„Ich weigere mich.“
Lucavions Grinsen wurde zu einem schärferen Ausdruck, der keine Entschuldigung zuließ.
„Ich verneige mich vor niemandem und gehorche niemandem.“
Die Luft veränderte sich.
Die Spannung auf dem Deck war so stark, dass sie fast zu zerreißen drohte.
Eine Ader zuckte an Thaddeus‘ Schläfe.
„Dieser Junge …“
Eine langsame, brennende Wut stieg in ihm auf, unerbittlich und unnachgiebig. Seine Geduld, die durch diesen ganzen Unsinn bereits überstrapaziert war, stand nun kurz vor dem Zusammenbruch.
Doch bevor er reagieren konnte –
Eine plötzliche, scharfe Bewegung von der Seite.
Aeliana hatte kaum Zeit, sie zu registrieren.
Stahl glänzte in der Luft.
„Wie kannst du es wagen!“
Die Stimme hallte voller gerechter Wut.
Reinhardt Valsteyn.
Der Ritterkommandant.
Der Mann, der jahrelang unter Thaddeus gedient hatte, der sein Leben dem Herzogtum, dem Herzog – Aeliana – gewidmet hatte.
Seine Klinge blitzte auf, ein silberner Streifen, der mit tödlicher Präzision durch die Luft schnitt.
Es war keine Warnung.
Es war eine Hinrichtung.
„Nein!“
Aelianas Stimme durchdrang den Moment, aber sie war zu weit weg, zu spät –
Das Schwert fiel.
KLIRR!
Funken sprühten, als Metall auf Metall traf.
Eine Schockwelle riss durch das Deck, ein Kraftimpuls, der so stark war, dass die losen Planken ächzten und die Luft unter ihrem Gewicht bebte.
Bevor sie sie erreichen konnte –
Eine Barriere.
Sie bildete sich augenblicklich, golden und unnachgiebig, und umhüllte Aeliana wie ein Schild – eine instinktive Handlung, eine so absolute Beherrschung der Mana, dass sie die Wucht der Schockwelle zerschmetterte, bevor sie sie auch nur streifen konnte.
Aeliana taumelte zurück, aber der Aufprall erreichte sie nicht.
Thaddeus‘ Hand war immer noch erhoben, seine goldenen Augen scharf und vor unterdrückter Wut glühend.
Seine Barriere hielt.
Seine Tochter war unversehrt.
Und vor ihm –
KLANG!
Der Aufprall durchzuckte Lucavions Arm wie eine Schockwelle, die Knochen in seinem Unterarm brachen unter der Wucht von Reinhardts Schlag. Der Schmerz flammte auf, heiß und brennend, aber er wankte nicht. Sein Estoc, umhüllt von diesem seltsamen schwarzen Licht, traf frontal auf die Klinge des Ritterkommandanten.
Funken flogen, als ihre Auren aufeinanderprallten, Energie wellenförmig nach außen drang und das Holzdeck unter ihnen zerfetzte.
Aeliana taumelte zurück, die Augen weit aufgerissen, kaum in der Lage, zu begreifen, was sie sah.
Reinhardts Schwert hätte ihn in zwei Hälften spalten müssen.
Doch er stand noch da.
Nicht unverletzt – weit davon entfernt –, aber am Leben.
Lucavion lachte leise, während Blut von seinem gebrochenen Arm tropfte. Sein Griff um den Degen hatte sich nicht gelockert, obwohl die Adern an seinem Handgelenk unnatürlich hervortraten und sich unter dem Druck anspannten. Seine Finger zitterten, aber ob vor Schmerz oder vor Erregung, war unmöglich zu sagen.
„Ah … das ist amüsant“, murmelte er, neigte den Kopf und seine Stimme klang seltsam, distanziert und fröhlich. Seine goldenen Augen, die normalerweise vor spöttischer Arroganz funkelten, brannten jetzt mit etwas viel Gefährlicherem.
Reinhardts Miene verdüsterte sich.
