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Kapitel 304: Äther (3)

Kapitel 304: Äther (3)

Sie bewegte sich.

Zuerst war es kaum zu sehen – ein leichtes Scharren mit den Hufen, ein leichtes Senken des Kopfes. Der trotzige Ausdruck in ihren leuchtenden Augen schwankte, verschwand aber nicht ganz, sondern wurde weicher und machte etwas Tieferem Platz. Langsam und bedächtig machte Aether einen Schritt nach vorne.

Das Geräusch ihrer Hufe auf dem Stallboden war in der Stille fast ohrenbetäubend.
Ich hielt kurz den Atem an, denn dieser Schritt war schwerer als jeder Angriff oder Schlag, den ich jemals in der Arena erlebt hatte. Es war nicht nur ein Schritt. Es war eine Entscheidung.

Aether hielt inne und fixierte mich mit ihren leuchtenden Augen so intensiv, dass die Luft zu vibrieren schien. Die Spannung zwischen uns veränderte sich und verwandelte sich von einem Willenskampf in etwas ganz anderes – ein stilles Gespräch, ein unausgesprochenes Einverständnis.
„Da ist es“, flüsterte ich, meine Stimme kaum hörbar, aber voller Gewissheit. „Der erste Schritt.“

Ihre Mähne wogte wie flüssige Schatten, und das leise Summen der Mana um sie herum schien im Takt mit den Flammen in meiner Hand zu schwingen. Aethers Blick senkte sich kurz auf das Feuer, bevor sie ihn wieder auf mich richtete, ihre Haltung nun neugieriger, weniger zurückhaltend.
Ich blieb stehen, meine Hand immer noch ausgestreckt, die [Flamme der Tagundnachtgleiche] ruhig und unerschütterlich. „Es ist nicht einfach, oder?“, sagte ich mit leiser, aber fester Stimme. „Sich von den Ketten zu befreien, mit denen du so lange gelebt hast. Etwas – oder jemandem – genug zu vertrauen, um diesen Schritt zu wagen. Aber du hast es geschafft.“
Ein hauchzarter Atemzug entwich ihren Nasenlöchern, ein Geräusch, das wie ein Schnauben klang, aber eher wie ein Seufzer wirkte. Ihr kräftiger Körper entspannte sich leicht, ihre Bewegungen waren nicht mehr so starr, als wäre eine unsichtbare Last von ihren Schultern genommen worden.
„Freiheit bedeutet nicht, vor der Vergangenheit davonzulaufen“, fuhr ich fort, meine Stimme voller leiser Ehrfurcht. „Es geht darum, sich ihr zu stellen. Es geht darum, den Schmerz zu tragen, ohne sich davon definieren zu lassen. Das macht dich stark – nicht die Rüstung, die du trägst, sondern der Mut, sie abzulegen.“
Aether machte einen weiteren Schritt, das schwache Leuchten in ihren Augen veränderte sich und wurde sanfter. Ihre Mähne schien jetzt sanfter zu fließen, weniger wie lebende Schatten und mehr wie eine Brise im Mondlicht. Sie war jetzt so nah, dass ich das Summen ihrer Mana spüren konnte, das sich mit der Wärme der Flammen in meiner Hand vermischte.

Ich bewegte mich nicht, streckte meine Hand nicht nach ihr aus. Das musste ihre Entscheidung sein. Es musste immer ihre Entscheidung sein.
Aethers Blick ruhte auf den Flammen, und für einen Moment schien die Welt unmöglich still zu stehen. Dann senkte sie langsam und bedächtig den Kopf, sodass ihre Nasenspitze den Rand des Feuers berührte. Die Flammen wichen nicht zurück und verbrannten sie nicht, sondern schienen sie zu umarmen, während sich ihr Licht mit ihrer Mana zu einem ruhigen, harmonischen Schein vermischte.
Ich atmete leise aus, die Anspannung in meiner Brust löste sich, und ein leichtes Lächeln huschte über meine Lippen.

