Das Licht fiel schwach durch die zerklüfteten Felsen über der Höhle, als Aeliana vorsichtig hinter Luca trat. Sie war noch müde, aber seine hastigen Bewegungen hielten sie wachsam.
Der schuppige Kadaver von der letzten Nacht lag dort, seine verkohlten Ränder eine deutliche Erinnerung daran, was die Kreaturen hierher gelockt hatte. Aelianas Gedanken kreisten, während sie den Umhang zurechtzog, den Luca ihr zuvor zugeworfen hatte und dessen rauer Stoff unbequem über ihren schlanken Schultern lag.
„Lassen wir das einfach so liegen?“, fragte Aeliana erneut und kniff ihre bernsteinfarbenen Augen leicht zusammen, als sie sich dem Ausgang der Höhle näherten.
Luca warf einen Blick über seine Schulter, ein leichtes Grinsen auf den Lippen. „Ja.“
„Bewahren Abenteurer die Felle von Monstern nicht normalerweise auf?“, hakte sie skeptisch nach. „Sind die nicht wertvoll oder so?“
„Doch, das tun wir“, antwortete Luca mit einer gespielten Ernsthaftigkeit, die sie sofort nervös machte.
„Dann warum …“
„Was lässt dich glauben, dass ich die Kadaver nicht schon aufbewahrt habe?“, unterbrach er sie und drehte sich gerade so weit, dass sie das schelmische Funkeln in seinen dunklen Augen sehen konnte.
Aeliana blinzelte und blieb einen Schritt stehen. „Moment mal … hast du das?“
„Ja“, sagte er lässig und rückte den Riemen seines Rucksacks zurecht. „Nur weil ich einen mitgebracht habe, heißt das nicht, dass ich nur einen gejagt habe.“
Sie starrte ihn an, eine Mischung aus Ungläubigkeit und leichter Verärgerung in ihrem Gesicht. „Warum hast du das nicht früher gesagt?“
„Wo bleibt denn da der Spaß?“, neckte Luca und grinste breit. „Außerdem sahst du so süß besorgt aus. Ich dachte, ich lass dich ein bisschen schmoren.“
Aeliana stöhnte, fuhr sich mit der Hand über die Schläfe und murmelte leise: „Seufz …“
„Komm schon, die Zeit vergeht.“
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Die Luft außerhalb der Höhle war scharf und kalt und trug eine unheimliche Stille mit sich, die Aeliana innehalten ließ, sobald sie ins Freie traten. Das Gelände war anders als alles, was sie je gesehen hatte – eine zerklüftete Fläche aus geschwärztem Stein und verdrehten Formationen, als wäre das Land selbst von einer uralten Katastrophe gezeichnet worden. Spärliche Vegetationsflecken klammerten sich hartnäckig an ihr Leben, ihre gedämpften Farben trugen zur trostlosen Atmosphäre bei.
Aber es war nicht nur der Boden, der sie beunruhigte.
Aeliana schaute zum Himmel und ihr Atem stockte. Das vertraute Blau war verschwunden und hatte einer Fläche aus dunklen Graugrüntönen Platz gemacht, die leicht wirbelten, als wären sie lebendig. Über die Fläche waren unzählige Sterne verstreut, scharf und hell, doch ihr Licht wirkte seltsam – zu grell, zu absichtlich. Es war, als würden die Sterne nicht einfach nur leuchten, sondern beobachten, als würden unzählige unsichtbare Blicke von oben auf sie gerichtet sein.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich zu Luca umdrehte, der bereits vorwärts schritt, scheinbar unbeeindruckt von der bedrückenden Atmosphäre. „Dieser Ort …“, murmelte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Hier stimmt etwas nicht.“
„Hast du das auch gemerkt?“, fragte er und blickte mit hochgezogener Augenbraue zurück. „Ich habe etwa drei Sekunden gebraucht, um es zum ersten Mal zu spüren.“
Aeliana runzelte die Stirn und schlang ihre Arme enger um sich. „Wo gehen wir überhaupt hin?“, fragte sie und versuchte, ihre Unruhe zu verbergen.
