Varen Drakov saß allein in der Vorbereitungsstube, sein Großschwert lag über seinem Schoß, der Griff war noch warm von seinem letzten Kampf. Das leise Gemurmel der Menge oben drang durch die Steinwände und erinnerte ihn ständig an die Bedeutung des Turniers und die damit verbundenen Erwartungen. Er atmete ruhig, sein Blick war scharf und unerschütterlich, während er an seinen letzten Gegner dachte: Lucavion.
Schon allein der Name löste etwas in ihm aus – keine Angst, sondern eine gedämpfte Aufregung. Er hatte Lucavion zuvor kämpfen sehen und beobachtet, wie der unabhängige Schwertkämpfer Lira Vaelan mit fast lässiger Leichtigkeit auseinandergenommen hatte. Varen hatte in seinem Leben schon unzählige Kämpfe gesehen, aber Lucavions Leistung ging ihm nicht aus dem Kopf.
„Lira ist nicht schwach“, überlegte Varen und strich mit den Fingern über den Griff seines Schwertes. „Trotz all ihrer Fehler sind die Schüler der Wolkenhimmel-Sekte keine Schwächlinge. Sie sammeln Kraft und verlassen sich auf ihre kultivierte Stärke, um das Schlachtfeld zu dominieren. Aber es fehlt ihnen an Disziplin und Präzision. Sie setzen ihre Kraft ein, ohne ihre Grenzen zu kennen.“
Und doch hatte Lucavion ihre Verteidigung wie ein Windstoß, der Blätter verstreut, hinweggefegt. Seine Bewegungen waren flüssig gewesen, seine Schläge vernichtend effizient. Es gab keine verschwendete Kraft, keine unnötige Effekthascherei. Nur kalte, berechnende Präzision.
„Er hat sie nicht nur besiegt“, dachte Varen und umklammerte sein Schwert fester. „Er hat sie vernichtet. Mühelos.“
Die Erinnerung an den Kampf spielte sich in seinem Kopf ab:
Lucavions Schwert blitzte wie ein Sternenstrahl, seine Aura war wie ein stiller Sturm, der die Arena seinem Willen zu unterwerfen schien. Er hatte Lira nicht mit roher Kraft überwältigt, wie Varen es oft tat. Stattdessen hatte er sie Stück für Stück auseinandergenommen, ihre Schwächen aufgedeckt und sie mit unerbittlicher Konzentration ausgenutzt.
„Und das alles, ohne ins Schwitzen zu kommen“, stellte Varen fest. „Das macht ihn so gefährlich.“
Varens Gedanken wanderten zu den Worten, die Lucavion während des Turniers gesprochen hatte. Der geheimnisvolle Schwertkämpfer hatte kühne Behauptungen aufgestellt und die Sekten als egoistisch und heuchlerisch abgetan, ihre Lehren als hohl. Es war die Art von Arroganz, die Varen nicht ausstehen konnte, doch etwas an Lucavions Auftreten machte es schwierig, seine Worte einfach so abzutun.
„Wenn das, was er sagt, stimmt“, überlegte Varen und presste die Kiefer aufeinander, „dann kann ich verstehen, warum er so kämpft. Aber das ist trotzdem keine Entschuldigung dafür, die Disziplin zu missachten, die uns zu dem macht, was wir sind.“
Trotz seiner Ablehnung konnte Varen die Aufregung nicht leugnen, die ihn bei dem Gedanken an den bevorstehenden Kampf durchströmte.
Lucavion war anders als alle Gegner, denen er bisher im Turnier begegnet war – ein Mysterium, eine Naturgewalt, die sich den Konventionen der Kampfkunst widersetzte.
„Das ist es, was ich wollte“, gab er sich zu, während sein feuriges Mana als Reaktion auf seine wachsende Vorfreude schwach flackerte. „Eine echte Prüfung. Ein Kampf gegen jemanden, der nicht nur meiner Stärke ebenbürtig ist, sondern alles in Frage stellt, was ich mir aufgebaut habe.“
Er stand auf und schwang sein großes Schwert glänzend über seinen Rücken. Der Vorbereitungsraum kam ihm jetzt kleiner vor, die Luft war voller Spannung angesichts dessen, was bevorstand. Der letzte Kampf war nicht nur ein weiterer Kampf, sondern der Höhepunkt all dessen, wofür er trainiert hatte, alles, wofür er als Schüler der Silberflammen-Sekte stand.
Varen schloss für einen Moment die Augen, um sich zu sammeln.
