, während edle Damen auf großen Bällen tanzten und hinter bemalten Fächern schüchterne Liebesbekundungen flüsterten –
lag sie im Bett.
Während sie sich verlobten, ihre Zukunft planten, lachten und träumten –
war sie gefangen zwischen vier Wänden, verschleiert, versteckt, vergessen.
Sie hatte so viel verpasst.
Die Freuden, die Herzschmerzen, die Momente, die zu ihrer Jugend hätten gehören sollen.
Und doch –
War das wichtig?
Jetzt, wo sie hier war, jetzt, wo ihre Lippen auf seinen lagen, jetzt, wo das Schicksal – ob durch Zufall oder pure Hartnäckigkeit – sie zu ihm geführt hatte –
Konnte sie sich beschweren?
Nein.
Denn das hier –
Das hier gehörte ihr.
Lucavion – dieser Mistkerl, der ihre Welt auf den Kopf gestellt hatte, der ihr Herz gestohlen hatte, bevor sie überhaupt gemerkt hatte, dass es ihr fehlte –
Gehörte ihr.
Ihre Lippen pressten sich gegen seine, warm und unerbittlich, und zum ersten Mal in ihrem Leben spürte Aeliana es.
Das Rauschen. Die Elektrizität. Die Hitze, die in ihrer Brust aufblühte, sich durch jeden Nerv ausbreitete und ihre Haut mit etwas entflammte, das sie noch nie zuvor gekannt hatte.
Ihr erster Kuss.
Sie wusste nicht, wie man jemanden küsst.
Nicht wirklich.
Sie hatte natürlich darüber gelesen – in Liebesromanen, die sie aus der Bibliothek ihres Vaters geklaut hatte, und in Geschichten, die die Bediensteten flüsterten, wenn sie dachten, sie hörte nicht zu. Sie hatte von Leidenschaft gehört, von atemloser Sehnsucht, von Küssen, die die Welt verschwinden ließen.
Aber Bücher konnten das nie einfangen.
Das echte Gefühl.
Lucavion lag steif unter ihr, erstarrt, ohne jede Reaktion – sein ganzer Körper war wie gelähmt, als hätte sein Verstand noch nicht ganz begriffen, was gerade passierte.
„Ha. Du weißt also wirklich nicht, wie du damit umgehen sollst, was?“
Sie hätte fast gegen seine Lippen gelacht.
Dieser arrogante Mann, dieser immer grinsende Mistkerl, der nie die Kontrolle verlor –
Wusste nicht, was er tun sollte, wenn sie die Kontrolle übernahm.
Und aus irgendeinem Grund –
liebte sie das.
Aeliana bewegte sich leicht, drückte sich ein wenig näher an ihn, neigte ihren Kopf – war es nicht so, wie es sein sollte? Wie es in den Büchern beschrieben wurde?
Lucavion zuckte zusammen.
Sein Atem stockte, und seine Lippen – zögernd, unbeholfen – öffneten sich ganz leicht unter ihren, als würde er sie testen, als wäre er unsicher.
Aelianas Herz pochte.
„Er ist … nicht gut darin.“
Es war unbeholfen, ungeübt. Keine geschickte Technik, keine mühelose Leichtigkeit, wie sie sie in den Geschichten gelesen hatte.
Und doch –
„Es ist irgendwie süß.“
Die Tatsache, dass er sie nicht wegschob.
Die Tatsache, dass er ihr nicht mit Neckereien, Arroganz oder einer flapsigen Bemerkung begegnete –
Die Tatsache, dass Lucavion, dieser Mann, ihr das überhaupt erlaubte –
Bedeutete, dass sie bereits in sein Leben eingedrungen war.
Der Kuss endete langsam, zögerlich, als wüssten beide nicht so recht, wie sie sich voneinander lösen sollten.
Aeliana zog sich ein wenig zurück, ihr Atem vermischte sich mit seinem, ihre goldenen Augen waren auf seinen pechschwarzen Blick geheftet. Ein dünner, glänzender Speichelfaden verband sie für einen flüchtigen Moment, bevor er zerbrach und in der Nachtluft verschwand.
Lucavion sah fertig aus.
Sein Atem ging schwer und unregelmäßig.
Seine Lippen – leicht geöffnet, leicht geschwollen – zitterten leicht, als wären sie sich noch nicht sicher, ob sie wieder nach ihren suchen oder eine Erklärung verlangen sollten.
Aelianas Brust hob und senkte sich und spiegelte seinen eigenen unregelmäßigen Atem wider.
Sie konnte es spüren – das Pochen in ihren Rippen, die Restwärme, die auf ihren Lippen zurückblieb, den unbestreitbaren Nervenkitzel, der durch ihre Adern strömte.
Keiner von beiden bewegte sich.
Nicht Aether. Nicht Vitaliara.
Nicht einmal der Wind.
Alles war still, als hätte die Welt selbst innegehalten, um sie zu beobachten.
Die Position, in der sie sich befanden, war nicht gerade bequem – ihre Arme lagen immer noch um seine Taille, seine Hände umklammerten die Zügel, als hinge sein Leben davon ab, ihre Körper waren viel zu nah aneinander gedrückt.
Aber Aeliana machte das nichts aus.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
„Haaah …“
„Haah …“
Beide atmeten gleichzeitig aus, ihr Atem kam in kurzen, unregelmäßigen Wellen.
Lucavion zuckte zusammen.
Und dann –
als würde er plötzlich in die Realität zurückgerissen, zog er abrupt seine Hand von den Zügeln weg und presste sie gegen seine Brust – direkt über sein Herz.
Aeliana spürte, wie es unter seiner Handfläche pochte.
Und dann, mit kaum zusammenhaltbarer Stimme –
„W-was …“ Er schluckte, seine dunklen Augen huschten überall hin, nur nicht zu ihr.
„H-hast du das gerade getan?“
Aeliana grinste, ihr Atem ging immer noch schwer, ihre goldenen Augen glitzerten im Mondlicht.
„Ist das nicht offensichtlich?“, murmelte sie und neigte leicht den Kopf.
Lucavion schwieg.
Natürlich tat er das.
Aber sie brauchte keine Antwort von ihm.
Denn sie wusste es bereits.
Sie beugte sich wieder vor, ihre Stimme jetzt leiser, sanft und selbstbewusst.
„Ich habe gerade den Menschen geküsst, den ich liebe.“
Eine Pause.
Dann ein langsames, bedächtiges Lächeln.
„Hast du ein Problem damit?“