Luca blieb stehen und drehte sich zu ihr um, sein Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. „Ich weiß es nicht“, sagte er einfach und zuckte mit einer Schulter. „Denk daran, ich bin auch zum ersten Mal hier.“
Ihre Lippen öffneten sich leicht, aber es kamen keine Worte heraus. Einen Moment lang starrte sie ihn nur an und verarbeitete sein Eingeständnis. „… Das ist nicht gerade beruhigend“, sagte sie schließlich mit tonloser Stimme.
„Es ist die Wahrheit“, antwortete Luca und grinste wieder. „Aber hey, wenigstens haben wir uns gemeinsam verlaufen. Das ist doch schon mal etwas, oder?“
Aeliana atmete scharf aus, teils aus Frustration, teils aus einem Gefühl, das sie nicht genau benennen konnte. Sie blickte zurück auf das zerklüftete Gelände, den unheimlichen Himmel und das bedrückende Gewicht unsichtbarer Augen. Jeder Instinkt schrie sie an, sich zurückzuziehen, Schutz zu suchen und sich versteckt zu halten. Aber an diesem Ort gab es keine Sicherheit.
„Na gut“, sagte sie und passte ihre Schritte an seine, obwohl sie zögerte. „Aber wenn wir uns verlaufen, pass besser auf, dass ich nicht sterbe.“
Luca lachte leise und legte seine Hand leicht auf den Griff seines Schwertes. „Keine Sorge, kleine Glut. Ich bin ziemlich gut darin, am Leben zu bleiben.“
Ein winziges Lächeln huschte über Aelianas Lippen, obwohl sie es nicht wollte. „Das hoffe ich für dich.“
Der seltsame Himmel ragte bedrückend und fremd über ihnen auf, während Luca und Aeliana vorsichtig durch das unwegsame Gelände stapften. Das einzige Geräusch war das leise Knirschen ihrer Schritte auf dem zerklüfteten Boden und das gelegentliche Flüstern des Windes, der eine unangenehme Kälte mit sich brachte.
Aeliana hielt den Blick gesenkt, das Sternenlicht lastete schwer auf ihr. Ihre Gedanken schweiften zurück zu Lucas lässiger Zuversicht, ihre Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. „Spürt er es nicht auch? Dieser Ort … es ist, als würden wir beobachtet.“
In diesem Moment durchbrach ein Geräusch die Stille – ein leises Rascheln, scharf und schnell, als würden Krallen über Stein kratzen.
Aeliana erstarrte und ihre bernsteinfarbenen Augen schossen zur Geräuschquelle. Die Schatten bewegten sich, wurden an einer Stelle unnatürlich tief und dann –
„Hieek!“
Eine groteske Kreatur sprang aus der Dunkelheit hervor, ihre langen Gliedmaßen und gezackten Reißzähne reflektierten das unheimliche Sternenlicht. Ihr Körper war verdreht, ihr blasses, fleckiges Fleisch spannte sich über einen beunruhigend dünnen Körperbau, und ihre Augen leuchteten böse.
Aeliana schnappte nach Luft und stolperte zurück, als ihr Körper instinktiv zurückschreckte. „Was – was ist das?“
Noch bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, stand Luca bereits vor ihr. Seine Klinge glänzte, als er sie präzise schwang, und ein schwärzliches Licht strahlte von ihrer Schneide, als sie die Kreatur sauber durchschnitten.
Die Bestie stieß einen gurgelnden Schrei aus, ihr Körper zerfetzte in der Luft und fiel leblos zu Boden. Dunkler, übelriechender Eiter sickerte aus ihren Wunden und zischte leise auf dem Stein.
