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Kapitel 334: Gerettet

Kapitel 334: Gerettet

Manco und Shelia gingen durch die schummrigen Straßen von Thornridge, ihre Schritte hallten dumpf auf dem feuchten Kopfsteinpflaster wider. Das Leben in der Stadt hatte sich mit der Sonne zurückgezogen und nur vereinzelte Laternen warfen ihr spärliches Licht in die Gassen. Der Geruch von nassem Stein vermischte sich mit Holzrauch, und irgendwo in der Ferne bellte ein Hund – ein einsamer, hohler Laut, der von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Shelia zog ihren Umhang enger um sich und ließ ihren scharfen Blick über jede Schatten huschen. „Es fühlt sich an, als würde die Stadt den Atem anhalten“, flüsterte sie.

Manco nickte und sprach leise. „Das tut sie immer, wenn die Schlangen sich in Bewegung setzen.“
Sie bewegten sich vorsichtig und hielten sich an den Rändern der Gebäude auf, wo das Licht nicht hinkam. Thornridge hatte sich in den Monaten, seit die Sekte der Purpurnen Schlangen die Macht übernommen hatte, verändert. Vorbei waren die Nächte mit ruhigen Tavernen und laternenbeleuchteten Märkten. Jetzt herrschte nur noch Stille – eine Stille, die Gerüchte von Rebellion und die Last der Eroberung mit sich brachte.

„Glaubst du, sie ist noch da drin?“, fragte Shelia mit gedämpfter, aber schwerer Stimme.
„Das muss sie“, antwortete Manco. „Wenn sie sie vorführen wollten, hätten sie es schon längst getan.“
Bevor Shelia antworten konnte, durchzuckte eine scharfe Welle von Mana die Luft. Die Kraft war unverkennbar – mächtig und unkontrolliert, wie eine Peitsche, die durch die Nacht schlug. Manco erstarrte auf der Stelle und starrte nach Norden, wo sich die Pagode der Crimson Serpent Sect abzeichnete.

Eine weitere Welle folgte, dann noch eine.
Shelia schnappte nach Luft und ihre Finger zuckten in Richtung des Dolches an ihrem Gürtel. „Was in aller Welt ist das?“

„Kämpfe“, murmelte Manco und presste die Kiefer aufeinander. „Und nicht irgendwelche Kämpfe.“

Sie schlichen sich zur nächsten Straßenecke und drückten sich in die Schatten, während sie hinausspähten. Was sie sahen, bestätigte Mancos Vermutung.
Mana-Blitze erhellten die Dächer, purpurrote und violette Energiestrahlen zerschnitten die Nacht wie Sternschnuppen. Gestalten huschten über die Steinterrassen, Silhouetten, die sich in Lichtblitzen bewegten und aufeinanderprallten. Leise Rufe und das Klirren von Stahl hallten durch die Dunkelheit, aber aus dieser Entfernung waren die Worte nicht zu verstehen.
„Es sind die Ältesten der Purpurnen Schlange“, flüsterte Shelia mit blassem Gesicht im Schein der Laterne. „Sie sind in Bewegung.“
Manco spitzte die Ohren und folgte den schwachen Umrissen, die sich durch die Luft bewegten. Die Ältesten der Crimson Serpent Sect – diese grausamen, mächtigen Gestalten – waren unterwegs und jagten jemanden oder etwas durch die Stadt. Selbst von hier aus konnte er ihre bedrückende Mana wie einen Druck auf seinen Brustkorb spüren.

„Wem sind sie auf der Spur?“, fragte Shelia. „Eine rivalisierende Sekte? Jemand Wichtiges?“
Manco antwortete nicht sofort, seine Gedanken rasten. Wer auch immer die Ältesten verfolgten, sie zogen alle Blicke und Ohren in Thornridge auf sich und schwächten die Sekte. Das war eine seltene Gelegenheit, die sie nicht verpassen durften.

„Das ist unsere Chance“, sagte er mit fester, aber dringlicher Stimme. „Die Sekte wird im Inneren weniger stark sein. Wir können uns einschleichen, sie finden und verschwinden, bevor jemand etwas bemerkt.“
Shelia drehte sich abrupt zu ihm um. „Bist du verrückt? Wenn sie uns erwischen, sind wir tot, bevor wir das Tor wieder sehen.“

„Sie werden uns nicht erwischen“, sagte Manco, mehr um sich selbst zu überzeugen als sie. „Sie sind zu beschäftigt mit – was auch immer das ist. Das ist unsere einzige Chance.“
Shelia fluchte leise, nickte aber. „Na gut. Aber wir müssen vorsichtig sein. Ich will heute Nacht nicht sterben.“

„Sie auch nicht“, erwiderte Manco.

Sie beschleunigten ihre Schritte und schlüpften durch Gassen und enge Seitenstraßen, während sie sich auf den Weg zur Pagode der Crimson Serpent Sect machten.

