Lucavion schüttelte den Kopf und atmete leise aus.
„Es hat keinen Sinn, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen“, sagte er mit ruhiger Stimme.
Thaddeus‘ goldene Augen richteten sich sofort auf ihn, sein ohnehin schon strenger Blick wurde noch schärfer.
„Nicht nötig?“ Seine Stimme war leise, aber sie trug das Gewicht eines aufziehenden Sturms. „Das kannst du leicht sagen.“ Sein Kiefer presste sich zusammen, sein Griff um die Stuhllehne wurde fester. „Es war nicht dein geliebter Mensch, der sein Leben verloren hat.“
Lucavion zuckte nicht mit der Wimper. Er schreckte nicht vor der Wut zurück, die den Herzog wie ein kaum gezügelter Feuerofen umgab.
Stattdessen
nickte er.
„Das ist richtig.“
Seine Worte waren ruhig. Einfach.
Und das …
Das machte die Stimmung im Raum nur noch bedrückender.
Der Herzog fühlte zu viel auf einmal.
Zu viele Emotionen, die alle aufeinanderprallten und an ihm zerrten.
Denn wenn das wahr war …
Wenn diese Dinge – diese verdammten Dinge vom Himmel – der Grund für ihren Tod waren …
wenn es nicht nur Schicksal oder Unglück oder eine grausame Krankheit gewesen war –
sondern etwas, das jemand verursacht hatte.
Etwas, das jemand getan hatte.
Sein Atem wurde langsamer.
Und dann –
seine Stimme war leise und ruhig.
„Diese Dinger … von denen du sprichst …“ Sein Blick bohrte sich in Lucavions. „Gibt es noch mehr davon da draußen?“
Lucavion lächelte.
Es war kein verspieltes Lächeln. Es war kein neckisches Lächeln.
Es war ein Lächeln, das bedeutete, dass er bereits wusste, was Thaddeus dachte.
„Ja, das gibt es.“
Stille.
Die Finger des Herzogs ballten sich zu einer Faust.
Sein Blut – seine ganze Seele – brannte.
Vor Wut.
Vor dem Bedürfnis nach mehr als nur Verständnis.
Vor dem Bedürfnis, etwas zu tun.
Denn das hier –
das war etwas, auf das er seine Wut richten konnte.
Etwas, das er zerstören konnte.
Und Thaddeus Duchy war noch nie jemand gewesen, der Dinge einfach so laufen ließ.
Lucavions dunkle Augen funkelten unlesbar, als er den Kopf leicht neigte.
„Heißt das, du glaubst mir jetzt?“
Seine Stimme klang locker, aber die Frage war alles andere als beiläufig.
Es war keine Provokation.
Es war ein Test.
Thaddeus erwiderte seinen Blick, seine goldenen Augen unerschrocken.
Sie starrten sich an, keiner wich zurück, das Gewicht all dessen, was unausgesprochen blieb, lastete schwer auf der Stille.
Der Herzog ließ den Moment aushalten, musterte den jungen Mann vor sich.
Lucavion.
„Dieser Junge … Nein. Nicht nur ein Junge. Eine Macht für sich.“
Auf den ersten Blick war er nichts weiter als ein Schurke – ein geschickter, lästiger Schwertkämpfer, der das Reich für einen kurzen Moment erschüttert hatte, bevor die Geschichte ohne ihn weiterging.
Und doch –
Kein gewöhnlicher Mann hat die Macht, das Schicksal zu verändern.
Von dem Moment an, als er diesen Raum betreten hatte, bewegte sich Lucavion wie jemand, der immer zehn Schritte voraus war.
Selbstbewusst, aber nicht arrogant.
Schelmisch, aber niemals leichtsinnig.
Und vor allem –
Er redet nie ohne Grund.
Je mehr Thaddeus ihm zuhörte, desto klarer wurde ihm, dass
Lucavions Worte nicht nur das Geschwätz eines Mannes waren, der beeindrucken wollte.
Sie waren kalkuliert.
Abgewogen.
Als ob er bereits das genaue Gewicht jeder Enthüllung kannte, bevor er sie aussprach.
Und doch, trotz seiner ganzen Gelassenheit,
hat er etwas Gefährliches an sich.
Die Art, wie er grinst, wie er zwischen Humor und absoluter Gewissheit hin und her wechselt.
Wie ein Mann, der nichts zu befürchten hat.
Oder
wie ein Mann, der schon zu viel verloren hat, um noch Angst vor irgendetwas zu haben.
Und Thaddeus
Er hatte genug Jahre im Krieg verbracht, genug Jahre unter Männern, die sichtbare und unsichtbare Narben trugen, um jemanden zu erkennen, der von Verlusten geprägt war.
„Du hast etwas durchgemacht, nicht wahr, Lucavion?“
Aber das war nicht die Frage, um die es ging.
Die Frage war –
Glaubte er ihm?
