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Kapitel 338: Nimm es

Kapitel 338: Nimm es

Das leise Knistern der Laterne und das schwere, unregelmäßige Atmen der verwundeten Söldner waren die einzigen Geräusche im Raum. Die Luft war stickig, voller Erschöpfung und dem metallischen Geruch von Blut. Zirkel saß an die Wand gelehnt, seine Axt neben sich, die Klinge stumpf von getrocknetem Blut.
Um ihn herum versorgten die überlebenden Mad Dogs still ihre Wunden – sie wickelten blutige Tücher um Schnittwunden, bissen die Zähne zusammen und tauschten kurze Blicke des gegenseitigen Verständnisses aus.
Es wurde kein Wort gesprochen. Es gab nichts zu sagen.

Dann –

KNARREN.

Die Tür öffnete sich quietschend, ihre Scharniere kreischten so laut, dass sie die erstickende Stille durchdrangen. Alle Köpfe im Raum drehten sich zu ihr um, die Hände griffen instinktiv nach den Waffen in ihrer Nähe. Das flackernde Licht der Laterne warf Schatten über den Eingang, und für einen atemlosen Moment bewegte sich niemand.

Eine Gestalt trat ein.
Er bewegte sich mit bedächtiger Ruhe, seine Stiefel hallten leise auf dem knarrenden Holzboden wider. Das schwache Licht der Laterne enthüllte ihn langsam – zuerst den dunklen Umhang, der leicht hinter ihm flatterte, unberührt von der abgestandenen Luft des Raumes. Dann den schlanken, polierten Degen, der träge an seiner Hüfte ruhte, dessen Klinge noch immer schwach in einem überirdischen Glanz schimmerte.
Und schließlich sein Gesicht – Lucavions Gesicht. Seine dunklen Augen, kalt und undurchschaubar, wanderten mit distanzierter Präzision durch den Raum und verweilten nicht länger als eine Sekunde auf jedem Mann. Er sah aus, als wäre er aus einem Gemälde getreten, unberührt von dem Chaos, das sie durchlebt hatten, seine scharfen Gesichtszüge unversehrt von Erschöpfung oder Verletzungen.

Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Einen Moment lang wagte niemand zu sprechen. Zirkels ungleiche Augen verengten sich, als er sich aufrichtete, und das Kratzen seiner Axt auf dem Boden durchbrach die Stille. Die Spannung im Raum war erdrückend, eine stille Herausforderung, die unausgesprochen war, aber von allen Anwesenden verstanden wurde.

Lucavion sprach schließlich mit ruhiger, sanfter Stimme, die die Spannung wie ein Messer durchschnitten.

„Sieht so aus, als wäre ich pünktlich.“
Zirkels Lippen verzogen sich zu einer Grimasse, seine Stimme war leise und rau, als er ihren Auftraggeber ansah. „Du hast verdammt viel Nerven, jetzt aufzutauchen.“

Lucavions Grinsen war kaum zu sehen, aber es hatte einen scharfen Unterton. „Ich dachte mir schon, dass du mich vermissen würdest.“
Einer der Söldner fluchte leise und umklammerte einen blutigen Dolch fester. Ein anderer lachte bitter, ein hohler, schriller Lärm.
„Was willst du?“, knurrte Zirkel und starrte Lucavion mit seinen ungleichen Augen an. „Bist du hier, um uns zu sagen, dass wir einen tollen Job gemacht haben? Die Hälfte meiner Männer ist tot, und wir können von Glück sagen, dass wir noch atmen.“

Lucavions Miene blieb unbewegt. Er trat weiter in den Raum hinein, sein Umhang schlug hinter ihm her, während er sich mit derselben unerschütterlichen Selbstsicherheit bewegte, die sie alle von Anfang an nervös gemacht hatte.
„Ihr habt überlebt“, antwortete er einfach und sah Zirkel an. „Das ist alles, was zählt.“

Zirkels finsterer Blick vertiefte sich angesichts Lucavions ärgerlicher Ruhe. Seine ungleichen Augen fixierten ihren Arbeitgeber und suchten nach etwas – einer Erklärung, einer Antwort – irgendetwas, das den Wahnsinn der letzten Stunden rechtfertigen könnte.
„Ist das alles?“, knurrte Zirkel mit leiser, misstrauischer Stimme. „Ist es vorbei?“

Lucavion zögerte, seine dunklen Augen trafen Zirkels mit unlesbarem Ausdruck. Dann nickte er leicht und griff in seinen Umhang. „Es ist vorbei“, sagte er schlicht.

