Das Knistern des Feuers in der Kammer schien weit weg, verschluckt von der drückenden Stille. Die zerbrochenen Überreste der Armlehne des Stuhls zerbröckelten zwischen den Fingern von Herzog Thaddeus, doch er rührte sich nicht. Er sagte kein Wort.
Aelianas Worte hatten ihn getroffen.
Mehr als alles andere zuvor – mehr als ihre scharfe Trotzreaktion, mehr als ihre Rückkehr aus der Hölle, mehr als die unheimliche Stille des Meeres – das hier.
Das war es, was seine Kontrolle zu brechen drohte.
Seine vertrauteste Beraterin.
Seine handverlesene Wächterin.
Die Frau, der er Aelianas Leben anvertraut hatte – war genau diejenige, die sie verraten hatte.
Madeleina.
Das Gewicht dieses Namens brannte in seinem Kopf.
Aelianas Grinsen verschwand nicht. Wenn überhaupt, vertiefte es sich noch, während sie ihren Vater mit ungezügelter Genugtuung beobachtete.
Er war wütend.
Sie konnte es sehen.
Die kaum unterdrückte Wut.
Die Art, wie sein Mana flackerte, unsichtbar, aber unbestreitbar. Die Art, wie er die Schultern straffte, wie seine Finger – normalerweise kontrolliert und gelassen – sich verkrampften, bis seine Knöchel weiß wurden.
Und doch sagte er nichts.
Noch nicht.
Denn er musste das erst verarbeiten.
Er musste jeden Moment, jede Interaktion, jede Lüge, die er geschluckt hatte, durchgehen.
Aeliana wusste es in dem Moment, als sie das Flackern in seinen goldenen Augen sah. Die Erkenntnis.
Sie musste es nicht einmal aussprechen.
Er war betrogen worden.
Und er hasste es.
„Zögerst du jetzt?“
Ihre Stimme war leicht, aber die Bedeutung dahinter war messerscharf.
„Du glaubst irgendwelchen Frauen mehr als deinem eigenen Kind?“
Der Vorwurf traf ihn hart.
Herzog Thaddeus presste die Kiefer aufeinander, knirschte leicht mit den Zähnen, bevor er sich zwang, auszuatmen. Seine Wut musste einen Ausweg finden. Sie brauchte eine Richtung.
Aeliana neigte den Kopf, in ihren Augen blitzte Belustigung auf.
„Wie amüsant.“
Die Worte waren spöttisch.
Zu spöttisch.
Und in diesem Moment rastete er aus.
Nicht körperlich – noch nicht.
Aber die Luft knisterte.
Seine Mana, die er normalerweise kontrollierte, die normalerweise zu etwas Scharfem und Diszipliniertem geschliffen war, schlug um sich.
Die Luft in der Kammer wurde schwer.
Der Raum verdunkelte sich.
Aelianas Grinsen verschwand ein wenig, als sie spürte, wie das Gewicht darauf auf ihre Knochen drückte.
Aber sie duckte sich nicht.
Sie hielt seinem Blick stand.
Denn dies war ihr Moment.
Und sie hatte zu viele Jahre darauf gewartet.
„Du …“, sagte er leise.
Aber gefährlich.
Das Wort kam kaum über seine Lippen, doch es hatte das Gewicht eines Sturms.
„Weißt du, was du da sagst?“
Aeliana beugte sich leicht vor, legte die Hände auf die Knie und ihre bernsteinfarbenen Augen leuchteten.
„Natürlich weiß ich das.“
Eine Pause.
Eine zu dicke Stille.
Dann fügte sie leise, aber bestimmt hinzu:
„Die eigentliche Frage ist … wirst du es tun?“ Aeliana hielt einen Moment inne. „Wird dein Stolz es dir erlauben, das zuzugeben?“
Herzog Thaddeus holte scharf Luft, seine Schultern hoben sich, seine Brust blähte sich auf, als würde er sich darauf vorbereiten, das Gewicht von etwas weit Schwererem als bloßen Worten zu ertragen.
Denn sie hatte Recht.
Aeliana hatte Recht.
Es ging nicht nur um Verrat.
Es ging nicht nur um die Konsequenzen.
Es ging um ihn.
Um seinen Stolz.
Um seine Weigerung, zu akzeptieren, dass er getäuscht worden war.
