Der Sog des Strudels war unerbittlich, eine dunkle Naturgewalt, die sich jeder Logik und Vernunft entzog. Elaras mit Eis bedeckte Plattform brach unter ihren Füßen zusammen und ließ sie am Rand eines Abgrunds schwanken, der vor Bosheit zu pulsieren schien. Sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und krallte ihre Hände um ihren Stab, als wäre er das Einzige, was sie noch mit der Realität verband.
Ihr Körper zitterte, ihr Innerstes schrie vor Überanstrengung. Die Magie, die noch vor wenigen Augenblicken so frei geflossen war, fühlte sich jetzt träge und unempfänglich an. Sie versuchte, ihre Kräfte zu sammeln, um dem Sog zu widerstehen, aber ihre Glieder fühlten sich wie Blei an, und ihr Atem wurde flach und angestrengt.
Ihr Blick schoss nach oben, zu Luca, der in der Luft schwebte und mit seiner Klinge nach unten schlug, um ein weiteres zappelndes Tentakel abzutrennen. Sein dunkler Umhang wehte hinter ihm, und sein Gesichtsausdruck, sonst so gelassen und selbstgefällig, war jetzt konzentriert und wild. Elara öffnete den Mund, um ihn zu rufen, um ihn zu warnen, aber kein Ton kam über ihre Lippen.
Sie konnte nicht atmen.
Der Sog des Wirbels wurde stärker, das drückende Gewicht seiner Energie presste ihre Brust zusammen. Sie spürte, wie sie abrutschte, wie ihre Füße den Halt auf dem splitternden Eis verloren. Panik stieg in ihr auf, aber auch Reue – ein bitteres, quälendes Gefühl, das ihr Herz durchbohrte.
„Nein … nicht so“, dachte sie, während ihre Sicht verschwamm. „Ich habe noch … ich habe noch so viel zu tun. So viel zu beweisen …“
Aber selbst während ihre Gedanken rasten, drückte die Wahrheit auf sie wie die erdrückende Flut des Strudels selbst: Sie war zu schwach. Ihre Entschlossenheit hatte nicht gereicht. Sie hatte nicht gereicht.
Als sie spürte, wie sie in den brodelnden Abgrund gezogen wurde, durchdrang eine entfernte Stimme das Dröhnen des Strudels. „Elara!“
Im selben Moment spürte sie, wie etwas sie wegstieß. Eine Kraft, genau in dem Moment, als die Stimme erklang.
Ihr Kopf schnellte in Richtung der Stimme, ihr Herz machte einen Sprung, als sie sie erkannte. Cedric. Seine Stimme hallte von der Plattform herüber, seine Gestalt war in dem Chaos kaum zu erkennen. Er schrie etwas – vielleicht wieder ihren Namen –, aber die Worte gingen im Lärm unter.
Aber wenn Cedric dort war, zu weit weg, um sie zu erreichen, dann …
„Wer …?“
Ein plötzlicher, heftiger Stoß schleuderte sie nach vorne, weg vom Rand des Strudels. Ihr Körper taumelte und sie schlug hart auf dem Boden auf, nach Luft schnappend, als Luft in ihre Lungen strömte. Instinktiv drehte sie den Kopf, der Atem stockte ihr in der Kehle.
Es war Luca.
Seine Hand war ausgestreckt, das schwache Leuchten seiner Klinge flackerte an seiner Seite.
Sein Bein war bereits im Strudel gefangen, die dunkle, wirbelnde Energie umschlang ihn wie ein Raubtier, das sich seiner Beute nähert.
„Luca!“, schrie sie mit vor Panik heiserer Stimme.
Er drehte den Kopf leicht zur Seite, sein Grinsen war kaum noch zu sehen, aber immer noch da, als weigere er sich auch jetzt noch, Angst zu zeigen. „Gern geschehen“, sagte er mit ruhiger Stimme, trotz des Chaos um ihn herum.