Die Bewegung war schnell, aber bedächtig. Lucavion zog ein kleines, glänzendes Ding heraus und warf es ohne Umstände in Zirkels Richtung. Instinktiv streckte Zirkel die Hand aus und fing es in der Luft, seine schwieligen Finger schlossen sich um das kühle Metall. Er öffnete seine Handfläche und erstarrte.

Ein Ring. Schlicht, aber unverkennbar, glänzte seine glatte Oberfläche schwach im trüben Licht der Laterne.
Zirkels Augen weiteten sich, als er ihn erkannte.

Ein Raumring.

„Das!“ Der Gedanke traf ihn wie ein Blitz. Zirkel hatte solche Ringe bisher nur wenige Male gesehen, meist in den Händen hochrangiger Kaufleute oder Adliger. Raumringe waren selten – Artefakte, die einen so hohen Preis erzielten, dass selbst erfahrene Söldner innehalten und staunen mussten.
Zirkels Griff um den Ring wurde fester, als ein Funken Gier in seinen Augen aufblitzte. Die anderen Söldner beugten sich näher heran, ihre müden Augen von dem Gegenstand angezogen wie Motten vom Licht.

Lucavions Stimme durchbrach die Stille, ruhig und direkt. „Nimm das.“

Zirkel riss seinen Blick vom Ring los und sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Was ist darin?“
Lucavions leichtes Grinsen kehrte zurück, doch es war nicht spöttisch, sondern entschlossen. „Fünfzig Goldstücke“, sagte er mit fester Stimme. „Eure Bezahlung. Wenn jeder von euch fünf Jünger erledigt hat, geht die Rechnung auf.“
Es wurde wieder still im Raum. Zirkels Blick huschte zurück zum Ring, seine Gedanken rasten. Fünfzig Goldstücke. Selbst wenn man sie unter den zehn Überlebenden aufteilte, war das eine unglaubliche Summe. Genug, um jedem Mann ein komfortables Leben für Jahre zu ermöglichen – mehr Geld, als die meisten Söldner in ihrem ganzen Leben verdienen würden.

„Das …“, stieß einer der Söldner hervor, seine Stimme heiser vor Unglauben. „Das ist … echt?“
Lucavion drehte sich leicht um, sein Umhang schlug hinter ihm her, als er zur Tür ging. Er machte sich nicht die Mühe zu antworten, als wäre die Frage unter seiner Würde. Stattdessen hörte man seine Stimme über seine Schulter hinweg, leise, aber klar.

„Auf Wiedersehen, Mad Dogs“, sagte er, und in seinem Tonfall lag ein Hauch von Respekt. „Ihr wart ganz in Ordnung.“
Die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren, und Lucavion trat hindurch, seine Gestalt verschwand in der Nacht wie ein Schatten, der in der Dunkelheit verschmolz. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und ließ die Söldner allein in dem schummrigen Raum zurück, wo der Raumring in Zirkels Hand schwach glänzte.

Einen langen Moment lang sprach niemand. Das Gewicht von Lucavions Worten – und das schwere Versprechen des Rings – hing schwer in der Luft.
Zirkel atmete schließlich tief aus, schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen die Wand. „Haaah … Ich bin wirklich verrückt“, murmelte er, obwohl ein kleines, ungläubiges Grinsen um seine Lippen spielte.

Um ihn herum begannen die Mad Dogs zu murmeln, und die Anspannung wich langsam einer fassungslosen Erleichterung.

„Fünfzig Goldstücke … Er hat wirklich bezahlt.“
„Ich dachte, er würde uns einfach hier liegen lassen.“

Zirkel starrte auf den Ring in seiner Handfläche, seine ungleichen Augen flackerten vor Gier, Ehrfurcht und etwas, das er nicht genau benennen konnte. Trotz all dem Chaos, trotz all dem Wahnsinn hatte Lucavion sein Wort gehalten.

Und genau das machte ihn am meisten nervös.

********

Die von schweren Laternen beleuchtete Stille der Straßen von Thornridge umhüllte Lucavion, als er aus der Söldnerhöhle trat. Sein Umhang flatterte leicht in der stillen Nachtluft, das leise Klingeln des Raumrings war jetzt in seinen Falten versteckt. Über ihm hatten die Sterne die Wolken durchbrochen und ihr blasses Licht schimmerte auf dem unebenen Kopfsteinpflaster.
Einen Moment lang stand Lucavion einfach nur da und ließ seinen dunklen Blick über die leere Straße schweifen. Seine Bewegungen waren nicht hastig, es lag keine Eile oder Schuld in ihnen – nur diese bewusste Ruhe, die ihn wie ein Schatten begleitete.