Der Junge lächelte.
Trotz der Schmerzen, trotz der überwältigenden Unterlegenheit sah er amüsiert aus.
Und dann war da noch diese Mana.
Thaddeus kniff die Augen zusammen und seine Gedanken rasten. Es war anders als alles, was er in den letzten Jahrzehnten erlebt hatte, und doch beunruhigend vertraut. Er hatte es schon einmal gespürt. Nicht genau diese Präsenz, aber ihre Essenz – irgendwo in der Vergangenheit, vergraben in den blutbefleckten Seiten der Geschichte, von denen er sich einst abgewandt hatte.
Diese schleichende Dunkelheit, unergründlich und doch unvollständig.
„Wie?“, flüsterte der Herzog leise. Seine goldenen Augen huschten hin und her und suchten nach der dunklen Energie, die sich um Lucavions Klinge wickelte. Sie war instabil, unruhig, wie ein eingesperrtes Tier, das an den Gitterstäben seiner Gefangenschaft nagte. Aber das Beunruhigendste daran war, dass
er sich bedroht fühlte.
Er, ein acht Sterne Erwachter, ein Veteran unzähliger Schlachten, ein Krieger, dessen Aura allein erfahrene Ritter erzittern ließ – spürte eine Spur von Gefahr durch die bloße Anwesenheit dieses Jungen.
„Unmöglich.“
Reinhardt, der die innere Alarmbereitschaft des Herzogs nicht bemerkte, stürmte vorwärts. Er drückte sein Schwert mit vernichtender Kraft nach unten, und das bloße Gewicht seines mit Mana aufgeladenen Schlags drohte Lucavions Verteidigung vollständig zu zerschmettern.
Der Estoc ächzte unter dem Druck, seine schlanke Klinge bog sich und war kurz davor zu brechen.
Lucavions Grinsen wurde breiter. Sein gebrochener Arm schrie vor Schmerz, der jede Vernunft übertönte, aber er nahm ihn gerne in Kauf.
„Dieser Körper ist schwach. Aber Schwäche kann doch unterhaltsam sein, oder?“
Die Dunkelheit um seine Klinge pulsierte – einmal, dann zweimal – bevor sie nach außen drängte.
BOOM!
Die Kraft brach zwischen ihnen hervor, eine konzentrierte Explosion von Mana, die auf Reinhardts Macht prallte. Die Schockwelle ließ Risse über das Deck laufen, Planken splitterten, als der Aufprall beide Kämpfer nach hinten schleuderte.
Lucavion landete hart, rollte sich ab, um die Wucht abzufangen, sein verletzter Arm hing schlaff an seiner Seite. Sein Mantel, einst makellos, war jetzt zerfetzt, Blut tränkte den Stoff, wo splitterndes Holz seine Haut aufgerissen hatte.
Reinhardt stolperte kaum, sein Stand war fest, aber er blickte mit gerunzelter Stirn auf seine eigene Klinge.
Ein Teil seines Manas war … verschlungen worden.
„Was für eine List ist das?“
Lucavion atmete scharf aus und schüttelte seinen gebrochenen Arm, als wolle er ihn testen. Der Schmerz war unerträglich. Seine Finger zuckten nutzlos. „Ugh. Das wird mir im Moment nicht viel nützen.“
Dennoch stand er noch.
Und was noch wichtiger war: Er lächelte immer noch.
Thaddeus machte einen langsamen Schritt vorwärts und kniff die Augen zusammen. „Genug.“
Reinhardt machte einen schnellen Schritt vorwärts, die Klinge noch immer in der Hand, sein Mana brodelte um ihn herum. Er atmete ruhig, seine Haltung war unerschütterlich, aber die Wut in seiner Stimme war unüberhörbar.
