Stille.
Das schwache Licht der Höhle spiegelte sich kaum auf der Oberfläche des Spiegels, aber selbst in der Dunkelheit konnte sie ihn sehen.
„…“
Ihre Finger zitterten, als sie den Rand des Spiegels berührten, und ihr Spiegelbild starrte sie an – fremd und doch unverkennbar ihr eigenes.
Ihre Haut.
Glatt. Klar.
Nicht kränklich, nicht blass – nicht das zerbrechliche, erschöpfte Gesicht, das sie ihr ganzes Leben lang gesehen hatte.
Lucavions Stimme summte leise neben ihr.
„Ah, warte … du kannst nicht richtig sehen.“
Bevor sie ihn fragen konnte, bewegte sich seine Hand – seine Finger flogen mit müheloser Anmut.
Und dann –
Licht.
Ein sanftes, zartes Leuchten strömte aus seiner Handfläche und hüllte sie in ein stilles, gleichmäßiges Sternenlicht.
Die Höhle wurde heller.
Der Spiegel in ihren Händen glänzte.
Und in diesem Moment sah sie alles.
Ihre Haut.
Glatt, strahlend, als wäre sie aus unberührtem Licht geformt worden.
Ihre Wangen, nicht mehr eingefallen von Krankheit.
Ihre Augen – klar, strahlend, goldbernsteinfarben, wie geschmolzenes Feuer statt stumpfer Erschöpfung.
Ihre Lippen, ihre Nase, die scharfen Linien ihres Kinns –
alles.
Ganz.
Gesund.
Als hätte sie nie gelitten.
„Ah …“
Die Welt verschwamm.
Ihre Sicht verschwamm, ihr Atem stockte in ihrer Brust.
Sie spürte es, bevor sie es realisierte.
Eine einzelne Träne – warm, lautlos – rollte über ihre Wange.
„Was … was …“
Ihre Finger krallten sich fest um den Spiegel, als würde er verschwinden, wenn sie ihn nicht festhielte.
Neben ihr erklang Lucavions Stimme, sanft und ruhig.
„Siehst du?“
Ihre Kehle schnürte sich zusammen.
Ihr Körper zitterte – nicht vor Angst, nicht vor Übelkeit, sondern vor etwas viel Schwererem.
„Bin ich …“
Ihre Stimme brach.
„Bin ich wirklich geheilt?“
Lucavions goldener Blick traf ihren.
Er nickte langsam und bedächtig.
„Ja. Das bist du.“
Aelianas Finger krallten sich fester.
„Wirklich …?“ Ihre Stimme zitterte, atemlos. „Das ist kein Traum, oder?“
Lucavion neigte leicht den Kopf – und grinste dann.
Spöttisch. Neckisch.
„Spürst du es nicht?“
Aeliana taumelte.
Ihre Knie fühlten sich schwach an, ihr Körper leicht, ihre Gedanken zerfaserten.
„Wirklich?“
Die Worte kamen ihr über die Lippen, geflüstert, rau, verzweifelt –
als würde es sie wahr machen, wenn sie sie laut aussprach.
Und dann –
Erinnerungen.
Sie stürzten auf sie ein wie eine Lawine.
Die unzähligen Behandlungen. Die endlosen, erstickenden Erwartungen.
Die Stimmen der Ärzte, Heiler, Alchemisten –
„Diese Medizin sollte helfen.“
„Mit der Zeit könnte es ihr besser gehen.“
„Es gibt eine neue Behandlung aus der Hauptstadt –“
„Wir können keine Ergebnisse garantieren.“
„Wir haben alles getan, was wir konnten.“
Und das Schlimmste von allem –
„Es tut mir leid. Wir können nichts mehr tun.“
Sie hatte schon lange aufgehört zu hoffen.
Sie hatte schon lange aufgehört zu glauben.
Und doch –
Und doch –
Es war Lucavion gewesen, der diese Hoffnung wieder entfacht hatte.
Nur um sie zu zerstören.
Um sie zweifeln zu lassen.
Um ihr wehzutun.
Ihre Finger krallten sich um den Spiegel.
Ihre Lippen zitterten.
Und zum ersten Mal –
wusste sie nicht, ob sie ihn anschreien sollte –
oder weinen.
Sie konnte es nicht glauben.
Sie weigerte sich, es zu glauben.
Das musste ein Trick sein. Eine Lüge. Eine weitere grausame, ausgeklügelte Täuschung.
Lucavion war ein Meister darin, Worte zu verdrehen, mit Menschen zu spielen, ihr Gefühle einzureden, die sie nicht fühlen wollte.
Wie konnte sie ihm jetzt noch vertrauen?
Sie umklammerte den Spiegel fester, ihr Herz schlug gegen ihre Rippen.
„Er lügt.“
„Er muss lügen.“
Er hatte ihr schon mal Hoffnung gemacht – nur um sie ihr dann wieder zu nehmen.
Was, wenn das nur ein weiteres Spiel war?
Was, wenn er sie wieder ausnutzte, ihr falsche Hoffnungen machte, nur um sie später zu zerstören?
Aeliana atmete zittrig.
„Ich …“ Ihre Stimme zitterte, war voller Emotionen, voller Verletzlichkeit.