Dass er – Herzog Thaddeus von den Östlichen Meeren, ein Mann, der sein Leben lang über Täuschungen gestanden hatte, hinter Fassaden blickte und alles sah – versagt hatte.
Dass er Madeleina nicht durchschaut hatte.
Dass er deswegen fast seine Tochter verloren hätte.
Die Last dieser Erkenntnis drückte auf seine Brust und nahm ihm den Atem.
Die Wut, die in ihm brodelte und nach Entladung verlangte, verwandelte sich nun in etwas viel Schlimmeres.
Kalte Wut.
Nicht die heiße, unberechenbare Art.
Sondern die Art, die nachhallte.
Die Art, die wartete.
Die Art, die komplett zerstörte.
Und trotzdem zögerte er.
Nicht, weil er an Aelianas Worten zweifelte.
Nicht, weil er sich weigerte, die Realität anzuerkennen.
Sondern weil er sich eingestehen musste, dass er sich geirrt hatte.
Dass er versagt hatte.
Das bedeutete, sich selbst anzuschauen.
Das bedeutete, zu erkennen, dass er trotz all seiner Kontrolle, trotz all seiner Vorsicht versagt hatte.
Und Versagen war etwas, das Herzog Thaddeus nicht tolerierte.
Vor allem nicht sein eigenes.
Aelianas Blick schwankte nicht.
Sie hatte ihm die Wahrheit gesagt.
Sie hatte sie ihm vor die Füße geworfen und darauf gewartet, ob er einen Schritt nach vorne machen oder sich abwenden würde.
Und so traf er seine Entscheidung.
Seine Hand hob sich.
Die Bewegung war langsam, bedächtig – seine Finger öffneten sich, seine Handfläche zeigte nach oben.
Ein Atemzug.
Eine Entscheidung.
„Ich glaube an dich.“
Seine Stimme war leise, aber entschlossen.
Die Spannung in der Luft veränderte sich.
Aelianas Augen weiteten sich – nur ein wenig, fast unmerklich, aber er bemerkte es.
Das kurze Aufblitzen von Überraschung.
Denn sie hatte nicht erwartet, dass er das sagen würde.
Nicht so einfach.
Nicht so bereitwillig.
Ihre Lippen öffneten sich leicht, als wollte sie etwas sagen – aber es kam nichts.
Zum ersten Mal seit ihrer Rückkehr schwieg Aeliana.
Denn trotz allem – trotz ihrer Wut, ihrer Bitterkeit, ihrer Verletzungen – war dies das Einzige, was sie immer hören wollte.
Das Vertrauen ihres Vaters.
Herzog Thaddeus senkte die Hand, sein goldener Blick blieb unverwandt.
„Wenn ich nicht an meine eigene Tochter glauben kann“, sagte er leise.
„An wen soll ich dann glauben?“
Aeliana atmete leise aus, ihre Lippen öffneten sich, als wollte sie etwas sagen – doch stattdessen seufzte sie nur leise.
Sie dankte ihm nicht.
Sie würdigte seine Worte nicht über das hinaus, was bereits gesagt worden war.
Aber ihre Schultern entspannten sich ein wenig.
Und Herzog Thaddeus, trotz seiner scharfen Intuition, wusste, dass das für den Moment genug war.
In diesem Moment –
hallte ein Klopfen durch den Raum.
Der Moment war vorbei.
Aeliana richtete sich auf, und Thaddeus‘ Blick huschte zur Tür, als eine Stimme durch das schwere Holz drang.
„Eure Hoheit, Herr Luca ist da.“
Aelianas Brauen zogen sich leicht zusammen, während Thaddeus nur ausatmete, sein Gesichtsausdruck unlesbar.
Die Tür öffnete sich.
Und da stand er.
Luca betrat den Raum, diesmal vorzeigbar gekleidet. Er trug keine zerlumpten, mit Meersalz und Kampfspuren befleckten Kleider mehr, sondern saubere, gut sitzende Gewänder, die ihm – obwohl schlicht – überraschend gut standen.
Doch trotz seines verbesserten Aussehens blieb eines unverändert.
Dieses verdammte Lächeln.
Dasselbe Lächeln, das einen Hauch von Belustigung hatte, als wäre die Welt nur etwas, das man beobachtet, an dem man aber nicht teilnimmt.
Seine dunklen Augen huschten zwischen Vater und Tochter hin und her und nahmen die angespannte Stimmung in der Luft wahr.
Dann sprach er mit müheloser Leichtigkeit.