„Was ist das?“

Manco und Shelia schlüpften durch die bröckelnde Außenmauer des Geländes der Crimson Serpent Sect und kamen in einen Hof, der in unheimlicher Stille lag. Die bedrückende Schwere der Mana lag in der Luft, jetzt noch dichter, und klebte an ihrer Haut wie eine zweite Schicht Schmutz. Aber etwas anderes fiel Manco zuerst auf – ein scharfer, metallischer Geruch, der seine Nase füllte und ihm den Magen umdrehte.

Der Geruch von Eisen.
Shelia erstarrte neben ihm und verzog das Gesicht. „Riechst du das?“

Manco schnürte sich die Kehle zu. „Blut.“

Die Erkenntnis traf ihn, als sie um die Ecke einer Trainingshalle bogen. Der Hof erstreckte sich vor ihnen, getaucht in das sanfte, silberne Licht eines Halbmondes. Und wie weggeworfene Puppen lagen Dutzende von Leichen über den Steinboden verstreut.
Die Anhänger der Sekte der Purpurroten Schlange.

Shelia taumelte zurück und schlug die Hand vor den Mund. Ihre großen Augen huschten über die Szene und blieben auf den leblosen Gestalten liegen, die auf dem Boden lagen. Ihre purpurroten Roben waren mit Blutflecken bedeckt. Einige Leichen lagen an Wänden gelehnt, andere lagen unnatürlich dort, wo sie hingefallen waren, ihre Waffen nutzlos neben ihnen.
Manco’s Herz pochte gegen seine Rippen, als er die Gesichter musterte. Er erkannte sie. Natürlich tat er das.

„Da … da ist Jorath“, würgte Shelia hervor und zeigte mit zitternder Hand. „Und Vynn. Dieser Bastard hat gelacht, als sie unsere Banner verbrannt haben.“
Manco’s Blick fiel auf Jorath, den einst arroganten Schüler, der an vorderster Front gestanden hatte, als ihre Sekte besiegt worden war. Jetzt lag er regungslos da, den glasigen Blick ins Leere gerichtet, Blut sammelte sich unter seinem zerbrochenen Körper.

„Burghk—!“

Shelia krümmte sich und würgte heftig.
Das Geräusch hallte unnatürlich in dem stillen Innenhof wider. Manco stand wie erstarrt da und konnte seinen Blick nicht abwenden. Er hatte von Rache geträumt, davon, die Sekte der Purpurnen Schlange leiden zu sehen, aber das hier … das war etwas ganz anderes.

„Wie … wie ist das passiert?“, keuchte Shelia und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Ihr Gesicht war blass, ihr Atem flach. „Wer könnte das getan haben? Die Ältesten – wo sind die Ältesten?“
Bevor Manco antworten konnte, erreichte sie ein weiteres Geräusch. Ein fernes Klirren von Stahl, schärfer und heftiger als zuvor. Es folgte das unverkennbare Summen von Mana, das durch die Luft waberte – ein Druck, der so intensiv war, dass die Kopfsteinpflastersteine unter ihren Füßen zu vibrieren schienen.
Das Geräusch kam aus den Tiefen der Sekte.

„Es wird immer noch gekämpft“, murmelte Manco mit heiserer Stimme. Er konnte es spüren, wie die Energie wie Schockwellen durch die Luft strömte und seine Knochen vibrieren ließ.

Doch dann, so plötzlich wie sie begonnen hatte, verstummte die Wellenbewegung. Stille legte sich über die Sekte, dicht und erstickend.

Und dann hörten sie es.
Eine Stimme. Sanft, ruhig, und doch schnitt sie durch die Stille wie ein Messer durch Seide.

„Komm her.“

Die Stimme – sanft und befehlend – hing in der Luft, als würde sie von der Mana getragen, die noch immer schwach um sie herum summte. Manco sah Shelia an, und beide zögerten nur einen Moment.
„Wir haben keine Wahl“, sagte Manco leise. „Wenn diese Stimme zu dem gehört, der das getan hat …“ Er deutete vage auf die leblosen Körper um sie herum. „Dann hätte er uns schon längst getötet, wenn er gewollt hätte.“

Shelia schluckte schwer, ihre Knöchel waren weiß, als sie den Griff ihres Dolches umklammerte. „Na gut“, sagte sie mit angespannter Stimme. „Bringen wir es hinter uns.“
Gemeinsam gingen sie vorwärts, ihre Schritte langsam und bedächtig, die Stille des Hofes verschluckte jedes Geräusch. Jeder Schritt fühlte sich an, als würden sie in das Maul eines Raubtiers treten, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Die Anziehungskraft der Stimme – der Besitzer dieser furchterregenden, beiläufigen Macht – war zu stark, um sie zu ignorieren.
Sie erreichten eine Öffnung zwischen zwei Pagodengebäuden, durch die sich ein größerer Hof erstreckte. Dort, im fahlen Licht des Halbmondes, sahen sie ihn.