Blut verwandelt sich immer in Stille, wenn die Schreie verstummen.
Leise Geräusche drangen an sein Ohr, das entfernte Scharren von Stiefeln auf Stein. Am Ende der Gasse kam das flackernde Licht einer Laterne näher, während Thornridges Ritter die Nachwirkungen ihrer Tat sicherten. Die gepanzerten Gestalten mit ihren tief hängenden Laternen waren unwillkommene, aber vorhersehbare Gäste.

Lucavion ignorierte sie. Er drehte sich geschmeidig auf dem Absatz um und ging in Richtung der Ställe.
Die Luft war schwer von dem Geruch von Blut und Rauch, aber hier, weiter weg von den Söldnern und den Trümmern der Crimson Serpent Sect, schien Thornridge das Chaos nicht wahrnehmen zu wollen. Die wenigen Leute, die durch die Straßen gingen – Gastwirte, die ihre Türen abschlossen, betrunkene Gäste, die nach Hause stolperten – schauten kaum auf, als er vorbeiging.
Vielleicht hatten sie in dieser Stadt gelernt, dass es besser war, Fremde, die in blutgetränkter Stille umhergingen, nicht zu genau anzusehen.

Vor ihm ragten die Ställe im Mondlicht empor, ihre verwitterten Balken knarrten leise im Wind. Aether war da. Er konnte sie spüren.
Als er näher kam, schwangen die Stalltüren mit einem widerwilligen Knarren auf. Eine Gestalt tauchte auf, eine Laterne in der Hand – ein älterer Mann mit gebeugten Schultern und einer rußverschmierten Schürze. Sein Gesicht erblasste, als sein Blick auf Lucavion fiel. Das Licht der Laterne beleuchtete die purpurroten Flecken auf Lucavions Mantel und Handschuhen, die dunklen Spritzer an seinem Kinn wirkten wie groteske Schatten.
Der Stallbesitzer erstarrte, die Hand, die die Laterne hielt, zitterte leicht. „Du bist … zurück.“

Lucavion blieb vor ihm stehen, seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen, amüsierten Grinsen. „Gab es daran irgendwelche Zweifel?“
Der Mann schluckte schwer und blickte nervös zwischen Lucavions Gesicht und dem unverkennbaren Blut an seinen Stiefeln hin und her. „Dein … dein Pferd ist in Ordnung. Ich habe ihr das beste Futter gegeben, wie du es gewünscht hast. Ich habe mich gut um sie gekümmert.“ Seine Stimme zitterte und klang so brüchig wie trockenes Reisig.
Lucavion griff in seinen Umhang, wobei der Stallbesitzer leicht zusammenzuckte. Er zog eine Silbermünze hervor – ohne Umstände, ohne Geste – und hielt sie zwischen seinen Fingern. Die Münze glänzte schwach im trüben Licht, aber der Blick des Stallbesitzers blieb auf dem Blut an Lucavions Handschuhen haften.
„Eine faire Bezahlung“, sagte Lucavion ruhig, seine Stimme sanft, aber bestimmt, als würde er den Mann herausfordern, abzulehnen.

Der Stallbesitzer zögerte, bevor er die Münze nahm, seine rauen Hände zitterten, als würde sie ihn verbrennen. „Danke, mein Herr.“ Er versuchte, Lucavion in die Augen zu sehen, aber die Angst ließ ihn wegschauen. „Wenn … wenn du bleiben und dich säubern musst, gibt es …“
„Nein“, unterbrach ihn Lucavion mit sanfter, aber bestimmter Stimme. „Nicht hier.“

Der Stallbesitzer nickte schnell, trat einen Schritt zurück und hielt die Laterne tief. Angst war eine Sprache, die man in dieser Gegend fließend sprach.
Er schritt an dem Mann vorbei in den Stall, wo sich der scharfe Geruch von Heu und Leder mit dem eisernen Geruch von Blut auf seinem Mantel vermischte. Aether stand in ihrer Box, ihre leuchtenden Augen durchdrangen die Dunkelheit wie geschmolzenes Feuer. Die große schwarze Stute scharrte einmal mit den Hufen, als er sich näherte, ihr Blick unerschütterlich. Sie erkannte ihn – natürlich tat sie das – und mit ihrer üblichen majestätischen Verärgerung warf sie ihre Mähne zurück, wobei die Schatten mit der Bewegung wogten.
„Hast du mich vermisst?“

Aether schnaubte, als hätte sie die Frage beleidigt.

Mit einer schnellen Bewegung schwang sich Lucavion in den Sattel, sein Umhang flatterte im schwachen Licht des Stalls. Die Stute bewegte sich unter ihm, unruhig und ungeduldig.

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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