Herzog Thaddeus blieb regungslos stehen. Sein scharfer Blick bohrte sich in den jungen Mann vor ihm, nicht in einem finsteren Blick, sondern in einer abschätzenden Geste. Die Wände der Höhle flackerten im unheimlichen Schein der biolumineszierenden Felsen und warfen wechselnde Schatten auf den Stein und das Wasser – aber das war jetzt alles egal.
Denn dieser Luca stand direkt vor ihm.
Lebendig.
Und das –
Das war das Unmöglichste von allem.
Thaddeus‘ Gesichtsausdruck blieb unlesbar, seine Stimme langsam und bedächtig.
„Ja“, sagte er schließlich. „Ich habe von dir gehört.“
Lucas Grinsen wurde etwas breiter, seine Haltung blieb entspannt und lässig – aber hinter dieser Belustigung verbarg sich etwas Unausgesprochenes.
Der Herzog fuhr fort.
„Eryndor hat sich für dich verbürgt.“
Luca blinzelte, sein Grinsen verschwand fast, als wäre er zwischen Neugier und echter Überraschung hin- und hergerissen.
„Wirklich?“
Thaddeus ließ sich nicht beirren. Seine Stimme blieb ruhig, aber hinter jedem Wort lag eine deutliche Schwere.
„Du hast während der Expedition an der Seite meiner Männer gekämpft. Du hast dich dem Kraken gestellt. Und obwohl du nur ein 4-Sterne-Kämpfer bist, hast du …“ Seine Augen verengten sich leicht, während er jede noch so kleine Reaktion genau beobachtete.
„…kämpfst, als wärst du viel stärker.“
Luca lachte leise und neigte leicht den Kopf.
„Ah.“ Er atmete aus und verschränkte locker die Arme vor der Brust. „Das haben sie dir also erzählt.“
Thaddeus‘ Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
„Sie sagten, du hättest mitten in der Schlacht den Durchbruch zum 4-Sterne-Kämpfer geschafft.“
Eine weitere Pause.
Etwas Seltsames huschte über Lucas dunkle Augen, bevor er wieder grinste und sich von der Höhlenwand löste.
„Ahh, das war ein guter Moment“, sinnierte er und rollte mit den Schultern, als würde er sich an einen lockeren Sparring erinnern und nicht an einen Kampf auf Leben und Tod. „Nichts geht über eine gute Situation, in der es um Leben und Tod geht, um an seine Grenzen zu kommen, oder?“
Thaddeus lächelte nicht.
Stattdessen wurde seine Stimme hart.
„Und doch“, sagte er langsam, „hat Eryndor auch gesagt, dass du dich selbst als 4-Sterne-Kämpfer wie ein 5-Sterne-Kämpfer gefühlt hast. Dass du dich gegen Ritter behauptet hast, die weit über deinem Rang standen.“
Luca blieb stehen.
Nur für eine Sekunde.
Sein Grinsen war noch da, sein Körper strahlte immer noch dieselbe mühelose Gelassenheit aus – aber Thaddeus sah es.
Die Art, wie seine Finger leicht zuckten.
Die Art, wie sein Atem stockte, ganz subtil, bevor er sich wieder beruhigte.
Es war nur eine Kleinigkeit. Kaum wahrnehmbar.
Aber für Thaddeus?
Es war alles.
Er hatte jahrzehntelang Soldaten befehligt, die besten Krieger, Ritter und Magier aufsteigen und fallen sehen. Er wusste, wie es aussah, wenn ein Mann seine nächsten Worte sehr, sehr sorgfältig wählte.
Luca lachte kurz.
„Nun“, sagte er schließlich, neigte den Kopf und seufzte theatralisch, „das ist wohl ein ziemliches Kompliment, oder?“
Seine schwarzen Augen trafen Thaddeus‘ direkt – ohne zu wanken.
„Ein Elite-Ritter hält mich für stärker, als ich tatsächlich bin? Ich fühle mich geehrt.“
Thaddeus rührte sich nicht.
Er reagierte nicht.
Er starrte ihn einfach nur an.
Denn er wusste es.
Diese Reaktion – diese Wortwahl.
Er hatte es nicht geleugnet.
Er hatte nicht zugestimmt.
Er war der ganzen Sache ausgewichen.
Und das sagte mehr als jede Antwort hätte sagen können.
Aeliana, die direkt neben ihnen stand, beobachtete den Austausch aufmerksam. Sie wusste natürlich, dass Luca etwas verbarg. Das war offensichtlich. Aber ihn jetzt zu beobachten – zu sehen, wie er mit einem Mann wie ihrem Vater umging –
Das war etwas ganz anderes.
Zum ersten Mal wurde ihr etwas klar.
Luca wich nicht nur der Wahrheit aus.
Er spielte ein Spiel.
Und Herzog Thaddeus wusste das.
In der Höhle war es still.
Keiner der beiden Männer bewegte sich.
Keiner schaute weg.