„Heh … Jetzt kannst du nicht mehr entkommen.“

*******

Valeria beobachtete das Ganze aus der Ferne, die Arme verschränkt und die Stirn gerunzelt, während sich vor ihr diese seltsame Szene abspielte. Aethers Mähne flatterte wie Schatten in einem unsichtbaren Windhauch, und sie bewegte sich ungewöhnlich langsam und bedächtig, während sie sich Lucavion näherte. Es war, als würde das Pferd nicht einfach nur gehen, sondern mit jeder Faser seines Wesens darüber nachdenken, wie es auf den Mann vor ihm reagieren sollte.
Lucavion stand da, seine Haltung ruhig, aber unerschütterlich. Von ihrem Standpunkt aus konnte Valeria kein Wort von dem verstehen, was er sagte. Das Summen der Mana in der Luft war lauter geworden, und sie konnte das schwache Leuchten von Flammen sehen, die sich um seine Hand wanden und sanft im trüben Licht des Stalls flackerten.
Sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, und ein unbehagliches Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus. „Was in aller Welt macht er da?“, dachte sie und kniff die Augen zusammen, während sie sich auf das seltsame Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier konzentrierte. Aether, das Pferd, das niemand zähmen konnte, bewegte sich wie hypnotisiert. Ihre Schritte, ihre Haltung – alles war so … bedächtig, so anders als die wilde Trotzigkeit, die sie noch vor wenigen Augenblicken an den Tag gelegt hatte.
„Ist das wirklich derselbe Mensch, der vorhin hier stand, grinsend und Witze über Autorität gemacht hat?“, fragte sich Valeria und umklammerte ihre Arme fester. „Derselbe Mensch, der vorgeschlagen hat, Krieg gegen die Wolkenhimmel-Sekte zu führen, als wären die Leben, die dabei verloren gehen würden, nur der Preis für Gerechtigkeit? Wie kann jemand von solcher Rücksichtslosigkeit zu … so etwas kommen?“
Ihr Blick blieb auf Lucavions Gesicht haften, das schwach vom Schein der Flammen beleuchtet wurde. Sein übliches Grinsen war verschwunden und hatte einer ruhigen Intensität Platz gemacht, die sie noch nie an ihm gesehen hatte. Es war nicht der scharfe, berechnende Blick, den er hatte, wenn er politische Spielchen spielte, oder das ärgerlich selbstgefällige Grinsen, das seine Scherze begleitete. Das hier war anders. Seine Haltung strahlte eine Würde aus, ein stilles Verständnis, das für jemanden wie ihn völlig unpassend schien.
Aether bewegte sich wieder und senkte den Kopf zum Feuer. Die flackernden Flammen loderten nicht auf und wichen nicht zurück; sie schienen sie willkommen zu heißen und vermischten sich sanft mit der schwachen Aura aus Mana, die das Pferd umgab. Valeria stockte der Atem. Der Anblick war fast surreal, wie etwas aus einer Geschichte.

„Was sagt er zu ihr?“, fragte sie sich. „Was bringt dieses unmögliche Pferd dazu, sich so zu bewegen?“
Doch während sie sich diese Fragen stellte, schlich sich ein tieferer, beunruhigenderer Gedanke in ihren Kopf. „Habe ich mich in ihm getäuscht?“
Sie hasste diesen Gedanken. Lucavion war rücksichtslos, arrogant und nervig selbstgefällig. Er machte sie ständig wütend mit seinen Sticheleien, seinen Provokationen und seiner Weigerung, irgendetwas ernst zu nehmen. Aber jetzt, als sie ihn im Umgang mit Aether beobachtete, sah sie eine Seite an ihm, die nicht zu dem Bild passte, das sie sich von ihm gemacht hatte.
„Ist er wirklich so? Oder ist das nur wieder eine seiner Masken?“ Valeria biss sich auf die Lippe, während ihre Gedanken kreisten. „Niemand ändert sich so schnell. Niemand schlägt erst eine Hexenjagd vor und dann … was auch immer das hier ist. Welcher Lucavion ist der echte? Der Mann mit der feurigen Rhetorik oder der, der ein unbezähmbares Wesen dazu bringt, seine Abwehrhaltung aufzugeben?“
Ihr Blick wanderte zurück zu Aether, die nun mit gesenktem Kopf dastand und ihre leuchtend blauen Augen auf die Flammen in Lucavions Hand gerichtet hatte. Die Anspannung in ihrem kräftigen Körper schien geschmolzen zu sein und war durch etwas Sanfteres ersetzt worden, etwas Rohes und Verletzliches.
Valeria schnürte sich bei diesem Anblick die Kehle zu. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie wusste nur, dass sie zum ersten Mal etwas in Lucavion sah, das nicht zu dem Chaos und der Rücksichtslosigkeit passte, die sie von ihm gewohnt war.