Die feurige Aura um ihn herum stabilisierte sich, seine Entschlossenheit wurde mit jeder Sekunde stärker.
„Lucavion“, dachte er und öffnete die Augen mit grimmiger Entschlossenheit. „Du bist stark. Stärker als jeder andere, dem ich hier begegnet bin. Aber Stärke allein reicht nicht aus. Wenn du wirklich über das hinausgewachsen bist, was uns alle verbindet, dann zeig es mir. Zeig mir, warum du so kämpfst, wie du kämpfst.“
Mit diesen Worten trat er in die Arena, seine feurige Präsenz entflammte, als er sich darauf vorbereitete, dem Mann gegenüberzutreten, der sich bereits als Rätsel erwiesen hatte – und vielleicht als die größte Herausforderung seines Lebens.
Als Varen Drakov die Arena betrat, traf ihn der Jubel der Menge wie eine Flutwelle. Der Lärm hallte durch den offenen Raum und erschütterte die Luft um ihn herum.
Die Sprechchöre waren ohrenbetäubend, eine einzige Stimme der Hingabe und Bewunderung erhob sich über alles andere.
„Varen! Varen! Varen!“
Wohin er auch blickte, sah er Gesichter voller Aufregung und Ehrfurcht, Menschen, die aufgestanden waren und ihre Hände zum Lob erhoben hatten. Sie riefen seinen Namen, als könne allein dieser den Sieg herbeiführen. Ihr Glaube, ihre Leidenschaft waren greifbar, und für einen Moment spürte er das Gewicht aller Blicke auf sich.
Er blieb am Rand des Rings stehen, sein feuriges Mana flackerte schwach um ihn herum, und nahm alles in sich auf. Der Jubel, das Stampfen, die unerbittliche Verehrung – es war überwältigend, aber nicht unbekannt. Es war nicht das erste Mal, dass Varen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Von dem Moment an, als er als Erbe der Silberflammen-Sekte, als Sohn des Patriarchen, geboren wurde, war dies sein Schicksal.
„Das bin ich“, dachte er mit ruhigem, aber entschlossenem Gesichtsausdruck. „Derjenige, der den Namen der Sekte trägt. Derjenige, der nicht straucheln darf.“
Varen schloss kurz die Augen und ließ den Lärm der Menge über sich hinwegspülen. Er konnte ihre Erwartungen, ihre Hoffnungen, ihren Glauben an seine Stärke spüren. Es war eine schwere Last, die einen schwächeren Mann erdrücken könnte, aber Varen hatte sie längst akzeptiert.
Er war in diese Rolle hineingeboren worden, von ihren Anforderungen geprägt, durch ihr Feuer geschmiedet.
„Ich kämpfe nicht um ihre Anerkennung“, ermahnte er sich. „Ich kämpfe, weil es meine Verantwortung ist. Um den Namen der Sekte mit Stolz zu tragen. Um der Welt ihre Stärke zu beweisen. Um allen zu zeigen, wofür die Sekte der Silbernen Flamme steht.“
Er öffnete die Augen und ließ seinen feurigen Blick über die Menge schweifen, bevor er sich auf die Gestalt auf der anderen Seite der Arena konzentrierte.
Lucavion.
Der geheimnisvolle Schwertkämpfer stand am anderen Ende des Rings, ganz locker und mit einem unlesbaren Gesichtsausdruck. Im Gegensatz zu Varen schien Lucavion von dem Druck und der Energie der Menge völlig unbeeindruckt zu sein. Wenn überhaupt, schien er das Spektakel zu genießen, denn ein Grinsen spielte um seine Lippen, als fände er das Ganze ziemlich amüsant.
Der Kontrast zwischen den beiden war krass. Varen, der Erbe der Silberflammen-Sekte, belastet von Pflicht und Ehre, stand da wie eine Säule der Stärke und Verantwortung. Lucavion, der abtrünnige Schwertkämpfer, ungebunden und ungezähmt, strahlte eine unbekümmerte Selbstsicherheit aus, die sich über alle Konventionen hinwegsetzte.
Die Rufe der Menge wurden lauter, ihre Stimmen schwollen vor Vorfreude an, als Varen die Mitte der Arena betrat. Sein großes Schwert ruhte leicht auf seiner Schulter, seine feurige Klinge fing das Licht ein. Er begegnete Lucavions Blick, sein feuriges Mana flammte kurz auf, während er die Bedeutung des Augenblicks auf sich wirken ließ.