„Diese Respektlosigkeit kann nicht toleriert werden, Eure Hoheit.“ Seine Augen blitzten, als er sich zu Thaddeus umdrehte, seine Überzeugung so scharf wie seine Klinge. „Er weiß nicht, wo sein Platz ist. Soll ich das korrigieren?“
Lucavion atmete langsam und bedächtig aus, aber die Anspannung war deutlich zu spüren. Sein gebrochener Arm zitterte leicht, sein Mantel war blutverschmiert, aber sein Grinsen blieb, wenn auch jetzt etwas dünner.
Und dennoch sprach er weiter.
„Was? Seit wann ist es respektlos, seine Meinung zu sagen?“
Seine schwarzen Augen, die trotz seiner Verletzungen scharf waren, huschten zu Reinhardt mit einem Ausdruck, der fast amüsiert wirkte – als könne ihn nichts davon abschrecken, als könne ihn niemals etwas abschrecken.
Reinhardt versteifte sich. „Du …“
„Genug.“
Thaddeus‘ Stimme zerschnitt die Luft wie ein Messer.
Reinhardt erstarrte.
Das Schiff selbst schien unter dem Gewicht des Befehls des Herzogs stillzustehen.
Einen Moment lang bewegte sich niemand.
Und doch –
Lucavion grinste.
Selbst verwundet, unterlegen, vor dem mächtigsten Mann auf diesem Schiff stehend – er wankte nicht.
„Unhöflich zu sein ist nicht dasselbe wie frei zu sprechen“, knurrte Reinhardt und umklammerte sein Schwert fester. „Du hast den Herzog selbst beleidigt.“
Lucavion neigte den Kopf.
„Da bin ich anderer Meinung.“
Seine Stimme klang diesmal weder arrogant noch spöttisch.
Nur überzeugt.
„Manieren“, sagte er, atmete aus und verlagerte sein Gewicht auf seine unverletzte Seite, „sind nichts weiter als erfundene Fesseln. Eine Illusion, die von den Mächtigen geschaffen wurde, um die Machtlosen zu kontrollieren. Sie sind Grenzen. Sie existieren nicht, um Respekt zu zeigen – sie existieren, um einzuschränken.“
Reinhardt runzelte die Stirn. „Das ist nichts weiter als eine kindische Ausrede für Unverschämtheit.“
Lucavion lachte. Es war ein kurzes, leises, raues Lachen – voller Schmerz. Seine Rippen schmerzten von dem Schlag, sein Arm schrie ihn an, still zu halten, aber er war noch nicht fertig.
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„Frechheit?“, brummte er, neigte den Kopf und ließ seine dunklen Augen blitzen. „Wenn es Frechheit ist, ehrlich zu sein, dann sag mir, Sir Ritter – wer profitiert von deinem sogenannten Anstand?“
Reinhardt trat vor und konnte sich nur mit Mühe zurückhalten. „Alle. Die Gesellschaft lebt von Ordnung und Respekt. Ohne sie würde die Welt im Chaos versinken.“
Lucavion atmete langsam und bedächtig aus.
„Und doch“, sinnierte er, während sein Grinsen wieder auftauchte, „habe ich irgendwie den Verdacht, dass diejenigen, die am meisten Respekt verlangen, ihn am wenigsten verdienen.“
Reinhardts Augen blitzten.
„Genug von diesem Unsinn!“ Seine Klinge zuckte in seiner Hand, seine Beherrschung schwand. „Du redest ohne Kontrolle. Das ist keine Freiheit – das ist Leichtsinn.“
Lucavion lachte leise.
Dann wanderte sein Blick – sein dunkler, durchdringender Blick – ganz leicht ab.
Nicht zu Reinhardt.
Sondern zum Herzog.
„Außerdem“, sagte er beiläufig, aber seine Stimme klang scharf, „für mich ist nicht derjenige unhöflich, der frei spricht, sondern derjenige, der Gespräche belauscht, zu denen er nicht eingeladen wurde.“
Reinhardt erstarrte.
Aeliana hielt den Atem an.
Thaddeus‘ goldene Augen verengten sich, und etwas Kaltes blitzte darin auf.
„Stimmt’s, Herr Ritterkommandant?“