„Nein … es ist nicht das erste Mal …“
Valerias Gedanken schweiften unwillkürlich zu den Fuchsgeschwistern zurück. Ihre leisen, zitternden Stimmen, ihre vorsichtigen Blicke – sie waren am Rande der Verzweiflung gewesen, als Lucavion dazukam. Sie erinnerte sich, wie er sich zu ihnen hinuntergebeugt hatte, sein übliches Grinsen durch eine ruhige Sanftheit ersetzt, die sogar sie überrascht hatte.

Er hatte sie nicht mit seinem üblichen frechen Humor genervt oder provoziert. Stattdessen hatte er mit ruhiger Aufrichtigkeit gesprochen, als würde er ihre Angst und ihren Schmerz wirklich verstehen. Seine Worte waren bedacht und wohlüberlegt gewesen und hatten ein Gewicht gehabt, das im Gegensatz zu seiner sonst so sorglosen Art stand. „Ihr seid jetzt in Sicherheit. Niemand wird euch etwas antun, solange ich hier bin.“
Eine unsichtbare Last war von ihnen genommen worden. Lucavion hatte sie nicht nur physisch beschützt, er hatte ihnen etwas viel Wertvolleres gegeben – ein Gefühl der Hoffnung.

„Richtig …“, dachte Valeria und runzelte die Stirn, als sie ihn nun beobachtete, wie er mit derselben ruhigen Intensität vor Aether stand. „Das habe ich schon einmal gesehen, oder? Diese … andere Seite von ihm. Die, die er nur zeigt, wenn er glaubt, dass niemand hinschaut.“
Ihre Wahrnehmung von Lucavion war immer wechselhaft und chaotisch gewesen. In einem Moment war er ein rücksichtsloser Schurke mit einer Vorliebe dafür, Grenzen zu überschreiten, im nächsten war er ein scharfsinniger Stratege, der sich mit einer Präzision durch Gespräche und Konflikte manövrierte, die sie aus der Bahn warf. Und dann gab es diese seltenen Momente, in denen er all seine Künstlichkeit und Prahlerei ablegte und etwas Rohes, etwas erschreckend Unschuldiges an seine Stelle trat.
„Kein Wunder, dass ich ihn nicht einschätzen kann“, gab sie sich zu, und presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. „Er lässt niemanden das ganze Bild sehen. Er verändert sich ständig, trägt immer eine Maske. Aber … diese Seite von ihm fühlt sich echt an. Vielleicht sogar echter als der Rest.“

Ihre Gedanken wurden von der Stimme des Marquis unterbrochen, die die Spannung im Stall durchbrach.
„Er hat es wirklich getan …“, murmelte der Marquis mit leiser, aber ungläubiger Stimme. Sein scharfer Blick war auf Lucavion und Aether gerichtet, und seine sonst so gefasste Haltung wich für einen Moment, als er leise und erstaunt den Kopf schüttelte.
Valeria blinzelte und drehte sich zu ihm um. Der Marquis war kein Mann, der sich leicht überraschen ließ, doch die Verwunderung in seiner Stimme war unüberhörbar. Es war klar, dass er dieses Ergebnis genauso wenig erwartet hatte wie sie.