„Das ist meine Bühne“, dachte er und fasste einen festen Entschluss. „Hier werde ich mich beweisen. Egal, wie stark du bist, Lucavion, ich werde dir die Stärke eines Kriegers zeigen, der nicht nur für sich selbst kämpft, sondern für etwas Größeres.“
Er hob sein Schwert und richtete es auf Lucavion, eine stille Absichtserklärung. Die Menge brach erneut in Jubel aus, ihre Rufe hallten durch die Arena.
„Varen! Varen! Varen!“
Lucavion neigte leicht den Kopf, sein Grinsen wurde breiter, als er lässig mit der Klinge an der Seite einen Schritt nach vorne machte. Seine Ausstrahlung war subtil, fast trügerisch in ihrer Ruhe, aber Varen konnte die Intensität darunter spüren – einen stillen Sturm, der darauf wartete, losgebrochen zu sein.
Die beiden Krieger standen in der Mitte der Arena, die Luft zwischen ihnen war geladen mit der Vorahnung eines unvergesslichen Kampfes. Varens feurige Aura schwoll an, als er sich auf seine bisher größte Herausforderung vorbereitete, das Gewicht seiner Verantwortung und die Gesänge der Menge beflügelten seine Entschlossenheit.
„Lasst sie sehen“, dachte Varen mit funkelnden Augen. „Lasst sie alle sehen, warum ich den Namen der Silberflammen-Sekte trage.“
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Als die Rufe der Menge langsam verstummten, lag eine angespannte Stille in der Luft. Die magisch verstärkte Stimme des Ansagers erhob sich über den abklingenden Lärm und forderte die Aufmerksamkeit aller.
„Meine Damen und Herren! Ehrengäste aus allen Reichen! Macht euch bereit für den Höhepunkt des Ventor-Kampf-Turniers!“
Die Energie in der Arena schien sich zu verändern, jedes Wort zog das Publikum näher an den Rand ihrer Sitze.
„In diesem letzten Duell stehen sich zwei Krieger gegenüber, deren Stärke alle, die ihre Reise miterlebt haben, in ihren Bann gezogen hat.“ Entdecke Geschichten mit M-V-L
Der Ansager wandte sich einer Seite der Arena zu, seine Stimme schwoll vor Ehrfurcht an.
„In dieser Ecke, aus der angesehenen Silberflammen-Sekte, der Erbe ihres feurigen Vermächtnisses, bekannt für seine unerbittliche Kraft und seinen unnachgiebigen Geist – Varen Drakov, die Wilde Flamme!“
Eine Welle von Jubelrufen und feurigen Gesängen brach erneut los, als Varen sein Großschwert hochhob, dessen Klinge schwach von seinem feurigen Mana glühte. Sein Blick war auf seinen Gegner gerichtet, jede Bewegung strahlte Disziplin und Kraft aus.
Der Ansager richtete seine Aufmerksamkeit auf die gegenüberliegende Seite der Arena und senkte seine Stimme leicht, als wolle er sich der geheimnisvollen Ausstrahlung des nächsten Kämpfers anpassen. „Und in dieser Ecke … ein unabhängiger Schwertkämpfer, der wie ein Phantomwind durch dieses Turnier gefegt ist und seine Legende in unser Gedächtnis gemeißelt hat. Für manche ist er die Phantomklinge, eine geheimnisumwitterte Gestalt. Für andere sagt sein aufsteigender Spitzname alles: der Schwertdämon.“
Die Reaktion der Menge war diesmal geteilter, eine Mischung aus Ehrfurcht und Neugier. Lucavion trat vor, seine Gangart lässig, fast träge, während er sein Schwert an die Seite schwang. Das Grinsen auf seinem Gesicht war so scharf wie sein Schwert, eine unausgesprochene Herausforderung sowohl an seinen Gegner als auch an das Publikum.
Der Ansager machte eine Pause, um die Spannung aufzubauen. „Zwei Krieger, jeder ein Vorbild auf seinem Weg. Der eine gebunden an Pflicht und Ehre, der andere frei von Zwängen und Konventionen. Wer wird als Sieger hervorgehen, wenn sich der Staub gelegt hat?“
Die Menge brüllte erneut, als der Ansager zum Schluss kam. „Lasst den letzten Kampf beginnen!“
Die Arena wurde von ohrenbetäubendem Jubel erfüllt, als die beiden Kämpfer in die Mitte traten und ihre Auren wie Gewitterwolken aufeinanderprallten. Die schützenden Zauber, die den Ring umgaben, flackerten schwach und erinnerten an die Kraft, die gleich entfesselt werden würde.