Aeliana starrte mit angehaltenem Atem zwischen der gefallenen Kreatur und Luca hin und her, der ruhig dastand und seine Klinge nach unten gerichtet hielt. Das schwärzliche Licht seines Schwertes verblasste, aber etwas davon blieb in der Luft zurück – eine unnatürliche Energie, die ihre Sinne sanft zu vibrieren schien.
Ihr Blick huschte nach oben, unerklärlich vom Himmel angezogen. Die seltsamen Sterne, scharf und zu zahlreich, schienen schwach zu pulsieren, ihr Licht drückte auf ihren Geist wie ein fernes Flüstern, das sie nicht ganz hören konnte.
„Was … war das?“, dachte sie und spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog. Das Licht von Lucas Klinge, die Art, wie sich die Sterne zu bewegen schienen, als würden sie darauf reagieren – das fühlte sich nicht wie ein Zufall an.
Doch bevor sie über dieses beunruhigende Gefühl nachdenken konnte, ertönte hinter ihr ein kehliges Knurren.
„Luca!“, schrie sie mit scharfer Stimme.
Er drehte sich gerade noch rechtzeitig um, als eine weitere Kreatur – diese größer und noch grotesker als die erste – sich auf ihn stürzte. Ihr Maul öffnete sich weit und enthüllte Reihen gezackter, tropfender Zähne, die auf seinen Kopf zielten.
Lucas Bewegungen waren flüssig, fast mühelos. Er wich dem Angriff aus und schwang sein Schwert in einem weiten Bogen, der mit einem widerlichen Knacken den Hals der Kreatur durchschlug.
Der Kopf der Bestie rollte zu Boden, ihr Körper brach Sekunden später zusammen. Luca schüttelte das Schwert, um die letzten Blutreste abzuschütteln, und wandte sich dann an Aeliana.
„Alles okay?“, fragte er mit ruhiger Stimme, in der jedoch ein Hauch von Besorgnis mitschwang.
Aeliana nickte zitternd, während ihr Blick auf den Überresten der Kreatur ruhte. „Was sind das für Dinger?“, flüsterte sie mit zitternder Stimme.
„Ärger“, antwortete Luca knapp, mit einem leichten Grinsen. Er sah sich um und suchte mit seinen dunklen Augen die Schatten nach weiteren Anzeichen von Bewegung ab. „Und wahrscheinlich ist das erst der Anfang.“
Aeliana atmete schwer, während sie versuchte, sich zu beruhigen. Ihre Gedanken kreisten immer noch. Das schwärzliche Licht von Lucas Klinge, das seltsame Pulsieren der Sterne, die bedrückende Schwere der Luft – irgendwie schien alles miteinander verbunden zu sein.
Aber sie verdrängte dieses Gefühl, denn sie wusste, dass jetzt nur das Überleben zählte. Lies die Geschichten weiter auf My Virtual Library Empire
„Bleib dicht bei mir“, sagte Luca mit ernsterer Stimme und bedeutete ihr, ihm zu folgen. „Wir können nicht hierbleiben.“
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Die zerklüftete Landschaft verschwamm um Aeliana, während sich die Welt in chaotischer Bewegung verschob. Sie klammerte sich fest an Lucas Hals und atmete stoßweise, während er sie mit einer Geschwindigkeit und Präzision trug, die dem unebenen Gelände unter ihnen trotzte. Das Heulen und Knurren der sie verfolgenden Monster hallte unerbittlich hinter ihnen wider und erinnerte sie ständig an die Gefahr, die ihnen auf den Fersen war.
„Halt dich fest“, flüsterte Luca mit leiser, aber fester Stimme, trotz der Anstrengung, die ihm seine Bewegungen abverlangten.
Aelianas Herz pochte in ihrer Brust, und ihre Gedanken kehrten zu den Momenten zurück, die sie zu dieser verzweifelten Flucht getrieben hatten.
„Wie konnte es nur so weit kommen …?“
Das war eine Frage, die beantwortet werden musste.