„Wie schafft er das nur?“, fragte sie sich und wandte ihren Blick wieder Lucavion zu. „Wie schafft er diese unmöglichen Dinge?“
Es war nicht zu leugnen. Lucavion hatte eine Art, Widerstände zu überwinden – sei es bei Menschen oder offenbar auch bei Wesen wie Aether. Er überwältigte oder dominierte nicht, sondern fand Risse in den Mauern, die andere errichtet hatten, und vergrößerte sie sanft und beharrlich, bis sie nachgaben.

Der Anblick vor ihr – ein Pferd, das niemand zähmen konnte und das nun ruhig dastand und mit der Nase die Flamme in Lucavions Hand berührte – war Beweis genug dafür.
„Es ist, als würde er etwas verstehen, was wir anderen nicht sehen können … oder nicht wahrhaben wollen“, dachte Valeria, während eine seltsame Mischung aus Frustration und Bewunderung in ihr aufstieg. „Er verhält sich, als gehöre ihm die Welt, doch dann gibt es Momente wie diesen – Momente, in denen er der Einzige zu sein scheint, der bereit ist, sich ihr auf ihren eigenen Bedingungen zu stellen.“
Der Marquis atmete leise neben ihr aus, sein Gesichtsausdruck wurde weicher und fast ehrfürchtig. „Um ehrlich zu sein“, sagte er mehr zu sich selbst als zu jemand anderem, „hab ich nicht geglaubt, dass er es schaffen würde. Aethers Geist ist zu wild, zu sehr gezeichnet. Und doch …“ Er verstummte und schüttelte erneut den Kopf, als fehlten ihm die Worte, um zu beschreiben, was er sah.
Valeria schwieg und starrte Lucavion an. „Ich auch nicht“, dachte sie und spürte, wie sich ihre Brust weiter zusammenzog. „Aber irgendwie … hat er es geschafft.“

Als Aether einen weiteren Schritt auf ihn zuging und die leuchtenden Flammen sich in ihren ätherisch blauen Augen spiegelten, spürte Valeria, wie sich ihr Verständnis von Lucavion erneut veränderte. Setz deine Reise mit Empire fort

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt

Score 10
Author: Artist: Released: 2024 Native Language: German
Auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, konnte er nur noch die Hölle ertragen. Er hatte keine Familie, auf die er sich verlassen konnte, da sie ihm den Rücken zugekehrt hatten. Eine Seele vom Schlachtfeld: Lucavion Thorne. Aber anscheinend war er viel mehr als nur ein einfacher Soldat, denn das Schicksal hatte noch einiges für ihn auf Lager. Eine Seele von der Erde ... Als sie verschmolzen, wurde ihm klar: Er war ein Bösewicht aus einem Kapitel, dessen einziger Zweck darin bestand, als Kulisse für die Tragödie des Protagonisten zu dienen. Aber war er wirklich nur ein Bösewicht aus einem Kapitel, oder hatte das Schicksal noch ein paar Asse im Ärmel? Verfolge die Geschichte von Lucavion Thorne, wie er den Sinn seiner Seelenwanderung findet und sein eigenes Schicksal entdeckt. ---------- Ein oder zwei Kapitel täglich. Kapitellänge 1500-2000 Wenn du möchtest, kannst du bei mir auf Discord vorbeischauen. Dort kannst du die Illustrationen sehen und mit mir chatten, wenn ich verfügbar bin. https://discord.gg/BQRMhDxZr8 ---------------------------0------------------------------ Geschäftliche E-Mail-Adresse: [email protected] Discord: _yty_ Shattered Innocence: Transmigrated Into a Novel as an Extra ist ein beliebter Light Novel, der die Genres Action, Abenteuer, Drama, Fantasy, Harem, Romantik und Tragödie abdeckt. Geschrieben vom Autor Darkness_Enjoyer geschrieben. Lies "Zerstörte Unschuld: Als Statist in einen Roman versetzt" kostenlos online.

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