Bis schließlich –
Thaddeus langsam ausatmete.
„… Eryndor hat dich gefährlich genannt.“
Luca blinzelte. Dann kehrte sein Grinsen zurück, etwas schärfer als zuvor.
„Ah. Das ist ein interessantes Wort.“
Und dann zuckte er mit einer ärgerlichen Leichtigkeit mit den Schultern.
„Ich kann es ihm allerdings nicht verübeln.“
Sein Grinsen wurde breiter.
„Man sagt mir, dass ich diese Wirkung auf Menschen habe.“
Herzog Thaddeus spürte etwas Seltsames.
Keine Wut. Keine Beleidigung.
Aber etwas Ähnliches.
Etwas, das Anerkennung verlangte.
Denn dieser junge Mann – Luca – stand vor ihm und sprach mit einer solchen Leichtigkeit, einer solchen Kühnheit, dass es fast unnatürlich wirkte.
Keine Angst. Kein Zögern.
Nicht einmal das geringste Anzeichen von Ehrerbietung.
Es war keine Arroganz. Nein, Thaddeus hatte Arroganz schon gesehen – er hatte Männer vernichtet, die zu hoch von sich sprachen, die es wagten, vor ihm mit leerem Stolz zu prahlen.
Das war es nicht.
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Das war etwas anderes.
Eine Missachtung.
Als ob sein Titel, seine Macht, seine bloße Anwesenheit nicht den Respekt einflößten, den sie verdienten.
Und das –
Das war nicht normal.
Denn Thaddeus war nicht nur ein Herzog.
Er war der Herzog von Thaddeus Duchy.
Der Herrscher über die östlichen Meere.
Eine Säule des Arcanis-Imperiums.
Es gab niemanden im Reich, außer der königlichen Familie selbst, der ihm gleichgestellt war.
Selbst sie erwiesen ihm den gebührenden Respekt.
Selbst sie erkannten das Gewicht seines Namens an.
Doch dieser junge Mann, dieser Abenteurer, sprach zu ihm ohne Ehrfurcht und ohne Vorsicht.
Es war fast beleidigend.
Thaddeus atmete langsam und bedächtig aus. Seine goldenen Augen verdunkelten sich, seine Mana drückte leicht gegen die Höhlenwand. Nicht genug, um eine Bedrohung darzustellen – aber genug, um spürbar zu sein.
Als er endlich sprach, war seine Stimme ruhig.
Kalt.
Fest.
„Bist du ein Idiot?“
Luca blinzelte.
Die Luft in der Höhle wurde schwer.
Thaddeus‘ Präsenz, seine Autorität lasteten auf ihm – nicht wie eine erdrückende Welle, nicht als Machtdemonstration, sondern als Erinnerung.
Eine Erinnerung daran, wer er war.
Daran, was er war.
„Ich habe heute viel toleriert“, fuhr Thaddeus fort, sein Blick scharf, seine Stimme schnitt durch die Stille wie ein Messer. „Aber du …“ Er trat einen kleinen Schritt vor, senkte die Stimme. „… entweder mangelt es dir an Verständnis oder an Respekt.“
Luca rührte sich nicht.
Er zuckte nicht.
Er verneigte sich nicht.
Stattdessen …
grinste er.
Und dann sprach er.
„Ich hatte angenommen“, sagte Luca in einem leichten Tonfall, als würde Thaddeus‘ Präsenz ihn nicht berühren, „dass du nicht als Herzog hier bist, sondern als Vater, der seine Tochter sucht.“
Er neigte leicht den Kopf, sein Grinsen wurde etwas breiter, seine schwarzen Augen waren nicht zu deuten.
„Zumindest sah es in meinen Augen so aus.“
Die Luft wurde angespannt.
Aber Luca ließ sich nicht beirren.
„Aber …“, er hob eine Hand, als würde er eine Wahl anbieten, „wenn du möchtest, dass ich dich wie einen Herzog behandle, dann sag es einfach.“
Sein Grinsen wurde breiter, seine Augen verdunkelten sich vor Belustigung.
„Eure Majestät Thaddeus.“
Luca hielt den Blickkontakt aufrecht. Sein Grinsen blieb, seine Haltung unverändert, als ob Thaddeus‘ Anwesenheit, seine Autorität, nichts weiter als eine vorübergehende Brise wäre.
Und dann –
sprach er wieder.
„Natürlich“, sagte Luca geschmeidig, neigte den Kopf und seine Stimme hatte dieselbe ärgerliche Leichtigkeit.
„Ich könnte mich natürlich verbeugen, meine gebührende Ehrerbietung erweisen und darauf achten, dass meine Worte von angemessenem Anstand geprägt sind.“
Sein Grinsen wurde breiter, spöttisch, aber nicht feindselig.
„Aber sag mir, Herzog Thaddeus.“
Seine schwarzen Augen funkelten.
„Ist es angemessen, dass du dich so vor dem Retter deiner Tochter verhältst?“
Stille.
Wieder einmal.