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Kapitel 316: Dornwald

Kapitel 316: Dornwald

Am Abend war es in der Gilde ruhiger, aber es war immer noch ein leises Summen von Söldnern zu hören, die zusammen tranken, Geschichten austauschten und ab und zu einen Blick auf die Jobtafel warfen. Lampen warfen ein warmes Licht auf die Holzbalken, und der schwache Geruch von verschüttetem Bier und Rauch hing in der Luft.
Kaelen saß an einem kleinen Tisch in der Nähe der Wand und nippte an einem halb leeren Becher. Seine anfängliche Frustration war zu einem schwelenden Ärger abgeklungen, doch die Begegnung mit dem vernarbten Fremden ging ihm immer noch durch den Kopf. Wer war dieser Mann und für welchen Auftrag wurden zwanzig Söldner benötigt? Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
Mira saß immer noch an ihrem Schreibtisch und ließ ihren scharfen Blick durch den Raum schweifen, während sie akribisch die Verträge des Tages aufzeichnete. Ihr Stift kratzte in gleichmäßigem Rhythmus über das Pergament, und das Geräusch verschmolz mit den Hintergrundgeräuschen. Gelegentlich blickte sie auf und ließ ihren Blick durch den Saal schweifen, aber sie schien genauso verwirrt zu sein wie Kaelen zuvor.
Die Tür quietschte erneut, und Kaelen schaute instinktiv dorthin. Diesmal reagierte er sofort – er holte scharf Luft, und sein Brustkorb zog sich zusammen.

Der Fremde war zurückgekommen.

Aber er war nicht allein.
Hinter ihm trat Zirkel, der berüchtigte Anführer der Mad Dogs, in die Gilde. Sein raues, ramponiertes Aussehen war unverkennbar – ein vernarbtes Gesicht, zerzaustes Haar und eine Rüstung, die aussah, als hätte sie schon zu viele Schlachten hinter sich. Am auffälligsten war jedoch das breite, fast raubtierhafte Grinsen auf seinem Gesicht, als hätte er gerade eine besonders befriedigende Wette gewonnen.
Der Anblick von Zirkel reichte aus, um Kaelen einen Kloß im Hals zu verursachen. Wenn ein Mad Dog gute Laune hatte, war das nie ein gutes Zeichen.

Die Gildenhalle schien wie erstarrt, alle Augen waren auf die beiden gerichtet, die sich auf Miras Schreibtisch zubewegten. Selbst Mira, die selten Emotionen zeigte, richtete sich in ihrem Stuhl auf und runzelte die Stirn, als sie näher kamen.
„Guten Abend, Mira“, sagte Zirkel mit rauer, aber amüsierter Stimme. „Ich hoffe, du hast etwas Pergament bereit.“

Miras Blick huschte zwischen ihm und dem vernarbten Fremden hin und her, ihr Gesichtsausdruck blieb neutral. „Zirkel. Ich habe dich hier nicht so schnell wieder erwartet. Was gibt’s denn?“
Zirkel schlug mit der schweren Hand auf den Tresen und beugte sich leicht vor. „Dieser Mann“, sagte er und deutete mit dem Daumen auf den Fremden, „und ich haben eine Vereinbarung getroffen. Er hat einen Job bekommen, und die Mad Dogs sind bereit, ihn zu übernehmen.“
Fast sofort ging ein Raunen durch die versammelten Söldner. Kaelen konnte kaum glauben, was er da hörte. Zirkel? Er akzeptierte die Bedingungen von irgendjemandem? Die Mad Dogs waren nicht gerade für ihre Kooperationsbereitschaft bekannt, geschweige denn dafür, dass sie zu den Bedingungen anderer arbeiteten.
Mira lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und kniff die Augen zusammen. „Ist das so? Und was hat sich seit heute Morgen geändert? Soweit ich weiß, hatte dieser Typ nicht annähernd genug Geld, um zwanzig Söldner zu bezahlen.“

Zirkels Grinsen wurde breiter, seine Zähne blitzten im Lampenlicht. „Sagen wir einfach, er hatte ein überzeugendes Argument.“
Der vernarbte Fremde blieb still und stand mit seiner gewohnten Gelassenheit einen Schritt hinter Zirkel. Seine pechschwarzen Augen musterten den Raum, unbeeindruckt von der Aufmerksamkeit und dem Geflüster. Kaelen wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Mann die ganze Situation inszeniert hatte – dass jeder Schritt, vom ersten Gespräch mit Mira bis zu diesem Moment, genau so verlaufen war, wie er es beabsichtigt hatte.
Miras Blick wanderte zu dem Fremden. „Du bist derjenige, der all diese kühnen Forderungen stellt. Können Sie mir erklären, wie Sie ihn überzeugt haben?“

Der Fremde sah ihr ruhig in die Augen. „Ich habe ihm die Details geliefert, die er brauchte. Die Bedingungen sind für beide Seiten akzeptabel.“