„Nein!“, schrie Elara, rappelte sich auf und streckte zitternd die Arme nach ihm aus. „Nicht – lass dich nicht von ihm holen!“
Er antwortete nicht. Stattdessen hielt er ihren Blick fest, seine dunklen Augen unbeweglich, als wolle er ihr still sagen, sie solle zurückbleiben. Seine Hand krallte sich an den Rand des zerbrochenen Eises, aber der Sog des Strudels war unerbittlich und zog ihn weiter hinein.
Elaras Gedanken rasten, ihr Herz pochte in ihrer Brust. Sie konnte das nicht zulassen. Nicht ihm. Nicht so. Aber was konnte sie tun? Ihr Innerstes war instabil, ihre Magie erschöpft. Und doch konnte sie nicht einfach da stehen und zusehen.
„Halt dich fest!“, schrie sie, ihre Stimme brach, als sie sich nach vorne warf, ihre Hände leuchteten schwach von Frostmagie.
Doch bevor sie ihn erreichen konnte, knarrte das Eis unter ihren Füßen und barst bedrohlich. Lucas Grinsen wurde noch ein wenig breiter, und in seinen Augen blitzte etwas fast Resigniertes auf.
„Sei nicht dumm, Magierin“, sagte er in einem Tonfall, der leichter war, als er hätte sein sollen. „Du bist noch nicht bereit, die Heldin zu spielen.“
Mit diesen Worten schoss der Strudel empor und zog ihn mit seinen dunklen Tentakeln unter sich. Seine Gestalt verschwand augenblicklich, verschluckt von dem brodelnden Abgrund, und zurück blieben nur das zerbrochene Eis und Elaras verzweifelter Schrei, der widerhallte.
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„Luca!“
Elara sank auf die Knie, das scharfe Eis unter ihr schnitt ihr in die Haut, aber sie spürte es nicht. Ihr Stab fiel neben ihr zu Boden, vergessen, als ihre zitternden Hände sich gegen die rissige Oberfläche pressten. Die Welt schien sich zu neigen, das Chaos des Schlachtfeldes um sie herum verstummte zu einem fernen Summen.
„Luca …“, flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar, als würde das Aussprechen seines Namens ihn zurückbringen.
„ELARA!“, Cedrics Stimme drang scharf und panisch durch den Nebel. Sie spürte seine Hände auf ihren Schultern, die sie schüttelten, um sie wieder zu sich zu bringen. Aber es half nichts.
– KLINGELN!
Ein scharfer, durchdringender Ton hallte in ihrem Kopf wider und übertönte alles andere. Das Schlachtfeld verschwand aus ihrer Wahrnehmung, die Kampfgeräusche wurden von diesem unerbittlichen Klingeln ersetzt. Ihre Sicht verschwamm, die Ränder ihrer Welt zerbrachen und verzerrten sich, als würde sie durch zerbrochenes Glas schauen.
Sie konnte es nicht aus ihrem Kopf bekommen – den Strudel, der ihn verschluckte, das schwache Grinsen auf Lucas Gesicht, als er verschwand, seine letzten Worte, die in ihrem Kopf widerhallten.
„Du bist noch nicht bereit, die Heldin zu spielen.“
Immer wieder spielte sich die Szene in ihrem Kopf ab wie eine kaputte Schallplatte. Sein Lächeln – ruhig, resigniert, als hätte er bereits akzeptiert, was kommen würde. Der Ausdruck in seinen Augen, flüchtig, aber voller etwas, das sie bis jetzt nicht ganz verstanden hatte: Fürsorge. Eine stille, unausgesprochene Fürsorge, versteckt hinter seiner neckischen Fassade.
Ihre Brust zog sich zusammen, die Luft um sie herum wurde stickig. Und dann, ganz plötzlich, änderte sich die Szene.
Das Eis wich kaltem, unnachgiebigem Marmor. Das wirbelnde Chaos des Schlachtfeldes wurde durch die erstickende Stille der Kammer des Herzogs ersetzt.