Thaddeus atmete aus und ließ seine Gedanken zu einer einzigen, unbestreitbaren Schlussfolgerung kommen.
„Ja.“
Seine Stimme war fest. Unerschütterlich.
„Ich glaube dir.“
Lucavion blinzelte einmal, bevor sein Grinsen zurückkehrte, klein, aber deutlich sichtbar.
„Ach ja?“
Thaddeus ließ sich nicht auf das Spiel ein, das Lucavion mit ihm spielen wollte.
„Ich habe zu viel gesehen. Zu viel gehört. Und alles, was du bisher gesagt hast, stimmt mit dem überein, was ich gesehen habe und was Aeliana bestätigt hat.“
Sein Blick wurde schärfer.
„An dir weiter zu zweifeln, wäre nicht nur dumm – es wäre unehrlich.“
Er ließ seine Worte wirken, bevor er fortfuhr.
„Und ich habe nicht vor, unehrlich gegenüber dem Mann zu sein, der meiner Tochter das Leben gerettet hat.“
Lucavion lachte leise und schüttelte den Kopf. „Hah … Wie förmlich, Herr Herzog.“
Thaddeus atmete scharf durch die Nase aus.
„Humph.“
Ein kurzes, leises Schnauben. Nicht ganz Belustigung, nicht ganz Verärgerung – irgendwo dazwischen.
Dann ging er mit gemessenen Schritten vorwärts.
Näher.
Bis er direkt vor Lucavion stand.
Der Unterschied in ihrer Statur war deutlich zu sehen – Thaddeus, der hochgewachsene Herzog, mit goldenen Augen und imposanter Erscheinung. Lucavion, wie immer gelassen, leicht nach vorne gebeugt, als würde ihn dieses Gewicht nicht wirklich erreichen.
Die Spannung im Raum löste sich nicht auf.
Wenn überhaupt, wurde sie noch stärker.
Thaddeus sah auf ihn herab und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
„Nun …“
Seine Stimme war leise. Beherrscht.
„Sag mir, warum du mir all diese Dinge offenbart hast.“
Lucavion lächelte.
Nicht sein übliches Grinsen.
Nichts Spöttisches oder Verspieltes.
Ein kleines, wissendes Lächeln.
Als hätte er auf diese Frage gewartet. Mehr dazu in My Virtual Library Empire
Als wäre es vorprogrammiert gewesen.
Der Raum war still, die Luft war schwer von der Last der Erwartungen.
Dann –
beugte sich Lucavion leicht vor, seine dunklen Augen funkelten unlesbar.
„Warum tatsächlich?“
Thaddeus‘ Blick schwankte nicht.
Er hatte eine vage Antwort erwartet. Etwas Ausweichendes.
Aber das hieß nicht, dass er das akzeptieren würde.
„Was ist dein Ziel?“ Seine Stimme war ruhig und scharf. „Aus welchem Grund bist du hierher gekommen?“
Lucavion zuckte mit den Schultern, seine Haltung war so entspannt wie immer.
„Ich bin hier, um das zu erledigen, was mein Meister mir aufgetragen hat.“
Thaddeus‘ goldene Augen verengten sich.
„Das mag ein Grund sein.“ Sein Tonfall wurde etwas düsterer. „Aber das ist nicht der einzige Grund, oder?“
Lucavion blieb regungslos.
Dann –
ein kurzer Blick.
Nicht zum Herzog.
Zu Aeliana.
Es war schnell, flüchtig, aber es war da.
Und Thaddeus bemerkte es.
Lucavions Grinsen kehrte zurück, nur ganz leicht.
„In der Tat, es ist schwer, dich zu täuschen.“ Er atmete aus und neigte leicht den Kopf. „Nicht, dass ich es versucht hätte.“
Dann –
Er sprach ein einziges Wort.
Ein Wort, das die Spannung im Raum veränderte.
„Da ich ehrlich zu dir war, möchte ich dich um einen Gefallen bitten.“
Thaddeus‘ Miene verdüsterte sich.
Er hatte das kommen sehen.
„Du hast meine Tochter gerettet.“ Seine Stimme war leise, aber bestimmt. „Wenn es in meiner Macht steht, werde ich mein Bestes tun, um deine Bitte zu erfüllen.“
Lucavions Grinsen wurde etwas breiter. „Das habe ich von dir erwartet, Herr Herzog.“
Mit diesen Worten drehte er den Kopf und richtete seinen dunklen Blick zum Fenster.
Draußen neigte sich der Tag dem Abend zu, und die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Horizont in tiefes Gold und Violett.
Und dann –
Seine Stimme war leise, sanft, aber unmissverständlich entschlossen.
„Ich möchte, dass du mein Beschützer wirst.“
Stille.
Dichte Stille.
Aeliana erstarrte.
Thaddeus blieb regungslos.
Dann –
flammten seine goldenen Augen auf.
„… Was?“