„Ihr habt mich gerufen, Herr Herzog. Aber ich hoffe, ich störe nicht eure Vater-Tochter-Zeit.“
Aeliana schnalzte mit der Zunge.
Der Herzog reagierte jedoch nicht.
Er wandte sich einfach an die Magd und ignorierte die offensichtliche Unhöflichkeit des Jungen.
„Ruf Madeleina her.“
Doch bevor die Magd auch nur einen Schritt machen konnte –
Eine sanfte, ruhige Stimme hallte durch den Raum.
„Nicht nötig. Ich bin hier.“
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Aeliana erstarrte.
Luca hob eine Augenbraue.
Herzog Thaddeus drehte langsam den Kopf.
Und da stand sie, an der Türschwelle des Zimmers: Madeleina.
In dem Moment, als Madeleina den Raum betrat, wurde die Atmosphäre schwerer.
Sie war wie immer gelassen. Ihre Haltung war perfekt, ihr Gesichtsausdruck ruhig, ihre Uniform makellos. Ihre Haltung zeigte keine Angst, ihre Schritte waren entschlossen. Wenn sie die Last der Anschuldigungen spürte, die in der Luft lagen, ließ sie sich nichts anmerken.
Herzog Thaddeus kniff seine goldenen Augen zusammen.
Aeliana jedoch –
Ihr ganzer Körper versteifte sich, ihre Finger zuckten an ihren Seiten, während ihre Aura anschwoll.
Das flackernde Kerzenlicht zitterte. Die Luft um sie herum veränderte sich, unsichtbare Energie drückte nach außen, scharf und roh.
Madeleina hielt ihrem Blick stand.
Einen langen Moment lang sagte keine von beiden etwas.
Dann –
„Du.“
Das einzige Wort triefte vor Gift.
Aeliana wartete nicht.
Im Handumdrehen war sie schon da.
Der Boden unter ihr barst, als sie einen Schritt nach vorne machte, schnell, zu schnell für jegliches Zögern, zu schnell für alles andere als pure, ungefilterte Wut.
Ihre bernsteinfarbenen Augen brannten.
Doch bevor sie einen weiteren Schritt machen konnte –
„Aeliana.“
Die Stimme ihres Vaters.
Nicht laut. Nicht hart.
Aber unmissverständlich.
Aeliana erstarrte, ihr Atem ging schwer, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Ihre Aura pulsierte immer noch, drohte immer noch auszubrechen, aber sie bewegte sich nicht weiter.
Madeleina zuckte nicht mit der Wimper.
Sie drehte nur leicht den Kopf, ihre Augen huschten kurz zu Thaddeus, bevor sie wieder auf Aeliana ruhten.
„Du bist stärker zurückgekommen, als ich erwartet hatte“, sagte sie nachdenklich, in einem gemessenen Tonfall, als würden sie über etwas Alltägliches sprechen. „Das ist gut.“
Aelianas Finger zuckten.
„Spar dir deine Höflichkeiten“, zischte sie.
Madeleina atmete aus, neigte den Kopf leicht und sah ihn mit kühlen silberblauen Augen an. „Ich bin nicht hier, um Höflichkeiten auszutauschen.“
Aeliana sträubte sich, ihre Mana pulsierte erneut, diesmal unregelmäßiger.
„Du …!“
„Aeliana.“
Die Stimme ihres Vaters durchbrach erneut die Spannung, diesmal schärfer.
Sie drehte ihren Kopf zu ihm und sah ihn wütend an. „Du erwartest von mir, dass ich …!“
„Halt dich zurück.“
Sein Befehl war bestimmt.
Aeliana grub ihre Fingernägel in ihre Handflächen und biss die Zähne zusammen.
Aber sie bewegte sich nicht.
Noch nicht.
Die Magd, die an der Tür stand, zitterte leicht und sah zwischen ihnen hin und her, unsicher, ob sie bleiben sollte.
Thaddeus warf ihr einen Blick zu.
„Du kannst gehen.“
Die Worte ließen keinen Raum für Widerrede.
Die Magd nickte schnell, trat zurück und schloss die schwere Tür hinter sich, als sie aus der erdrückenden Spannung floh, die zurückblieb.
Stille.
Dann endlich –
Thaddeus richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Madeleina.
Sein goldener Blick brannte vor stiller Wut.
„Warum hast du das getan?“
Er wollte es wissen.