„Ich … glaube dir nicht.“
Lucavion schien nicht beleidigt zu sein.
Er sah nicht überrascht aus.
Er versuchte nicht einmal, zu argumentieren.
Stattdessen –
lächelte er.
Ein kleines, wissendes Lächeln. Eines, das etwas tief in ihrer Brust zusammenziehen ließ.
Und dann – sprach er.
„Kannst du es wirklich nicht spüren?“
Aeliana blinzelte.
Lucavion neigte leicht den Kopf, seine schwarzen Augen funkelten, während er mit sanfter, geduldiger Stimme fortfuhr, als würde er darauf warten, dass sie es von selbst verstand.
„Wie leicht du dich bewegen kannst?“
Ihr Atem stockte.
„Normalerweise, bevor …“ Seine Stimme war leise und ruhig. „Wann immer du dich bewegen musstest, warst du langsam und müde. Und ich …“
Seine Lippen verzogen sich leicht zu einem Lächeln.
„Ich musste dich tragen. Die meiste Zeit.“
Aelianas Finger zuckten.
„Aber jetzt ist es anders, oder?“
Lucavions Blick ruhte auf ihr.
„Spürst du nicht die Lebenskraft?“
„So wie jetzt, wo du endlich die Kraft in deinem Körper spürst?“
Seine Worte drangen tief in sie ein.
„Du kannst endlich frei atmen. Ohne zu husten. Ohne das Gefühl, dass deine Lungen brennen. Ohne um Luft zu ringen.“
Aeliana erstarrte.
„So wie du nicht mehr das Bedürfnis hast, dich zu kratzen?“
Ihre Augen weiteten sich.
„Hast du das nicht bemerkt?“
Und plötzlich –
fiel ihr alles auf einmal ein.
Dieses seltsame Gefühl, mit dem sie aufgewacht war. Die Leichtigkeit in ihren Gliedern. Die Abwesenheit von Schmerzen.
Die Art, wie sie so leicht aufgestanden war.
Die Art, wie sie ihn angeschrien hatte, ohne nach Luft zu schnappen.
Die Art, wie ihr Körper nicht zitterte, schmerzte und sie anschrie, aufzuhören.
Ihre Hände zitterten nicht.
Ihre Brust war nicht angespannt.
Sie fühlte sich ganz.
Und die Erkenntnis –
presste ihr die Luft aus den Lungen.
Ihr Atem zitterte.
Ihre Finger krallten sich in den Spiegel und umklammerten ihn so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden.
Sie konnte es spüren.
Sie konnte es spüren.
Die Kraft in ihrem Körper, die Energie, die durch ihre Glieder floss, das völlige Fehlen der Schwäche, des Schmerzes, der Erschöpfung, die so lange ihre Realität gewesen waren.
Und doch –
Sie konnte nicht aufhören zu zittern.
Sie konnte ihr Gesicht nicht kontrollieren, konnte ihre Lippen nicht davon abhalten zu zittern, konnte nicht verhindern, dass ihre Sicht verschwamm –
Tränen.
Sie stiegen ihr zu schnell, zu plötzlich in die Augen.
Sie biss sich auf die Lippe und versuchte verzweifelt, sich zusammenzureißen, nicht zusammenzubrechen, nicht –
„Du musst das nicht zurückhalten, weißt du.“
Lucavions Stimme war leise.
Sanft. Unerschütterlich.
„Wir sind hier ganz allein.“
Aeliana erstarrte.
Ihre Sicht verschwamm. Ihre Finger krallten sich fester zusammen.
Lucavion beobachtete sie mit seinen schwarzen Augen, ruhig, gelassen, wissend.
Und dann – lächelte er.
„Aber wenn du mich nicht willst“, fügte er leicht, neckisch, aber nicht grausam hinzu, „kann ich mich umdrehen und meine Ohren verschließen.“
Das –
Das war es, was sie zerbrach.
Ein erstickter Laut entrang sich ihrer Kehle, und bevor sie sich zurückhalten konnte –
gaben ihre Beine nach.
Sie sank auf die Knie.
Und die Tränen kamen.
Unaufhaltsam. Unerbittlich.
Es waren keine lauten, dramatischen Tränen – sie flossen einfach.
Über ihre Wangen. Auf ihre Hände. Auf den Spiegel.
Sie konnte sie nicht aufhalten.
Sie wusste nicht, wie.
Lucavion neigte leicht den Kopf, seine Stimme war leise, sanft – aber immer noch mit diesem ärgerlichen Unterton von Belustigung.
Dann, leise – zu leise –
„Siehst du?“
Seine Stimme drang durch den Nebel ihrer zitternden Atemzüge zu ihr.
„Habe ich mein Versprechen nicht gehalten?“
Aeliana presste die Augen zusammen, ihre Finger krallten sich in den Spiegel, ihr Atem zitterte, als ein weiterer Schluchzer ihr entfuhr.
Lucavions Stimme wurde leiser, sanft, ruhig – selbstsicher.
„Bist du nicht geheilt?“
Ein gebrochener, atemloser Laut kam über ihre Lippen.
Und dann –
schluchzte sie.