„Bedingungen?“, wiederholte Mira skeptisch. „Erwarten Sie wirklich, dass ich glaube, Zirkel hätte sich auf die Bedingungen eines anderen eingelassen?“
Zirkel lachte leise, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Oh, schau nicht so überrascht, Mira. Selbst die Mad Dogs erkennen einen guten Deal, wenn sie einen sehen. Und dieser Typ? Er hat Mut, Verstand und einen Job, der genau die richtige Herausforderung für ihn ist.“

Mira atmete scharf aus, ihre Verärgerung war deutlich zu spüren. „Na gut. Bringen wir es hinter uns.“ Sie griff nach einem neuen Stück Pergament und hielt ihren Stift bereit. „Name?“

Der Fremde trat vor, seine Stimme war ruhig. „Du kannst mich Lucavion nennen.“
Kaelen spitzte bei dem Namen die Ohren, obwohl er ihm nichts sagte. Trotzdem kam er ihm wichtig vor, als hätte er mehr Bedeutung als sein einfacher Klang vermuten ließ.
Oder war das wirklich der Fall?

Miras Feder kratzte mit bedächtiger Präzision über das Pergament, ihr Gesichtsausdruck war konzentriert, während sie arbeitete. Das Gemurmel in der Gildenhalle war etwas verstummt, doch die Spannung war immer noch spürbar. Von Zeit zu Zeit wanderte Miras scharfer Blick zu Zirkel und Lucavion, als wolle sie sich vergewissern, dass sie real waren und nicht nur bizarre Produkte ihrer Fantasie.
Kaelen, der immer noch an seinem Tisch saß, verschränkte die Arme und starrte missmutig in seinen Becher. „Endlich. Vielleicht wird es jetzt hier weniger Chaos geben.“ Er konnte nicht umhin, einen Blick auf die beiden zu werfen. Zirkels Grinsen war ungebrochen, während Lucavion ruhig und distanziert dastand und mit seinen dunklen Augen alles in sich aufnahm, ohne etwas preiszugeben.
Mira seufzte, während sie die letzten Worte auf das Pergament schrieb und ihren Stift mit einem leisen Klirren ablegte. Sie schob das Dokument über den Tresen zu Zirkel. „Okay, fertig. Es gelten die üblichen Bedingungen der Gilde. Ihr seid für eure eigenen Verluste verantwortlich, und alle Streitigkeiten werden durch das Schlichtungssystem der Gilde geregelt.“
Zirkel schnaubte, das Geräusch klang rau, aber amüsiert. „Verluste? Mira, du verletzt mich. Wir sind Profis.“

„Mich musst du nicht überzeugen“, erwiderte sie trocken und nickte in Richtung Lucavion.
Zirkel machte sich nicht die Mühe, seine Belustigung zu verbergen, als er seine Unterschrift auf das Pergament kritzelte, wobei die kühnen, gezackten Buchstaben perfekt zu seiner überlebensgroßen Persönlichkeit passten. Mit einer schwungvollen Geste schob er den Vertrag zurück über den Tisch.

„Alles klar“, sagte Zirkel und wandte sich mit einem Grinsen, das einem Wolf hätte gehören können, an Lucavion. „Wir sehen uns bei Tagesanbruch, Boss.“
Lucavion nickte kaum merklich. „Sei bereit.“

Ohne ein weiteres Wort drehte sich der vernarbte Mann um und schritt zur Tür, sein dunkler Umhang wirbelte hinter ihm her. Zirkel folgte ihm mit seiner üblichen Prahlerei, seine Präsenz war wie ein Sturm, der den Raum verließ. Die anderen Söldner machten instinktiv Platz, niemand wollte es riskieren, auch nur den berüchtigten Anführer der Mad Dogs zu streifen.
Kaelen sah ihnen nach und entspannte sich ein wenig, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Die Spannung in der Gildenhalle schien augenblicklich zu sinken, und die Leute fingen wieder an, leise zu reden, während sie versuchten, das Geschehene zu verstehen.
„Endlich“, murmelte Kaelen leise vor sich hin. Er warf einen Blick auf die Jobbörse, und seine frühere Frustration wich einem Funken Hoffnung. Da Zirkel und die Mad Dogs nun Lucavions mysteriösem Auftrag nachjagten, hatte er vielleicht eine Chance, den Auftrag zurückzubekommen, der ihm heute Morgen weggeschnappt worden war. Es war keine glamouröse Arbeit, aber es war ehrliche Arbeit – und weitaus sicherer als alles, was mit den Mad Dogs zu tun hatte.
Kaelen trank den Rest seines Getränks und rappelte sich auf. Die Tafel war jetzt weniger überfüllt, da sich die meisten Söldner bereits für den Abend eingerichtet hatten. Er überflog die verbleibenden Aushänge und suchte mit den Augen nach dem vertrauten Angebot für die Karawaneneskorte nach Valford.
Da war es.

Ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Der Zettel war noch an der Tafel, niemand hatte ihn seitdem der kräftige Mad Dog ihn sich geschnappt hatte, angerührt. Kaelen griff danach, voller Vorfreude auf die Chance, sich endlich beweisen zu können.