„Nein …“, flüsterte Elara mit stockender Atmung.
Sie stand in der Mitte des riesigen Raumes, ihre Knie gaben unter dem Gewicht unzähliger Augen, die auf sie herabblickten, nach. Kalte, gefühllose Augen. Unter ihnen gehörte der schärfste Blick ihrem Vater, dessen Gesichtsausdruck eine Maske strenger Gleichgültigkeit war.
„Richtig …“, dachte sie bitter, ihr Herz schmerzte, als die Erinnerungen hochkamen. „Das ist … der Tag.“
Ihre Verbannung.
Die Erinnerung traf sie wie eine Flutwelle. Sie erinnerte sich an die harten Worte, die Vorwürfe, das Urteil. Sie erinnerte sich, wie sie dort stand und um Verständnis gebeten hatte, um einen Funken Wärme von dem Mann, der sie einst in seinen Armen gehalten hatte. Aber es gab nichts. Nur den kalten, distanzierten Blick eines Herzogs, der jemanden anspricht, der für ihn keinen Wert mehr hat.
„Auf meinen Befehl“, hallte die Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf, so klar und scharf wie an diesem schicksalhaften Tag, „wirst du aus dieser Familie verbannt, Elara. Du wirst dieses Anwesen verlassen und niemals zurückkehren. Von diesem Moment an bist du keine Valoria mehr.“
Damals waren ihre Beine unter ihr weggesackt, genau wie jetzt. Sie hatte gespürt, wie die Welt um sie herum verschwand, wie die Gesichter der Adligen und Ritter im Saal immer weiter weg rückten, verschwommen von den Tränen, die sie nicht fließen lassen wollte. Niemand hatte sich für sie eingesetzt. Niemand hatte etwas unternommen, um das zu verhindern.
Und als sie ihr einer nach dem anderen den Rücken zukehrten, war das letzte Bild, das sie sah, ihr Vater, der sie mit kalten, emotionslosen Augen gehen sah.
„Warum …?“, flüsterte sie mit zitternder Stimme, als die Erinnerung mit der Gegenwart verschmolz. Ihre Hände krallten sich in das zerbrochene Eis unter ihr, ihre Knöchel wurden weiß. Sie konnte nicht sagen, wo die Vergangenheit endete und die Gegenwart begann. „Warum fühlt es sich … genauso an?“
„Elara!“, riss Cedrics Stimme sie zurück, schwach und fern, wie ein Seil, das sie aus den Tiefen des Abgrunds zog. Seine Hände schüttelten ihre Schultern, sein Gesicht war blass vor Sorge. „Reiß dich zusammen! Elara, wir müssen weiter!“
Aber die Erinnerung blieb, die Echos der Vergangenheit drangen in die Gegenwart ein. Sie konnte immer noch das Gewicht dieser kalten Blicke spüren, die erdrückende Endgültigkeit, beiseite geschoben zu werden.
Und doch, in den Nachwehen des Wirbels, blieb Lucas Gesicht in ihrem Kopf – sein Lächeln, sein Grinsen, sein Blick. Anders als der ihres Vaters war er nicht kalt. Er war nicht gleichgültig.
Er war warm. Selbst in diesem letzten Moment.
Und das brach etwas in ihr.
Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie weigerte sich, sie zu lassen. Nicht hier. Nicht jetzt. Sie holte zitternd Luft und ballte ihre Finger zu Fäusten auf dem Boden.
„Ich …“, flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar, als sie sich zu erheben begann, ihre Beine zitterten unter ihrem Gewicht. „Ich werde das nicht noch einmal zulassen.“
„Elara, wovon redest du?“, fragte Cedric mit vor Frustration und Sorge belegter Stimme.
Sie wandte ihren Blick dem Wirbel zu, der nun ruhig und still war, als würde er sie verspotten. Ihre Entschlossenheit wuchs, ihre zitternden Hände wurden ruhiger, als sie ihren Stab umklammerte.
Das war noch nicht vorbei. Noch nicht.