Ein junger Mann stand in der Mitte des blutüberströmten Hofes, den Rücken gerade und die Haltung ruhig, als würde ihn das Gemetzel um ihn herum nicht mehr beunruhigen als eine Sommerbrise.
Seine Kleidung war unauffällig – dunkle, vom Reisen abgenutzte Gewänder mit einem langen Umhang, der leicht im Wind flatterte. Aber es waren seine Augen, die Manco wie ein Schlag in die Magengrube trafen: dunkel wie die Leere, unnachgiebig und unergründlich, ohne jeden Glanz und ohne jede Regung.

Und neben ihm …
Shelia erstarrte mitten im Schritt. Ihre großen Augen waren auf die Gestalt gerichtet, die elegant auf einer zerbrochenen Säule direkt neben dem jungen Mann saß – eine Katze. Eine silberfellige Katze mit zarten Gesichtszügen, deren Schwanz sich träge ringelte, während sie sie mit beunruhigender Intelligenz beobachtete.

„Ah …“, kam es aus Shelias Kehle, eine Mischung aus Ungläubigkeit und Ehrfurcht. „Ah … Lady … Lady Vitaliara …“
Manco blinzelte heftig, sein Verstand hatte Mühe, das Bild zu begreifen. Es war sie. Es gab keinen Zweifel. Lady Vitaliara, die silberne Katze, die einst ihre Sekte beschützt hatte – ein Wesen mit uralter Mana-Kraft, verehrt und geheimnisvoll. Genau dasselbe Wesen, das sie in ihrer Not beschützt hatte.

Die Katze blinzelte langsam, ihre scharfen goldenen Augen ruhten auf Shelia mit einem Ausdruck, den man fast als amüsiert bezeichnen konnte.

„… Hmph.“
Die Lippen des jungen Mannes verzogen sich zu einem leichten Grinsen, das in scharfem Kontrast zu seinem stillen, dunklen Blick stand. Als er endlich sprach, klang seine Stimme lässig, doch jedes Wort hatte ein Gewicht, das in der Luft hing.

„Ihr zwei scheint ziemlich mutig zu sein.“ Er deutete auf den leblosen Hof um sie herum. „Hierher zu kommen … in der Hoffnung, eure junge Dame zu retten, obwohl sie hier eingesperrt ist, an einem so gefährlichen Ort.“
Die Worte trafen Manco wie ein Schlag, sein Herz schlug schneller. Wer auch immer dieser junge Mann war, seine bloße Anwesenheit reichte aus, um die Luft stillstehen zu lassen, als würde sich die gesamte Mana der Sekte seinem Willen beugen.

„Wer bist du?“, fragte Manco und zwang sich, trotz der Trockenheit in seiner Kehle mit fester Stimme zu sprechen. „Kennen wir dich?“
Der junge Mann lachte leise, doch der Klang war eher beunruhigend als beruhigend. Er drehte sich leicht zur Seite und zeigte mit einem Finger auf die Katze, die neben ihm saß.

„Wer ich bin? Sagen wir, ich bin ihr Vertrauter“, sagte er mit einem leichten Achselzucken, als bedürfe diese Erklärung keiner weiteren Erläuterung. „Ihre Stimme, ihre Hände – je nach Tagesform.“
Manco schluckte schwer und wandte seinen Blick wieder Lady Vitaliara zu, die sie mit ruhiger, katzenhafter Geduld beobachtete. Shelias Mund bewegte sich lautlos, als würde sie nach Worten suchen, die ihr nicht einfallen wollten.
Der junge Mann neigte leicht den Kopf und musterte sie mit seinen dunklen, durchdringenden Augen. „Wie auch immer …“, sagte er plötzlich und brach die Stille. „Ihr seid hier, um eure junge Dame zu retten, nicht wahr? Dann lasst uns aufbrechen. Die Zeit drängt.“

„Was?“, fragte Shelia verblüfft. „Du … du willst uns helfen?“
Der junge Mann grinste wieder, obwohl der Ausdruck seine Augen nicht ganz erreichte. „Denkst du etwa, ich habe euch hierher gerufen, um mit euch zu plaudern?“ Er drehte sich um, sein Umhang wirbelte um ihn herum wie der Rand eines Schattens. „Kommt schon. Lasst uns eure Mitstreiter befreien, okay?“
Manco und Shelia warfen sich einen weiteren Blick zu – halb ungläubig, halb ängstlich –, bevor sie gleichzeitig nickten.

Was auch immer dieser junge Mann war, welche Macht auch immer er besaß, eines war klar: Er war ihre beste Chance, sie zu retten.

Und im Moment war das alles, was zählte.

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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