„Ich habe echt Glück … Dass ich den bekommen habe, ohne was zu verlieren …“

********

Die Stadt Thornridge erstreckte sich am Fuße der Grauen Klippen, ihre Steinmauern waren von Jahrhunderten kalter Nordwinde verwittert.
Für eine Stadt, die nur von einem Baron regiert wurde, zeugten die belebten Straßen und gut gepflasterten Alleen von einem Wohlstand, der für Siedlungen so nah an der Grenze zum Arcanis-Imperium ungewöhnlich war. Thornridge florierte nicht wegen fruchtbarer Böden oder Handelswegen, sondern wegen der beiden Sekten, die die umliegende Region seit Jahrzehnten beherrschten – auch wenn sich dieses Gleichgewicht in letzter Zeit verschoben hatte.

Jetzt warf nur noch eine Sekte ihren Schatten auf Thornridge: die Sekte der Purpurnen Schlange.
Der scharfe Geruch von Weihrauch lag in der Luft, als Manco Drast über den überfüllten Marktplatz ging. Die Stadt war voller Leben, geprägt von einer Mischung aus Besorgnis und Neugier, und unter der Oberfläche des Alltagslebens war eine spürbare Spannung zu spüren. Straßenhändler riefen ihre Waren aus, doch ihren Stimmen fehlte es an Überzeugung. Selbst die Stadtwache, gekleidet in die blau-silberne Livree ihres Barons, stand strammer als sonst und hielt die Hände nervös an den Schwertgriffen.
Sein Blick wanderte zu der hoch aufragenden Steinpagode, die über dem nördlichen Stadtteil thronte und deren purpurrote Fahnen im Wind flatterten. Das Kloster der Azurblüten-Sekte, einst eine Oase der Ruhe, trug nun unverkennbare Spuren des Kampfes. Die Mauern waren rissig, die Tore zerbrochen. Purpurrote Fahnen hingen über den Zinnen und zeigten, dass der Ort erobert worden war.
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Das Wappen der Sekte der Purpurnen Schlange – eine gewundene Schlange mit rubinroten Schuppen – schien die Stadt unter ihm höhnisch anzulächeln, eine stille Erklärung des Sieges.

Manco Drast bog von der belebten Hauptstraße ab und schlüpfte in eine schattige Gasse, wo die Geräusche des Marktes zu einem dumpfen Summen verklangen. Die Luft hier war feucht und kalt, der Geruch von nassem Stein vermischte sich mit dem Geruch von Verwesung.
Er zog seinen Umhang enger um sich und hielt sein Gesicht im Schatten, während er tiefer in die Gasse vordrang.

Am Ende des schmalen Durchgangs wartete eine junge Frau, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie lehnte mit verschränkten Armen an der Wand, ihre angespannte Haltung verriet die Vorsicht und Müdigkeit einer Person, die ständig auf der Hut war. Als Manco näher kam, richtete sie sich auf und musterte mit scharfen Augen die Gasse hinter ihm, bevor sie ihren Blick auf sein Gesicht richtete.
„Du wurdest nicht verfolgt, oder?“, fragte sie mit kaum mehr als einem Flüstern.

Manco schüttelte den Kopf. „Ich habe dafür gesorgt. Die sind zu sehr damit beschäftigt, mit ihren blutroten Fahnen anzugeben, um auf die Schatten zu achten.“

Sie entspannte sich ein wenig, ließ aber ihre Wachsamkeit nicht ganz fallen. Ihre Finger zuckten an ihrer Seite und streiften den Griff eines Dolches, der unter ihrem Umhang versteckt war. Ihre Stimme klang bitter, als sie wieder sprach.
„Ich habe heute die Älteste Jayan gesehen. Diese Schlampe …“ Sie spuckte das Wort aus, und ihr Tonfall triefte vor Gift. „Sie trug die Roben dieser blutroten Bastarde, ohne auch nur einen Funken Reue zu zeigen.“

Manco presste die Kiefer aufeinander. „Jayan?“, wiederholte er, und in seiner Stimme vermischten sich Ungläubigkeit und Wut. „Sie hat einen Eid geschworen, die Sekte der Azurblüten zu beschützen. Sie war es, die uns gelehrt hat, wie wichtig Loyalität ist.“
„Und jetzt trägt sie die Schlange wie ein Ehrenabzeichen“, fauchte die Frau und ballte die Fäuste. „Loyalität bedeutete ihr nichts. Sie hat wahrscheinlich nur auf den richtigen Moment gewartet, um uns zu verraten.“

Manco trat näher, seine Stimme war leise und ruhig. „Hat sie dich gesehen?“
Die Frau zögerte, schüttelte dann den Kopf. „Nein. Ich habe mich in der Menge versteckt. Sie hat nicht einmal in meine Richtung geschaut.“ Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich. „Nicht, dass sie mich jetzt noch erkennen würde. Ich bezweifle, dass sie sich an die Gesichter der Menschen erinnert, die sie verraten hat.“

„Gut“, sagte Manco mit fester Stimme. „Das Letzte, was wir brauchen, ist, dass sie herumschnüffelt.“

„Wollen wir das wirklich tun?“
„Wir müssen. Bevor sie die junge Dame zwingen, müssen wir sie retten.“

Das Leben war hart für die beiden.

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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